Süddeutsche Lebensmittelwerke

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Die Süddeutsche Lebensmittelwerke GmbH war in der Karolinenstraße 106 - 108. Das Unternehmen produzierte Fleisch, insbesondere in Lebensmitteldosen, aber auch Suppen, Gefrierfleisch und Obstkonserven etc. Während des 1. Weltkrieges belieferte das Unternehmen das Bay. Heer mit Vieh und seinen Wurst- und Fleischdosen.

Der Besitzer war August Bauernfreund, dessen Betrieb zunächst nach ihm benannt "August Bauernfreund A. G." hieß. August Bauernfreud, der jüdischen Glaubens war, hatte zuvor in Nürnberg in der Breiten Gasse eine Metzgerei, eher er nach Fürth kam.

Unternehmen

August Bauernfreund kam ursprünglich aus Nürnberg, wechselte und erweiterte ca. 1910 den Standort seines Unternehmens nach Fürth. Er übernahm die insolvent gewordenen Gebäude des ehem. Maschinenfabrikanten J. W. Engelhardt & Co. in der Karolinenstraße 106 - 108. Dort baute er seine Geschäfte aus, unter anderem mit dem Bayerischen Staat. Zunächst belieferte er während des 1. Weltkrieges das Bay. Heer während den Kriegszeiten. Anschließend baute Bauernfreund seine Geschäftsbeziehungen mit der Landesregierung aus, u.a. war kurzzeitig 1923 der künftige Bay. Landwirtschaftsminister Anton Fehr und ehem. Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft Mitglied im Aufsichtsrat der Bauernfreund A. G. Dieses Verbindung sollte indirekt den Geschäften Bauernfreunds nutzen, allerdings nutze dies politisch später auch der Nationalsozialist Julius Streicher für seine Hetze gegen den "Volksschädling Bauernfreund" und "Wurstjud Bauernfreund". Hintergrund der späteren Auseinandersetzungen war, dass durch die Reichsregierung 1925 gewisse Kontingente von Gefrierfleisch zollfrei gestellt wurden, um mäßigend auf den Fleischpreis einzuwirken. Dies bewirkte aber eine Stärkung der ausländischen Importe, während die inländischen Anbieter von der Zollfreiheit zunächst nicht profitierten - und somit wirtschaftlich einen Nachteil hatten. Auf mehrfacher Intervention, vor allem durch das bay. Landwirtschaftsministerium bei den Berliner Ministerien der zu Ende gehenden Weimarer Republik in Berlin, konnte 1927 ein Ausgleich für die Fleischhersteller erzielt werden.[1]

1933 verließ Bauernfreund mit seiner Familie Fürth zunächst in Richtung Frankreich, ehe ihm und der Familie die Ausreise in die USA gelang.[2] Sein Betrieb war weiterhin Zielscheibe der politischen Hetze durch die Nationalsozialisten. Mit Reichsfluchtsteuer versehen, und vermutlich einer Arisierung spätestens ab 1938/39 wurde das Unternehmen bis Kriegsende aufgelassen. Kurz vor Kriegsende wurden die Produktionsgebäude in der Karolinenstraße durch einen Luftangriff der Alliierten massiv beschädigt. Ab 1954 firmierte unter dieser Adresse die Fränkische Pelzindustrie Märkle & Co.

NS-Hetze und Emigration

Das Unternehmen war wiederholt der Hetze Julius Streichers und seinem NS-Hetzblatt "Stürmer" ausgesetzt. So wurde erstmals im Februar 1929 vom Stürmer behauptet, dass der "Wurstjud Bauernfreund" in einem großen Korruptionsskandal mit der Bay. Landwirtschaftsminister Dr. Anton Fehr verwickelt gewesen sein soll. So soll Bauernfreund den Minister und Bauernführer bestochen haben, um minderwertige Lebensmittel an das Heer zu liefern, während er sich dadurch nicht nur bereichert, sondern auch von seiner Teilnahme als Soldat im 1. Weltkrieg "frei gekauft" hatte.[3] In weiteren zahlreichen Artikeln beschimpfte Streicher 1929 bzw. 1930 sowohl Bauernfreund als auch den damaligen Bay. Landwirtschaftsminister und Bauernverbandvertreter Dr. Fehr, sowie einen weiteren Ministerialrat und den Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg, Mitbegründer der liberalen Deutschen demokratischen Partei Hermann Luppe, unterstellt ihnen Vorteilsannahme und Bestechlichkeit - und bediente sich dabei stets rassistischen Bildern und Annahmen. Insbesondere der Umstand, dass Bauernfreund 1923 während der Inflationszeit Fehr als Aufsichtsratsmitglied mit Naturalien (Wurstpaketen) bezahlte, nahm Streicher später als Vorwand, um gegen beide wegen "schmutziger Geschäfte" Stimmung zu machen. Ein späteres gerichtliches Verfahren in dieser Angelegenheit, dass von Streicher angezettelt wurde, wurde am 6. Oktober 1932 ohne Schuldurteil eingestellt. Das Prinzip der Skandalisierung war ein häufiges Instrument der aufstrebenden NSDAP Ende der 1920er Jahre, dass viel öffentliches Aufsehen erregte und so manche inhaltlichen Defizite der Partei übertünchte.[4] Auch wenn in der Folge sich die Anschuldigungen Streichers als völlig unbegründet erwiesen - und Luppe und Fehr vor Gericht am 28. Dezember 1931 mit einem Vergleich frei gesprochen wurden - änderte dies nichts an der Hetze und den hasserfüllten Kampagnen Streichers. Der Vergleich sah vor, dass Streicher und der damalige Redakteur und künftige Gauleiter Nürnbergs Karl Holz nicht die Behauptung aufgestellt hätten, dass die Staatsbeamten Fehr und der Ministerialrat Niklas sich nicht bereichert hätten (z.B. durch Wurstpakete und ähnlichem), während Fehr erklärte, dass er Presseäußerungen "ferne stehe" in denen Holz und Streicher als ehrlose Verleumder bezeichnet werden.

Die Süddeutsche Lebensmittelwerke, sowie insbesondere der jüdische Eigentümer August Bauernfreund, waren somit mehrmals das Angriffsziel Streichers für seine nationalsozialistische Hetze im Stürmer, so auch wieder im Juli 1931. Als am 15. Juli 1931 zwölf Menschen nach dem Genuss einer Fleischbrühe der Lebensmittelwerke krank wurden, sah Streicher erneut eine Chance, gegen Bauernfreund zu hetzten. Bauernfreund lies zu dieser Zeit täglich an eine größere Anzahl von Menschen kostenlos Essen verteilen, so auch am 15. Juli. Streicher nutzte diese "willkommene Gelegenheit" um den hungernden "Nichtjuden" (Goj) mit einem satten Juden gegenüber zustellen. Im gleichen Atmenzug nahm Streicher auch noch den Wohlfahrtsreferenten der Stadt Fürth, sowie den Oberbürgermeister Dr. Wild in die Komplizenschaft Bauernfreunds und behauptete im Stürmer, dass Bauernfreund nur dank seiner Verbindungen zur örtlichen Politik mit einem gekauften "Attest" bei der Staatsanwaltschaft nicht weiter verfolgt wurde.[5] Auch das Gericht, so Streicher, hätte dann die sog. "Vergiftungsfälle" wegen der guten Verbindungen Bauernfreunds nicht weiter verfolgt und den Fall zu den Akten gelegt. Es folgten mehrere juristische Verfahren, u.a. gegen den Meister der Wurstfabrik Bauernfeind, der wegen fahrlässiger Körperverletzung vor Gericht freigesprochen wurde - da er das damals zulässige Natriumnitrit, dass häufig zum pökeln von Fleisch verwendet wurde, mit Salz verwechselt hatte wodurch die Krankheitssymptome hervorgerufen wurden.

In einem weiteren Gerichtsverfahren, dieses Mal gegen das Hetzblatt Stürmer, konnte Bauernfreund immerhin ein Erscheinungsverbot des Stürmers vom 28. August bis 9. September 1931 erreichen. Im Beschwerdeverfahren gegen das Erscheinungsverbot des Hetzblattes musste Streicher eingestehen - wenn auch nicht-öffentlich - dass die Freundschaft des "Juden Bauernfreund" mit dem Wohlfahrtsreferenten und dem Oberbürgermeister sowie der "roten Mehrheit" im Stadtrat "nur im dichterischen Sinne" zu verstehen gewesen sei. Solche "politischen Witze", so Streicher in seiner Argumentation, seien in einer "satirischen Zeitschrift" üblich.[6] Des Weiteren behauptete Streicher in seiner "Beweisführung", dass man nicht erst nachweisen müsste, dass der "Jude auf der Seite der Linksparteien stehe und umgekehrt zwischen Linksparteien und Juden eine Freundschaft bestünde". Mehr Argumente bzw. Beweise hatte er gegen Bauernfreund nicht aufzubringen, trotzdem wurden das Erscheinungsverbot wieder aufgehoben - und Streicher konnte unbeschadet weiterhin mit seinen Verleumdungen und seiner Hetze weiter machen.[7]

Bauernfreund emigrierte 1933 mit seiner Familie über Frankreich in die USA, wohl wissend was Ihn und seine Familie im Deutschen Reich erwarten würde - vermutlich auch auf Grund der jahrelangen Erfahrungen mit dem Hetzblatt Julius Streichers.[8]

Der Fall Bauernfreund blieb kein Einzelfall im Bereich der antisemitischen Hetzkampagne Streichers. Die "großen Fälle", wie er sie in seinen sog. "Kampfjahren" selbst bezeichnete wurden oft über Monate oder gar Jahre verfolgt. Neben dem Nürnberger Julius Wälder und Rosine Speicher, der Hausgeberin der Nürnberger Hausfrauenzeitung, war Bauernfreund über Jahre hinweg einer seiner beliebtesten Gegner. Im Januar 1935 - als Bauernfreund längst emigriert war - widmete Streicher seinen letzten verbliebenen Gegner aus den Weimarer Jahren sogar eine Sondernummer des Stürmers.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Hermann Stoller: Anton Fehr - Lindenberger Politiker der Weimarer Republik, Geschichts- und Museumsverein Lindenberg e. V., Homepage, online abgerufen am 9. Juni 2020, 23:51 Uhr, PDF-Skript, S. 19 ff.
  2. Werner Röder (Hrsg.): Biographisches Handbuch der deutsprachigen Emigration nach 1933 - 1945, Institut für Zeitgeschichte - Research for Jewish Imigration, New York/ US, Bauer - ursprünglich Bauernfreund, S. 37 ff.
  3. Der Stürmer - Sondernummer 1, 13. Jahrgang, Januar 1935 - Titelseite: Der Riesenskandal um den Wurstjuden Bauernfreund
  4. Rainer Hambrecht: Der Aufstieg der NSDAP in Mittel- und Oberfranken (1925 - 1933), Schriftenreihe des Stadtarchivs Nürnberg, Band 17, Nürnberg, S. 251
  5. Staatsarchiv Nürnberg: Reg. Mfr II, 225
  6. Heinrich Strauß: Fürth in der Weltwirtschaftskrise und nationalsozialistischen Machtergreifung. Schriftenreihe des Stadtarchivs Nürnberg, Band 29, Erlangen, 1980, S. 441ff.
  7. Staatsarchiv Nürnberg, Reg. Mfr II, 691
  8. Spiegel: Alte Freunde. Der Spiegel vom 28. Juli 1969, online abgerufen am 8. Juni 2020 | 0:24 Uhr

Bilder