Schulhof 2

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v.l.n.r.: Mohrenstraße 30, 28, Neuschul (Schulhof 2 mit Fünfzackstern [nicht Davidstern] in der Verschieferung), Eingangstor Schulhof, Mohrenstraße 26, 1934
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Objekt
Synagoge, Scharre, Frauen-Mikwe und Wohnung
Baustil
Fachwerk
Geokoordinate
49° 28' 42.78" N, 10° 59' 8.99" E
Abbruchjahr
1939, nach Niederbrennen 1938

Das Gebäude Schulhof 2, die sog. Kaalschul oder Neuschul befand sich im sog. Gänsbergviertel. Das Gebäude bestand aus einem Quadersockel, über dem sich ein zweigeschossiger Fachwerkbau erhob.[1] In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Fachwerkbau verschiefert.[2] Der Bau beinhaltete im 1. Stock eine Synagoge und im Erdgeschoss ursprünglich die Scharre, später den Abgang zur Frauen-Mikwe und eine Wohnung. Im Zuge der Reichsprogromnacht wurde das Gebäude am 10. November 1938 niedergebrannt und 1939 die Ruine abgerissen. Im Kartenausschnitt in der Faktenbox auf der rechten Seite wird der ungefähre ehemalige Standort des Gebäudes im aktuellen Stadtplan angezeigt.


Gänsbergplan Schulhof 2 rot markiert

Geschichte[3]

  • 1697: Als die jüdische Gemeinde in Fürth sehr schnell wuchs, erbaute man die sogenannte "Kaalschul"[4] oder "Neuschul"[5]. Der Synagogenraum befand sich im ersten Stock, darunter die Scharre.
  • 1717: Die Scharre wurde geschlossen, darin ein Umkleidezimmer und darunter eine Mikwe errichtet. Bis zum Wasserspiegel soll es 12,35 m in die Tiefe über 50 Stufen gegangen sein.[6][7] Bis dahin war die einzige Mikwe in Fürth in der Mühlstraße 2, das sog. Duckla.
  • 1819: Schulgebäude der Judenschaft, die Neuschule[8]
  • 1829: Arbeiten an der Mikwe, wie die Erweiterung der Entlüftungsrohre, die Vergrößerung des Umkleidezimmers, sowie die Holzvertäfelung aller Wände und Stufen.[9]
  • 1831: Bürgermeister Franz Joseph von Bäumen beschrieb die Räume der Kaals-Mikwe: "ein Gemach des Grauens und Entsetzens" und ließ sie aus gesundheitsgefährdenden Gründen schließen. "Eine breite Treppe von 14 Stufen führt zu einem kellerähnlichen Gemach mit zwei Lichtöffnungen, in dem ein kupferner Kessel eingemauert ist, der 14 Bütten Grundwasser erwärmen soll."[10] 24 Stufen tiefer befand sich der Umkleideraum, der 1824 zur Verbesserung der „Frauentuck“ durch Maurermeister Johann Heinrich Jordan in den Felsen gehauen wurde. Jordan erhielt für die Herstellung der Lichtschächte, des Kamins und des neuen Zimmers 198 fl. ohne Berechnung der Türen und Schlösser.[11] Eine Beschwerde wurde abgelehnt, am 21. November 1831 übergab der Gemeindevorstand dem Stadtmagistrat die Mikwenschlüssel.[12]
  • 1834: Offensichtlich Auftrag einer neuen Mikwe in Schulhof 1, aber weitere Benutzung in Schulhof 2, bis zu einem Unglücksfall mit drei ohnmächtigen Frauen.[13] Am 15. Mai 1834 ließ Bäumen die Mikwe sofort schließen und die Tür versiegeln.
Querschnittszeichnung von J.P. Haas für die Neuschul mit Almemor und Aron Ha-Kodesch, 1853
  • 1853/54 grundlegende Renovierung; nach den Vorlagen und Zeichnungen von Johann Paul Haas sollte die Ausstattung des Gottesdienstraumes im neugotischen Stil erfolgen. Die Synagogenstände sollten durch Subsellien ersetzt werden. Manches wurde aus Kostengründen abgelehnt. Was dann tatsächlich von den aufwändig projektierten Einbauten und Zierarbeiten von Haas verwirklicht wurde, ist nicht zweifelsfrei überliefert.[14] Am 15. September 1854 wurde die Neuschul von Rabbiner Isaak Loewi wieder eingeweiht.[15]
  • Vermutlich zweite Hälfte des 19. Jh.: Verschieferung des Fachwerks. Die eintretende Feuchtigkeit spielte bereits bei den Renovierungsmaßnahmen 1853 eine Rolle, sodass man die Behebung dieses Mangels ab diesem Jahr ansetzen kann.
zerstörte Neuschul nach der Reichsprogromnacht
  • 10. November 1938 Zerstörung in der Reichsprogromnacht: Ende der Neuschul (Kaalschul) und anschließende Abräumung der Ruine.


Frühere Adressen

  • ab 1792 Hausnummer 385
  • ab 1827 Hausnummer 56, I. Bez.
  • ab 1860 Schulhof 1
  • ab 1890 Schulhof 2

Rabbiner und Kantoren an der Neuschul

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. "Mehr als Steine" - Synagogen-Gedenkband Bayern, Band II, Seite 275
  2. Die Verschieferung des Fachwerks folgte in Fürth einer allgemeinen Mode. Siehe auch: Baraba Ohm: "Durch Fürth geführt", Band I.; Seite 31. Auf dem Stich von G. Löwensohn aus dem Jahr 1839 ist noch das Fachwerk zu sehen.
  3. Soweit nicht anders angegeben: Gottlieb Wunschel: "Alt-Fürth", Häuserchronik zu Schulhof 2, 1940
  4. קהילה‎ Kahal bzw. Kehilla = Gemeinde
  5. . 1697 wird als wahrscheinliches Erbauungsdatum am häufigsten angenommen; so Gisela Naomi Blume: "Mikwen in Fürth - Die Kellerquellenbäder der Israelitinnen" 2.Teil, in: Fürther Geschichtsblätter 3/11, S. 63 und dabei bezugnehmend auf: StAN Katasterselekt Steuergemeinde Fürth Nr. 1, Güterverzeichnis der Stadt Fürth 1808, ebenso Barbara Ohm: "Geschichte der Juden in Fürth", S. 56, auch Hugo Barbeck Geschichte der Juden in Nürnberg und Fürth (Buch), S. 61, ebenso Salomon Haenle Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstenthum Ansbach, S. 181 und Andreas Würfel: "Historische Nachricht von der Judengemeinde in dem Hofmarkt Fürth", S. 28 - demgegenüber steht als Erbauungsdatum 1647, bei Friedrich Marx Fürth in Vergangenheit u. Gegenwart, S. 106, oder J. Sax: "Die Synagoge in Fürth", dritte Seite zweite Spalte. Die Fronmüllerchronik gibt verwirrend beide Daten an, siehe S. 99 und S. 112.
  6. siehe Gisela Naomi Blume: "Mikwen in Fürth - Die Kellerquellenbäder der Israelitinnen" 2.Teil, in: Fürther Geschichtsblätter 3/11, S. 65
  7. Andreas Würfel: "Historische Nachricht von der Judengemeinde in dem Hofmarkt Fürth", S. 28 beschreibt: "§ 13. Gegen der alten Haupt=Schul, Mittag wärts, stehet die neue Kahls=Schule, welche Ao. 1697 darum ist erbauet worden, weil die alte Haupt=Schul, die Zahl der Juden nicht mehr kunte fassen. (Wagenseil de ciuit., Nor.c. XVIII. p.m. 125, III) Dabey ist eine Weiber=Schul.
    § 14. Unter dieser neuen Kahls-Schule ist eine מקוה mikveh eine Tuk. Die hat den Namen Kahls-Mikveh. Dahin werden die Bräute, den Tag vor der Copulaton das erste mal von den Weibern begleitet. Über dieser Kahls-Mikveh ist noch eine Bad-Stube für die Weiber. Dieses Bädlein war vorhin das קצבות Kazuphus das Schlacht=Haus. Das Merkmal hievon ist, daß man noch eine vermauerte Thür siehet."
  8. Fürther Adressbuch von 1819, S. 23
  9. G. N. Blume beruft sich auf: Central Archives for the History of the Jewish People, Jerusalem, D/Fu1-1203
  10. G.N. Blume zitiert aus: Stadtarchiv Fürth (StAFü) Fach 27/18 "Die zweckmäßige Einrichtung der Keller-Quellbäder für die Israelitinnen dahier im Jahre 1829".
  11. G. N. Blume beruft sich auf Central Archives for the History of the Jewish People, Jerusalem, D/Fu1-574
  12. siehe Gisela Naomi Blume: "Mikwen in Fürth - Die Kellerquellenbäder der Israelitinnen" 2.Teil, in: Fürther Geschichtsblätter 3/11, S. 68
  13. Ursächlich war wohl "Kohlendampf", aufgrund defekter Heizung oder eines geplatzten Rohres. Gisela Naomi Blume: "Mikwen in Fürth - Die Kellerquellenbäder der Israelitinnen" 2.Teil, in: Fürther Geschichtsblätter 3/11, S. 68.
  14. Mehr als Steine - Synagogen-Gedenkband Bayern, Band II, Seite 293
  15. siehe Bericht Fürther Tagblatt vom 19. September 1854

Bilder