Erntedankfestzug
Der Erntedankfestzug ist der traditionsreiche Kirchweih-Festumzug der St.-Michaelis-Kichweih. Er findet traditionsgemäß seit den 1950er Jahren am zweiten Kirchweihsonntag (Erntedankfest), dem "Bauernsonntag" statt.
Geschichte
Der erste bekannte Erntedankfestzug fand 1817 nach den schweren Missernten von 1815/16 als Dank für die gute Ernte statt. Christian Friedrich Fues illustrierte dies und "lieferte ein hübsches illuminiertes Kunstblatt mit Abbildung des Festzuges, wovon in Fürth allein 230 Exemplare abgesetzt wurden."[1]. Auch auf einer Schützenscheibe von 1819 ist das Fues-Motiv des Erntedankfestzug dargestellt. Darauf sind auch die Vertreter der Fürther Geistlichkeit dargestellt, die in späteren Zeiten gerne als der evangelische und katholische Pfarrer und der Rabbiner von Fürth interpretiert wurden, aber als Fürther Narrativ nicht der nachweislichen Überprüfung standhält. Es handelte sich ganz offensichtlich um eine nachträgliche Interpretation der Erntedankzugszene aus der Chronik von Fronmüller. Mit "Geistlichkeit" waren eher die Michelspfarrer Georg Tobias Christoph I. Fronmüller, Christoph Ernst Gottlieb Link und Georg Michael Ebert gemeint. Die Vertreter der jüdischen Gemeinde wurden separat aufgeführt, wobei es sich dabei um Rabbiner Meschullam Salman Kohn handelte. Einen katholischen Pfarrer gab es zu der Zeit in Fürth noch nicht. Die Kirche "Zu unserer lieben Frau" wurde erst am 6. Oktober 1829 eingeweiht und der erste röm.-kath. Pfarrer ist mit Theobald Zahnleiter ab 1837 aktenkundig.[2][3].
Die entsprechende Notiz in der Fronmüllerchronik lautet:
- Der Zug ging nun unter Abfeuerung von Kanonen mit dem Wagen zur Stadt zurück. Am Eingange derselben wurde er von der Geistlichkeit, den königlichen und städtischen Beamten, sammt den Vorständen der jüdischen Gemeinde empfangen ...[4].
Auch wenn 1817 ein "Erntedankfestzug" in Fürth durchgeführt wurde, begründete dies zunächst keine Tradition. Dieser Zug fand weder im Herbst noch im Zusammenhang mit der Kärwa statt. Vielmehr geht der heutige Kärwaumzug aus einem reinen Brauereiumzug hervor, der sich erst über hundert Jahre später etablierte und sich solch großer Beliebtheit erfreute, dass er in den 1950er Jahren schließlich auf den zweiten Sonntag ("Bauernsonntag") verlegt und zum "Erntedankfestzug" ausgebaut wurde.
Route und Mitwirkende
Die Route verläuft stets wie folgt: Ecke Herrnstraße/Schwabacher Straße – Schwabacher Straße – Maxstraße – Friedrichstraße – Rudolf-Breitscheid-Straße – Schwabacher Straße (Fußgängerzone) – Brandenburger Straße – Rathaus – Königstraße – Ufer-/Weiherstraße.
Heute zieht dieser alle Jahre etwa 3.000 Mitwirkende und 100.000 Zuschauer in den Straßen und Plätzen von Fürth in seinen Bann. Im Jubiläumsjahr der Stadt Fürth 2007 waren es etwa über 4.000 Mitwirkende und etwa 150.000 Zuschauer.
Am Ende des Festzuges wird traditionell das Gemüse und Obst, das zu Dekorationszwecken auf den Festwagen mitgeführt wurde, an die Zuschauer zu günstigen Preis verkauft. Dieser Höhepunkt ist für viele Besucher mit eines der wichtigsten Ereignisse des Erntedankfestzuges und es bleibt nur selten Gemüse oder Obst übrig. Der Verkauf findet direkt vom Wagen am Obstmarkt oder in der Ufer- & Weiherstraße bzw. vor dem Kulturforum statt.
Brotübergabe und Prolog
Beim Erntedankfestzug wird bei Eintreffen am Rathaus alljährlich dem Oberbürgermeister ein frischer Acht-Pfünder-Laib Brot überreicht, es bildet damit traditionell den Höhepunkt des Festzuges. Das Brot wird stets durch den Verein "Bühne Erholung 27 e. V. vorgenommen, die ebenfalls den Prolog vor dem Oberbürgermeister vorlesen. Da in der Regel Kinder den "acht-Pfünder" während des Zuges tragen dürfen, wird das Brot vor der Veranstaltung ausgehöhlt damit es leichter zum tragen ist.
Der Prologtext beim Kärwazug nach der Brotübergabe vor der Ehrentribüne lautet:
- Willkommen haßt die Stadt heit gern
- zichtausend Gäst aus Noah und fern
- zur Michaelis-Kärwa Fürth
- däi Frankn‘s Königin gnannt wärd.
- Däi ganze Stadt durchzäicht a Luft
- nach Broatwärscht-Käichli-Karpfenduft
- und vieles andere a nu mehr
- doch alles zu brobiern-fällt schwer.
- Heit hots den Höhebunkt erreicht
- denn wo’s der Erntedankzug zeicht
- is net blouß dekoriert und bund
- sondern hält jung und alt kerngsund
- Anbau und Ernte vur der Tür
- schätzen die Bauern-und auch wir
- und daß a su bleibt, gilt stets zu dankn,
- dem lieben Gott und den fleißigen Franken.
- Gedichtet von Erika Jahreis
Sonstiges
Das Bayerische Fernsehen sendete über ARD erstmals 2015 deutschlandweit live den Erntedankfestzug in Fürth. Seit dem wird der Erntedankfestzug stets live ausgestrahlt, allerdings schwankte die Zeit der Ausstrahlungszeit. Zunächst zeigte das Fernsehen lediglich die ersten 30 Minuten des Festzuges. Dies führte zu Protesten, so dass die Ausstrahlungszeit verlängert wurde auf bis zu 1,5 Stunden.
Nach dem Erntedankzug 2016 kam es zu Beschwerden mehrerer Bürger, da die Türkische Gemeinschaft mit einer Fahne aufgezogen war, die auch als Symbol der rechts-nationalen türkischen Partei Milliyetçi Hareket Partisi (MHP) missverstanden werden konnte. Daraufhin wurden die Fahnen mit den drei Halbmonden verboten.
2019 war erstmals ein Bay. Ministerpräsident während eines Erntedankfestzuges in Fürth mit anwesend. Ministerpräsident Markus Söder fuhr mit dem Oberbürgermeister Dr. Thomas Jung von der Südstadt bis zur Ehrentribüne vor dem Rathaus mit.
2023 wurde der Festzug um eine Woche nach vorne - also auf das Eröffnungswochenende - verlegt, damit es zu keinen Einschränkungen bei der Durchführung der Landtagswahl 2023 und Bezirkswahlen 2023 am 8. Oktober 2023 kommt.
Lokalberichterstattung
- Königliches Spektakel. In: Fürther Nachrichten vom 9. Oktober 2011 - online
- Erntedankfestzug: Aufregung um türkische Fahnen. In: Fürther Nachrichten vom 8. November 2016 - online
- Gwendolyn Kuhn: Corona-Lethargie statt Festumzug. In: Fürther Nachrichten vom 9. Oktober 2021 (Druckausgabe)
Siehe auch
- Michaelis-Kirchweih
- Erntedankfestzug 1960
- Erntedankfestzug 1968
- Erntedankfestzug 1969
- Erntedankfestzug 1972
- Erntedankfestzug 1986
- Erntedankfestzug 2023
Weblinks
- Bilder vom Erntedankfestzug in Fürth 2011 - online
- Michaelis-Kirchweih Fürth
- Stadt Fürth - Erntedankfestzug online
Einzelnachweise
- ↑ Fronmüllerchronik S. 228 f
- ↑ (vgl. Fronmüllerchronik, 1887, S. 250)
- ↑ Vgl. dazu auch die Auflistung der Fürther Geistlichkeit im Adressbuch von 1819, Seite 45
- ↑ Fronmüllerchronik, S. 228 f
Bilder
Erntedankzug, die Evang.-Lutherische Kirchengemeinde trägt ein Bildnis von St. Michael neueren Datums. Das traditionell mitgeführte Bild aus der Kirche wird nicht mehr verwendet, weil dort das von St. Michael besiegte Böse bzw. der Teufel durch einen dunkelhäutigen Menschen symbolisiert wird. Aufgenommen von Königstraße 57, 1. OG, Okt. 2018
Osmanische Militärkapelle mit umstrittenen Symbolen auf den Fahnen von der türkischen rechtsextremen MHP Partei, Okt. 2016
Die Lokomotive "Adler" der Ludwigsbahn - Modell auf einem Festwagen der Kleingärtner Fürth
anlässlich des Fürther Erntedankfestzugs 2010 zum 175. Jubiläum der ersten deutschen EisenbahnTeam des BRs am Erntedankfestzug 2007.
Windsheimer Spielmannszug auf dem Erntedankfestzug 2007.
Ein "gesunder" fränkischer Rechen am Erntedankfestzug 2007.
Erntedankgespann in der Schwabacher Straße am Kirchweihumzug 2007.
Barbara Ohm nimmt als Kaiserin Kunigunde für den Geschichtsverein Fürth am Kirchweihumzug 2007 teil.
Volker Heißmann(rechts) und Martin Rassau in ihrer Paraderolle als "Waltraud und Mariechen", 2007
Impressionen von der Fürther Michaelis-Kirchweih 2006.
Impressionen von der Fürther Michaelis-Kirchweih 2006.
Fürther Kirchweih, Erntedankfestzug 1975
Vorbereitung zum Kirchweih Umzug 1975 des einzigen Fürther achtspännigen Brauereigespannes der Brauerei Humbser im Brauereihof
Michaelis-Kirchweih, Erntedankfestzug an der Schwabacher Straße bei Kreuzung Kaiserstraße. 1960er Jahre
Erntedankfestzug in der Flößaustraße bei Einmündung Buschingstraße, 1955. Festgespann der Brauerei Geismann
Der erste Erntedankfestzug 1817. Radierung von Christian Friedrich Fues.
Erntedankumzug 1817, Postkarte nach colorierter Zeichnung von Christian Friedrich Fues
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