Ludwig-Süd-Nord-Bahn
Geschichte
Die Ludwig-Süd-Nord-Bahn war die erste bayerische Staatsbahnstrecke. Sie wurde am 25. August 1844 eröffnet, der fahrplanmäßige Betrieb wurde am 1. Oktober 1844 aufgenommen. Der Streckenverlauf führte von Lindau über München, Nürnberg, Bamberg nach Hof und tangierte Fürth im Osten nahe der Stadtgrenze. Der Bahnhof für Fürth befand sich in Poppenreuth. Bei Nürnberg-Doos gab es eine ebenerdige, mitunter gefährliche Kreuzung ("Fürther Kreuzung") mit der Ludwigsbahn. Die Umlegung der Strecke über den Fürther Hauptbahnhof erfolgte erst 1876.[1]
Die Planungsphase im Bereich Nürnberg - Fürth
Bis zur Eröffnung gab es allerdings eine länger währende Vorgeschichte.
So wandte sich die Generalversammlung der Aktiengesellschaft für die Eisenbahn von Nürnberg über Bamberg zur nördlichen Reichsgrenze (gemeint ist Bayern) 1838 in einer Dankadresse an den König.
Dabei hieß es u. a. „die Verschiedenheit der Meinungen und Ansichten fand aber glücklicherweise in der Vereinigung von der Generalversammlung … gefassten Beschluß: Außer der bereits nivellierten an dem Kanalhafen bei Fürth vorbeiführenden und in einer Entfernung von circa 4000 Fuß der Stadt Fürth sich nähernden Bahnlinie, noch eine zweite von demselben Anfangspunkte vor dem Neuenthore ausgehend und in gerade Richtung nach Erlangen und in einer Entfernung von circa 15000 Fuß von der Stadt Fürth laufend messen zu lassen.“[2]
Bis zu jenem Zeitpunkt war allerdings schon eine Streckenführung genehmigt gewesen, die „in ziemlich paralleler Richtung mit der Ludwigs-Eisenbahn nach dem Fürther Kanalhafen bei Poppenreuth und von da einbiegend in das Flußgebiet der Regnitz längs dem Kanal bis Erlangen hinlaufend“.[3] Gegen diese Linie wurden mehrere Bedenken erhoben, weil diese Streckenführung „Fürth zum Nachtheile Nürnbergs in Verkehr und Frequenz begünstige“ und „die Benutzung der Ludwigsbahn zum Schaden ihrer Aktionäre mindere“.[4] Deswegen wurde eine weitere Trasse von Nürnberg über Schnepfenreuth geradewegs nach Erlangen diskutiert, die Nürnberger Befindlichkeiten und Befürchtungen Fürth gegenüber zu beschwichtigen schien. Für die Poppenreuther Trasse sprach die Anbindung an den Kanalhafen und die geringeren Erdarbeiten, für die Schnepfenreuther Alternative die etwa ½-stündige Zeitersparnis – und die Abkoppelung Fürths. Die Generalversammlung mochte keinen endgültigen Beschluss fassen und gab die Entscheidung in Königs Hand.[5]
Die heftigen Fürther Proteste gegen die Schnepfenreuther Variante konnten erst beruhigt werden, als die Versammlung sich dazu durchrang die letztendliche Entscheidung „dem königlichen Ermessen zu überlassen“.[6]
Im Bayerischen Volksfreund wurde die Rivalität zwischen Fürth und Nürnberg wegen der Eisenbahnanlage deutlich benannt, weil die Nürnberger „nicht dulden wollen, daß die Bahn die Stadt Fürth berühre, damit die industriösen Bürger derselben nicht dereinst den Nürnbergern den Rang ablaufen möchten.“[7] Die Bahntrasse über Poppenreuth wurde als Mittellinie dargestellt, die vor allem „als Snccursal-Anstalt diene, und dadurch das Mitte gegeben werde, die im Winter durch eintretenden Frost in dem Canalhafen festgehaltenen Güter durch die Eisenbahn an den Ort ihrer Bestimmung zu transportiren, was der Eisenbahn nur zum großen Vortheile gereichen wird.“[8]
Im November kam endlich die Meldung, dass eine Entscheidung für die Poppenreuther Trasse gefallen sei – und damit eine Entscheidung zugunsten der Stadt Fürth.[9]
Die Arbeiten an der Bahn zogen sich aber dahin. Sechs Jahre später informierten etliche Zeitungen vom Baufortschritt und berichteten dabei über Details, dass im Erlanger Tunnel schon Schienen verlegt werden, dass drei Dampfwagen angeschafft wurden mit Namen Saxonia (die Ludwig-Nord-Süd-Bahn sollte an das sächsische Eisenbahnnetz angeschlossen werden), Bavaria, Germania und diese sich bereits in 1000 Betriebsstunden bewährt hätten und dass lange Strecken bei Poppenreuth, Bislohe, Gründlach, Eltersdorf und Bruck schon fertig seien.[10] Neben der Schienenlegung wusste der bayerische Volksfreund zu berichten, dass ein Privatmann zur „Beförderung der Reisenden aus der Stadt nach der Eisenbahn und umgekehrt die Einrichtung von Droschenkenfuhren beabsichtige“ und dafür hätte er schon 12 Omnibusse und 100 Droschken in England geordert.[11]
Äußerst detailreich berichtete die Eisenbahnzeitung vom 16. Juni 1845.[12] Die Leser erfuhren dabei, dass die Erdarbeiten für die Bahn durch den brachliegenden Erdaushub vom Kanal wesentlich erleichtert worden waren. Für den Bereich Poppenreuth wurde gar eine Lageskizze mit beigegeben, um die Bahntrasse mit den drei Brücken über Pegnitz, Kanal und Straße zu veranschaulichen.
Bahnhof Poppenreuth als Fürther Station
Die Bahnstation in Poppenreuth, die gleichzeitig in der Nähe des Kanalhafens lag, entwickelte sich als der zuständige Fürther Bahnhof, insbesondere für den Personenverkehr. Die Dooser Kreuzung war etwas entfernter und diente wohl in erster Linie zum Umladen von der Ludwigsbahn auf die Staatsbahn (Nord-Süd-Bahn).
Mit dem Anschluss Fürths an die Trasse Würzburg – Nürnberg stellte der Handels- und Fabrikrat der Stadt Fürth an seine Majestät den bayerischen König in den Jahren 1865 und erneut 1866 den Antrag, Fürth auch mit einem Kopfbahnhof an die Nord-Süd-Bahn anzuschließen. Dabei wurden die Kosten mit der Dooser Kreuzung und der Poppenreuther Bahnstation gegengerechnet.[13] Insbesondere wurde auf die mindestens 25.000 Passagiere hingewiesen, die den Poppenreuther Bahnhof anstelle eines möglichen Fürther Haltes benutzten und damit circa 2500 fl nicht einbrachten.
Die Fürther schienen sich sowieso mit der Poppenreuther Station nicht sonderlich anzufreunden. Es wurden Zugverspätungen moniert, die im Bahnhofsgelände nicht verkündet wurden, da anscheinend das königliche Post- und Bahnamt den Poppenreuther Halt nicht im telegraphischen Verkehr eingebunden habe. Dies wäre doch aber dringend angeraten, da „diese Haltestelle besonders von Fürth aus sehr frequentiert“ werde und „das Wartlokal an betreff. Station eher dazu geschaffen zu sein scheint, vierfüßigen Bewohnern dieser Erde zum Obdach zu dienen“ [14]
Unglücke im Bereich der Poppenreuther Bahnstation
Der Poppenreuther Bahnhof bekam durch verschiedene Unfälle im Bahnbereich bayernweite Aufmerksamkeit. So durch
- einen brennenden Eilzug[15]
- eine entgleiste Güterzuglokomotive[16]
- den Achsbruch eines Güterzuges, der die Gleise mehrere Stunden blockierte[17]
- mehrere Suizide[18] - darunter ein besonders drastischer Selbstmord[19]
- der Tod eines fünfjährigen Mädchens, das unter den Schranken durchgeschlüpft war[20]
Dagegen nimmt sich die Ehrenkränkung des Eisenbahnhaltstellers schon grotesk aus. Immerhin wurde diese Missetat in erster Instanz mit einem Monat Gefängnis bestraft und erst im Berufungsverfahren auf eine Woche herabgesetzt.[21]
Bebauung über der Ludwig-Süd-Nord-Bahn in Poppenreuth
Als 1876 - und damit zehn Jahre nach der Ablehnung einer Kopfbahnhoflösung - die Bahnlinie der Süd-Nord-Bahn endlich über Fürth, dem Fürther Bogen nach Vach und Gründlach umgelegt wurde, konnte das Teilstück über Poppenreuth still gelegt werden. Damit war natürlich auch der Personenverkehr in Poppenreuth zu Ende und eine Bahnhofswirtschaft machte nur noch wenig Sinn. In den Fürther neueste Nachrichten vom 28.06.1871 inserierte Michael May und bot die Gastwirtschaft Zum Kanal und zur Eisenbahn zum Verkauf an. Die Gaststätte Zur Ringbahn nimmt auf eine andere Bahn Bezug, die zwischen 1894 und 1910 um die Stadt Nürnberg speziell für den Güterverkehr errichtet wurde. Diese Bahn tangierte das Poppenreuther Gebiet nur entfernt.
Die Eisenbahngesellschaft verkaufte nach der Streckenstilllegung die Grundstücke an der Bahnlinie. 1888 errichtete die Familie Leipold das erste Gebäude auf der Bahntrasse - heute Karl-Heckel-Weg 1 (damals noch Wiesenstraße). Die Erbauer des benachbarten Hauses auf dem Grundstück Karl-Heckel-Weg Nummer 3 erinnern sich beim Ausschachten 1955 noch auf jede Menge Schotter der Bahntrasse gestoßen zu sein. Der weitere Verlauf der Süd-Nord-Bahn lässt sich im Bereich Poppenreuth auf die nördliche Bebauung des Karl-Heckel-Weges rekonstruieren.
Dies wird auch durch die Tatsache untermauert, dass man noch heute östlich der Nummer 23 Reste der Überquerung des Poppenreuther Landgrabens findet. Von dort Richtung Spielplatz am Binsenweg gruben die Pächter eines kleinen Ackers ebenfalls Basaltschotter aus. Außerdem fanden sie handgeschmiedete Nägel von den Bahnschwellen und einen (Brillen-)Zwicker.
An der Ecke Hans-Vogel-Straße und Wilhelm-Hoegner-Straße gab es vor dem IKEA-Bau eine künstliche Erhebung, den sogenannten Hufelesberg. Dieser war durch den Aushub der Süd-Nord-Bahn hier entstanden und diente über Jahrzehnte im Winter den Kindern als Schlittenberg.
Einzelnachweise
- ↑ * Ludwig-Süd-Nord-Bahn. In: Adolf Schwammberger: Fürth von A bis Z. Ein Geschichtslexikon. Fürth: Selbstverlag der Stadt Fürth, 1968, S. 108
- ↑ Fränkischer Merkur No. 208 vom Freitag 27.Juli 1838; Seite 1735 online verfügbar
- ↑ ebenda
- ↑ Fränkischer Merkur No. 208 vom Freitag 27. Juli 1838; Seite 1736 online verfügbar
- ↑ ebenda
- ↑ Fränkischer Merkur (Bamberger Zeitung), 11. Juli 1838 No. 192; Seite 1595 online
dass der bayerische König über die Bahntrassenführung entscheiden sollte fand ein breites Presseecho. So auch im Bayerischen Landboten vom 13.7.1838 online - ↑ Bayerischer Volksfreund vom 12 Juli 1838 online
- ↑ ebenda
- ↑ Neueste Weltbegebenheiten (Kemptner Zeitung) vom 14.11.1838 online;
mit Erleichterung wurde dies auch im Allgemeiner Anzeiger und Nationalzeitung der Deutschen (Allgemeiner Anzeiger der Deutschen), 27.11.1838 zur Kenntnis genommen online - ↑ Erlanger Zeitung zum allgemeinen Nutzen, vom 07.08.1844 online
auch im Augsburger Tagblatt vom 1. August 1844 online
ebenso in der Münchner politischen Zeitung vom 01.08.1844 online - ↑ Der bayerische Volksfreund, 30. Juni 1844 online
- ↑ Eisenbahnzeitung vom 15. Juni 1845 online
- ↑ Der Fortschritt - auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens, (Fürther Abendzeitung) 06.03.1866 online
- ↑ Nürnberger Anzeiger vom 21. Januar 1870 online
- ↑ Augsburger Tagblatt, 29.03.1856 online
- ↑ Neueste Nachrichten (München) online
- ↑ Bamberger neueste Nachrichten, 20.03.1871 online
- ↑ Der bayerische Beobachter, 24.04.1864 online
- ↑ Augsburger Tagblatt 2. 9. 1854 online
- ↑ Münchner Bote, 16.09.1869 online
- ↑ Fränkischer Kurier, 09.11.1872 online
Bodendenkmäler als Erinnerung
Heute erinnern auf Fürther Gebiet nur noch einige Bodendenkmäler an diese Strecke. Dieses sind im Einzelnen:
- Reste des Brückenwiderlagers (Sandstein) der Pegnitzüberführung (noch im Stadtgebiet Nürnberg)
- Brückenstumpf (Sandstein) über den Poppenreuther Landgraben
- Verlauf des Starenwegs
- Bahndamm nördlich von Kronach
- Taleinschnitt bei Steinach (heute Weiherkette)
- geradlinige Grundstücksgrenzen im Stadtkataster
Literatur
- Gustav Nöel: Fürth und der Rangau und die Gründerzeit der Eisenbahnen. In: Fürther Heimatblätter, 1970/1, S. 14 - 38
- Eisenbahnstadt Fürth, Städtebilder Verlag, Fürth 2007
- Barbara Ohm: „Missgünstige Gesinnungen Nürnbergs“. Pläne und Ausführung der Bahnlinie Nürnberg-Bamberg 1836 - 1858. In: Fürther Geschichtsblätter, 2/2010, S. 27 - 49
- Barbara Ohm: Poppenreuth - Geschichte eines Fürther Dorfes, Arbeitskreis Dorfgestaltung Poppenreuth e. V., Fürth, 2011, S. 68 - 70, ISBN 978-3-940889-04-1
Siehe auch
- Ludwigsbahn
- Fürther Kreuzung
- Bahnstrecke Nürnberg-Bamberg
- Bahnstrecke Nürnberg-Würzburg
- Eisenbahn
- Ludwigskanal
- Zur Ringbahn (Gaststätte)
Weblinks
- Ludwig-Süd-Nord-Bahn auf - Wikipedia
- Spuren der Ludwig-Süd-Nord-Bahn in Poppenreuth - Private Website
Bilder
Der renaturierte Schmalaugraben auf der alten Trasse der Ludwig-Süd-Nord-Bahn nach Unterquerung der Straße Am Schmalaugraben
Vom Schmalaugraben durchflossene Weiherkette nach Unterquerung der Straße In der Schmalau
Vom Schmalaugraben durchflossene Weiherkette vor Unterquerung der Straße Am Schmalaugraben
Bekanntmachung einer Sonderfahrt mit der Ludwig-Süd-Nord-Bahn, Mai 1845
wesentlicher Verlauf des Ludwigskanals auf Fürther Gebiet, nicht mehr im Bild ist die Fürther Kreuzung