Gastarbeiter

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Der Begriff Gastarbeiter bezeichnet Mitglieder einer Personengruppe, denen aufgrund von Anwerbeabkommen zur Erzielung von Erwerbseinkommen ein zeitlich befristeter Aufenthalt in der Bundesrepublik oder der DDR gewährt wurde. Der Begriff wurde jedoch seit den 1960er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland auch nach faktischem Wegfall der zeitlichen Befristung ohne weitere Differenzierung als Bezeichnung für Arbeitsmigranten populär.[1] Die Anwerbung erfolgte im wesentlichsten um den Arbeitskräftebedarf in der industriellen Massenfertigung, der Schwerindustrie und dem Bergbau zu decken. Dabei handelte es sich überwiegend um Tätigkeiten, die nur geringe Qualifikationsanforderungen stellten. Entsprechend war auch der Qualifikationsgrad vergleichsweise niedrig und sie gliederten sich am unteren Ende der Arbeitsmarkthierarchie ein. Die Anwerbung sollte jedoch nicht zu einer dauerhaften Niederlassung ausländischer Arbeitskräfte führen. Es sollte lediglich der Bedarf an gering qualifizierten Arbeitskräften während der Hochkonjunkturphase überbrückt werden.

Anwerbung von Gastarbeitern 1955 - 1970

Ende der 1940er-Jahre ebbte der durch den 2. Weltkrieg verursachte Zuzug von Flüchtlingen und Vertriebenen. Mitte der 1950er-Jahre, als das Wirtschaftswachstum zunehmend zu einem Arbeitskräftemangel führte, begann auch die Bundesrepublik Arbeitskräfte im Ausland anzuwerben. 1955 wurde der erste Anwerbevertrag mit Italien geschlossen, es folgten weitere Abkommen mit Spanien und Griechenland 1960. 1961 wurde schließlich ein Abkommen mit der Türkei, 1963 mit Marokko, und ab 1964 mit Portugal, Tunesien (1965) und Jugoslawien (1967) geschlossen. Allerdings wirkte sich quantitativ der Zuzug ausländischer Arbeitskräfte anfänglich nur wenig aus, da der Arbeitskräftebedarf bis zum Bau der Berliner Mauer 1961 weitgehend mit übergesiedelten Personen aus der DDR abgedeckt wurden konnte. Erst im Anschluss an den Bau der Mauer und der Abschottung der Grenzen zur BRD durch die DDR-Regierung wurden ausländische Arbeitskräfte in großer Zahl angeworben. 1964 konnte der 1.000.000 Gastarbeiter in Köln begrüßt werden. Der 38-jährige Armando Rodrigues de Sá aus Portugal bekam zum "Dank" ein Strauß Nelken und Moped geschenkt, letzteres steht heute im Haus der Geschichte in Bonn.[2] 1973, als in Folge der Ölkrise ein Anwerbestopp verhängt wurde, lebten knapp 4 Millionen Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland.[3]

Anwerbestopp 1973

Anteil der ausländischen Bevölkerung in Fürth, 1977 - 2017

Der Anwerbestopp von 1973 stellte dann die ausländischen Arbeitskräfte, die nicht aus einem Land der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) stammten, vor die Entscheidung, entweder zurückzukehren oder sich auf einen längerfristigen Aufenthalt einzurichten und die Familie nachzuholen. Der Familiennachzug nach dem Anwerbestopp konnte die Rückwanderung nahezu kompensieren, so dass die Zahl der ausländischen Bevölkerung nur leicht rückläufig war. Deutlich zurückgegangen war hingegen die Zahl der ausländischen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von 2,5 Millionen im Jahr 1973 auf 1,6 Millionen im Jahr 1985. Gleichzeitig ging die Erwerbstätigenquote der ausländischen Bevölkerung deutlich zurück. Anfang und Mitte der 1980er-Jahre fiel die Zuwanderung gering aus, Anfang der 1980er-Jahre war die Wanderungsbilanz sogar leicht negativ. Zu Beginn der 1990er-Jahre war die Zuwanderung wieder angestiegen und sogar höher als 1970, dem Jahr mit dem höchsten Zuzug an "Gastarbeitern". Der Fall des Eisernen Vorhangs, Kriege und "ethnische Säuberungen" im ehemaligen Jugoslawien sowie die sich zuspitzende Lage im kurdisch besiedelten Teil der Türkei verursachten u.a. diese Entwicklung.[4]

Gastarbeiter in Fürth

Dieser Artikel entstand im Rahmen des Fürther Stadtjubiläums "200 Jahre eigenständig" im Jahr 2018

Auch in Fürth kam es in den 60er und 70er Jahren zu einer deutlichen Zuwanderung von sog. Gastarbeitern, überwiegend aus der Türkei, Jugoslawien, Griechenland, Italien bzw. Portugal und Spanien. Insbesondere männliche türkische Arbeiter kamen nach Fürth, um u. a. bei AEG, Grundig oder Quelle zu arbeiten. Die meisten der Gastarbeiter wurden für überwiegend schwere Arbeit mit Akkordlohn bzw. im Schichtsystem und Fließbandarbeit eingesetzt mit geringen Qualifikationsanforderungen - quasi für Helfertätigkeiten während des anhaltenden Wirtschaftswunders in der damaligen BRD. Die Bildungsanforderungen waren eher gering, Sprachkenntnisse waren meist nicht erforderlich, was der Integration eher schadete.[5] Eine Integration war aber garnicht geplant, vielmehr sah der ursprüngliche Plan der Bundesregierung vor, dass die Gastarbeiter in einer Art Rotationsprinzip mit befristeten Arbeitsverträgen nach einiger Zeit wieder zurück in ihre jeweiligen Heimatländern gehen. Dieser Plan ging aber nicht auf, stattdessen blieben die Gastarbeiter in Deutschland und holten ihre Familie nach. War erstmal die Familie in den jeweiligen deutschen Städten, wurden diese dort sesshaft und sind zum Teil noch heute in der 3. oder 4. Generation da.

Allerdings kam es in Fürth bald zu ersten Schwierigkeiten, da die Gastarbeiter rein zahlenmäßig sich in der Altstadt Fürths konzentrierten. Diese Ghettobildung entstand eher aus der Not heraus und weniger als geplanter Prozess der Stadtverwaltung. Der Umstand, dass die Gastarbeiter in den Neubausiedlungen auf der Hardhöhe oder z. B. auf der Schwand keinen bezahlbaren Wohnraum fanden, drängte diese auf den inzwischen zum Teil leerstehenden ehemaligen Gänsberg. Bedingt durch die Flächensanierungspläne der Stadt Fürth standen viele Wohnungen und Häuser leer - in zum Teil erbärmlichen Verhältnissen. In der Folge wurden diese Wohnungen zum Teil zu Höchstpreisen an die Gastarbeiter vermietet - bzw. die Gastarbeiter nahmen letztentlich aus der Not heraus jede Wohnung gleich zu welchem Preis an, da sie sonst keine Alternativen hatten. Das Argument der Hausbesitzer war stets das Gleiche, nämlich das die Gastarbeiter aus Ihren Heimatländern eh keinen besseren Komfort gewohnt seien, so dass die Vermietung der Wohnungen gerechtfertigt sei - auch zu überteuerten Preisen.

Damit erwirtschafteten viele Eigentümer im ehemaligen Gänsbergviertel völlig überteuerte Mieten, sehr zum Verdruss der noch verbliebenen Einheimischen und der Stadt Fürth. Verdruss deshalb, da die Einheimischen durch die Gastarbeiter nun endgültig "verdrängt" wurden und die Gastarbeiter plötzlich für den Hauseigentümer deutlich "lukrativer" waren als die Altmieter. Die Stadt Fürth - die sich erhofft hatte endlich in der Flächensanierung durch entsprechende Abrisse der Häuser weiter zu kommen, musste hilflos mit ansehen wie sich der Gänsberg wieder mit immer mehr Menschen bevölkerte und die geplante Flächensanierung zu scheitern drohte. Die Ansiedlung der Gastarbeiter nahm zum Teil solche Ausmaße an, dass die ortsansässige Presse bzw. das Bay. Fernsehen davon sprach, dass der Gänsberg inzwischen zu "Klein-Anatolien" mutiert sei, da in manchen Straßen kaum noch deutsche Bewohner anzutreffen seien. Auch durch die spielenden Kinder der Gastarbeiter zwischen den Abbruchhäusern, die nicht selten die Scheiben einschlugen oder Feuer legten, sorgten in der Bevölkerung zusätzlich für Ärger.

Wohnort der ausländischen Bürger in der Stadt Fürth, 2010

Nach der Flächensanierung des Gänsberg verlagerte sich der Anteil der Gastarbeiter in anderen Stadtvierteln. Der Autor und Chronist Ernst-Ludwig Vogel schrieb über das Phänomen 1987 in einer Publikation über den Gänsberg: Auch Sanierung und Modernisierung mit etwa anschließender kräftiger Mieterhöhung ist kein Allheilmittel: die Slumbildung verschiebt sich nur nach dem "St. Florians-Prinzip", die Gastarbeiter werden zu "Sanierungs-Normaden". Der Wechsel der Fürther Türken vom alten Gänsberg ins St. Michaels-Viertel hat dies gezeigt. Auf dem neuen Gänsberg, nach erfolgreicher Sanierung, wohnen dagegen so gut wie keine türkischen Gastarbeiter.[6] Heute verteilten sich die Gastarbeiter über verschiedene Teile des Stadtgebietes. So fanden viele Gastarbeiter vor allem im verbliebenen Teil der Altstadt, in der nördlichen Südstadt und Teilen der Oststadt ihr neues Domizil. Durch die in den 2010er Jahren einsetzende Nachverdichtung der Südstadt und Teilen der Oststadt werden inzwischen auch hier die Bewohner mit Migrationshintergrund erneut verdrängt.

Denkmal in Fürth

Im Juli 2021 wurde zum Dank an die Verdienste der sog. Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter ein Denkmal neben dem Ludwig-Erhard-Zentrum errichtet. Der Standort war bewusst gewählt worden, um die Verbindung der Leistung der Gastarbeiter und dem sog. Wirtschaftswunder in Deutschland in den 1950er und 1960er Jahren in Verbindung zu bringen.

Lokalberichterstattung

Literatur

  • Nursen Schwanke: Neriman - Der Weg einer fränkischen Türkin», NUS-Verlag, 2007, 240 S.
  • Ernst-Ludwig Vogel: Türken unter uns - Türken unter sich. In: "Vergessene Stadt, Fürth, 1987, S. 10 - 12

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Wikipedia: Gastarbeiter in Deutschland - online abgerufen am 4. Juli 2018 | 7:43 Uhr - online abrufbar
  2. Deutschlandfunk Kalenderblatt 10. September 2014: Ein Moped für Armando Rodrigues de Sá, online abgerufen am 4. Juli 2018 | 7:45 Uhr - online abrufbar
  3. Bundeszentrale für politische Bildung: Geschichte der Zuwanderung in Deutschland nach 1950 - online abgerufen am 4. Juli 2018 - 7:43 Uhr - online abrufbar
  4. Rainer Münz, Wolfgang Seifert, Ralf Ulrich: Zuwanderung nach Deutschland, Campus Verlag 2. Auflage, 1999, S. 51 ff.
  5. Vrigina Kirst: Was Flüchtlinge von Gastarbeitern unterscheidet. In: Die Welt vom 18. September 2015
  6. Ernst-Ludwig-Vogel: Vergessene Stadt - Auf Spurensuche in der Fürther Altstadt, Grafische Werkstätte Graf, Fürth, 1987, S. 11 ff.

Bilder

Höfefest 2018 Dieser Artikel war Thema beim Fürther Höfefest vom 21. - 22. Juli 2018. Unter dem Titel "200 Jahre an einem Wochenende" bot die Veranstaltung Einblick in mehr als 50 Fürther Höfe, davon 20 als Themenhöfe mit einem geschichtlichen Thema.