Geismannsaal

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Geismannsaal
Zugang: Alexanderstraße 9
Erbaut: 1895
Wiederaufbau: nach dem Zweiten Weltkrieg
Abbruch: April 1982
Baustil: ursprünglich Historismus und Jugendstil
Architekt: Fritz Walter
Besonderheiten: größter Saalbau der Stadt
Pächter: ab 1896 Fam. Firnstein, ab 1919 Fam. Most

Der Geismannsaal wurde 1895 in erster Linie für die Austragung der Poculatorfeste als Saalbau der Brauerei Geismann erbaut und war Zeit seines Bestehens der größte Saal und Versammlungsort der Stadt Fürth.

Erbauung

Geismannsaal auf alter PK

Um der zunehmenden Platznot bei den alljährlichen „Salvator-Feierlichkeiten“ zu begegnen, entschieden sich die Brüder Johann Georg und Leonhard Geismann 1895, die lang gehegten Pläne eines eigenen Saalbaues zu realisieren. Mit den Planungen wurde der bekannte Fürther Architekt Fritz Walter beauftragt, dessen repräsentative Bauten im Stile des Historismus und Jugendstil nicht zuletzt am Prachtboulevard der Hornschuchpromenade und Königswarterstraße als Illustration des aufstrebenden Bürgertums noch heute das Stadtbild maßgeblich prägen. Am 27. Juni 1895 wurde die Baugenehmigung für den Saal mit Fasshalle erteilt und bereits am 1. März 1896 konnte der Saal mit dem Salvator-Fest in Betrieb genommen werden. Während der reichverzierte Fest- und Konzertsaal selbst auf dem Brauereigelände an der Bäumenstraße lag, befand sich der Zugang im 1890 erworbenen Haus Alexanderstraße 9, von wo aus man über eine ursprünglich doppelarmige Aufgangstreppe den im ersten Stock gelegenen Saal erreichte. Mit einer Bodenfläche von 779 qm und zwei Galerien zu je 114 qm Bodenfläche war der Geismannsaal (damals auch „Geismann's Salvator-Saal" oder „Geismann’scher Salvator- und Concertsaal") Zeit seines Bestehens der größte Saalbau der Stadt Fürth. Im Erdgeschoss befand sich eine große Fass- und Wagenhalle, die vom Brauereihof auf der Nordseite zugänglich war.[1] Der Saal hatte eine Innenraum-Höhe von 8m.

Poculator-Banner weisen am Eingang zur Alexanderstraße den Weg zum Geismannsaal.

1904 war die Kapazität auf 1000 Personen im bestuhlten Saal mit Tischen, auf 1.500 ohne Tische und auf 2.000 unbestuhlt festgesetzt. Wie der Salvator selbst wurde auch der Saalbau von Anfang an gut angenommen, so notiert Paul Käppner über die Eröffnung:

„Heute begann der Salvatorausschank im neuerbauten Saal der Brauerei Geismann […] Großer Verkehr. Schlägerei zwischen Zivil und Militär, weshalb über das Lokal Militärverbot verhängt wurde.“

Neben diesen Ausschreitungen wurden die Festlichkeiten von einem tragischen Unfall auf der Baustelle überschattet, wo am 19. des Vormonats ein Unterfarrnbacher Maurerlehrling namens Schmauß in eine Transmission gezogen wurde und sofort tot war.

1899 besuchten in zwölf Tagen 42.000 zahlende Besucher das Starkbierfest und tranken 630 hl. „Frühlingsdoppelbier“[1].

Veranstaltungen

Als größter Saalbau der Stadt fand der Geismannsaal vor allem ab 1919 unter dem neuen Pächter Michael Most eine sehr vielseitige Nutzung: von Musikkonzerten über naturkundliche Ausstellungen, Boxkämpfe, Modeschauen, Vorträge, Schul-Abschlussprüfungen, Kärwa-Eröffnungen bis hin zu Wahlkampfveranstaltungen.

Die offiziellen Feierlichkeiten zu allen drei Fußball-Meisterschaften der Spielvereinigung Fürth fanden 1914, 1926 und 1929 im Geismannsaal statt.

Politisch deckten die Veranstaltungen im Geismannsaal das weitest-denkbare Spektrum ab: Hier gab es ebenso prominente kommunistische Versammlungen wie einen Besuch Adolf Hitlers. Später war hier nicht nur der Fürther Bundespolitiker Ludwig Erhard zu Gast, sondern auch alle anderen Bundeskanzler der alten Bundesrepublik. Bei Faschingsbällen kamen aus München die Humoristen Karl Valentin und Liesl Karlstadt zusammen mit dem Roider Jackl (1957). Auch Erni Singerl (1970) und der Franzl Lang - der Jodlkünstler - traten auf.

Fußball-Liveübertragungen

Am Sonntag, 13. Juni 1926 fand im Geismannsaal die größte lokale Radio-Liveübertragung des Endspiels um die Deutsche Fußballmeisterschaft zwischen der Spielvereinigung Fürth und Hertha BSC Berlin statt. Der Eintritt betrug 30 Pfennig, der Liter Geismann-Bier kostete 50 Pfennig. Über mehrere Lautsprecher war die Live-Moderation von Paul Laven zu verfolgen, der in Frankfurt am Main für die Süddeutsche Rundfunk AG von der provisorischen Sprecherkabine am Dach des Stadions berichtete. Diese Liveübertragung gilt als Geburtsstunde des "Public Listenings".[2]

Infotafel Zell am Ziller mit Hinweis zu Geismannsaal

Nach dem "Skandalspiel von Mühlburg" (dem Vorgängerverein des KSC) am 13. Juni 1948 gab es eine Protestversammlung im Geismannsaal, an der an die 6000 Zuhörer teilnahmen, davon 4000 auf den Straßen. Es gab daraufhin eine Protesteingabe. Im Juli 1948 wurde aber der Einspruch gegen die Wertung des Spieles in Mühlburg abgelehnt. Damit war der Abstieg in die Bayernliga besiegelt.

Geismann-Saal, Nachkriegszeit

Während die Liveübertragung 1926 über den Vorläufer des Bayerischen Rundfunks und damit im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk stattfand, wiederholte sich die Pionierleistung 1949 nochmals in privater Regie: Die SpVgg Fürth spielte als Zweitplatzierter der Bayernliga um den Wiederaufstieg in die höchste deutsche Spielklasse, jedoch übertrug der Bayerische Rundfunk die Aufstiegs-Spiele nicht. Auf Initiative der Brüder Konrad und Georg Wagner (selbst früherer Spieler der SpVgg Fürth), Juniorchefs des renommierten Mode- und Bekleidungshauses Hofmann & Wagner, wurde in Kooperation mit einigen anderen Geschäftsleuten und Gastwirten über angemietete Postkabel eine Live-Reportage initiiert. Auch die Moderation übernahmen die Brüder Wagner selbst.

"Am 22. Mai 1949 ließen die beiden Amateurreporter Tausende von Fußballfans im brechend vollen Geismannsaal, im Schwarzen Kreuz, in anderen Fürther Gasthäusern und in den angrenzenden Straßen ein flottes Spiel und fünf Tore ihres Lieblingsakteurs Horst Schade live aus Kassel miterleben."[2]

Sonstiges

Nach dem Zweiten Weltkrieg zog die Zillertaler Trachtenkapelle zu alpenländischer Musik die Massen in den Saal; so etwa am Sonntag, den 25. Oktober 1953.[3] Der Geismannsaal war gelegentlich auch für in der Öffentlichkeit "umstrittene Formate" als Veranstaltungsort bekannt. So fand am 8. Oktober 1977 im Geismannsaal eine Damenwrestling-Veranstaltung statt, bei der die kämpfenden Frauen mit nackten Oberkörpern auftraten. Die Fürther Männerwelt freute dies laut der örtlichen Presseberichterstattung, denn sie kamen in Scharen. Die "besten Plätze" am Ring kosteten damals immerhin stolze 30,- DM, die Veranstaltung war schnell ausverkauft. Die Fürther Nachrichten fingen beim Publikum die entsprechenden chauvinistischen und sexistischen Kommentare ein, die da u.a. lauteten: "Doi hat aber Hulz vor der Hüttn!" bis hin zu "Wenigstens Kampfgeist hat´s gehabt, sunst nix." Vor dem Eingang des Geismannsaals fand sich ein Gruppe protestierender Frauen ein, die gegen die Veranstaltung lautstark demonstrierten.[4]

Kriegsschäden

Der stark beschädigte Saal um 1946/47.
Ehem. Eingang zum Geismann-Saal

Bei Luftangriffen auf die Stadt Fürth wurde am 25. Februar 1944 der Geismannsaal von einer Luftmine getroffen und wurde bis auf die Westwand und den Bühnenraum komplett zerstört. Auf Drängen der Stadt und der SPD unter Hans Segitz wurde der Saal unter der Regie von Saalpächter Emil Most und der Brauerei notdürftig wieder aufgebaut. Zwar war der Grundriss der selbe geblieben, doch ansonsten erinnerte nicht mehr viel an den ursprünglich prächtigen Gründerzeit-Saalbau Fritz Walters [1].

In der Region gab es nach dem Zweiten Weltkrieg wenig größere nutzbar gebliebene Veranstaltungsräume und so spielte der Geismannsaal eine zentrale Bedeutung im Wiederaufleben des gesellschaftlichen Lebens und der Politik in der Städteachse.

Durch den frühen Tod des "Poculator-Fürst" genannten Saalpächters Emil Most und die Stilllegung der Geismann'schen Braustätte 1967 unterblieb eine angedachte Generalsanierung des Geismannsaals.

Abbruch

Abbrucharbeiten, 1983
Abbruch, 1982

Wie sämtliche Brauerei-Gebäude am Geismann-Areal gab die Stadt Fürth auch den Geismannsaal zum Abriss frei, um an seiner Stelle das City-Center zu errichten. Während der Abbruch des Geismann-Areals in Teilen der Bevölkerung aus kulturellen und denkmalschützerischen Gründen auf starke Proteste stieß (siehe auch: Geismann-Bräustübl), stellte der Redakteur der Fürther Nachrichten beim gut besuchten Poculator 1981 eine schlecht informierte Öffentlichkeit fest:

Abbrucharbeiten, 1982

„Sprach man in diesen Tagen des Ausschanks aber mit den Besuchern im Saal, mußte man erkennen, daß recht wenigen voll bewußt war, welches "Schicksal" über ihm schwebt. Das städtebauliche Projekt "Geismann-Areal" in der Bedeutung mit der Sanierung am Gänsberg durchaus zu vergleichen, ist den Pocluator-Besuchern auch solchen aus Fürth, herzlich wenig bekannt.

Noch weniger von ihnen können sich eine -ersatzlose - Beseitigung des Saales vorstellen und meinen, man sollte und könnte ihn grundlegend renovieren und in die kommenden Baumaßnahmen einbeziehen.“

A. W. Wieserner, Fürther Nachrichten[5]

Die Abbrucharbeiten am Gelände erreichten den Saal im April 1982.

Geismannareal-Initiative

Anfang 1982 gründete sich die sog. "Geismannareal-Initiative", bestehend aus den betroffenen Mietern und Gruppen, die noch im Geismannareal ihr Domizil hatten und durch den drohenden Abriss ausziehen mussten. Unter anderem bestand die Initiative aus einem Jugendtreff, dem Musikhaus, den Falken und Jusos sowie der Bund Naturschutzgruppe der Aluminiumsammelstelle. Die Initiative hatte im wesentlichen den gemeinsamen Nenner, dass alle durch die Kündigung auf der Straße standen und von der Stadt somit alternative Räume einforderten. Ebenfalls wurde der Ruf nach einem alternativen Jugendzentrum laut. Hierzu wurden mehrere Informationsstände in der Fussgängerzone gemeinsam durchgeführt, sowie eine Unterschriftensammlung begonnen.[6]

Siehe auch: Abriss des Geismann-Bräustübls

Saalpächter

Saalpächter Michael Most

Hauskapelle

Hauskapelle des Geismannsaals waren

Zeitzeugenberichte

Als langjähriger Verkaufsleiter für die Gastronomie in Fürth mit Firmeneintritt 1960 in die Brauerei Humbser zu der ab 1962/1963 auch die Brauerei Geismann gehörte, verbrachte ich daher „zwangsläufig“ so manche Stunde im Geismannsaal, sowohl während des 14-tägigen Poculator-Ausschanks, als auch bei der Fürther Kirchweih. In dieser Zeit traten auch viele Künstler auf, die allgemein bekannt wurden. U.a. auch Roberto Blanco, Herbert Hisel oder der „Singende Cowboy“, der mit seinem Pferd (ich glaube, es hieß Fritz) durch die große Eingangshalle im Parterre, die breite Treppe mit ihren flachen Stufen in den 1. Stock hinauf und in den Saal ritt. Lange Jahre spielte die Kapelle Jakl Strobel, die später durch German Hofmann und seine Ochsenfurter Blaskapelle abgelöst wurde. Gar nicht vorstellen konnte man sich eine Poculator- oder Kirchweih-Eröffnung ohne die Peterlas Boum (oder „Poiterlas Boum“). Ihr berühmtes Lied „Die Baa“ konnte man getrost als „Geismann Saal Hymne“ bezeichnen. Passte sie ja auch bestens zu den beliebten Brathähnchen, die in großer Zahl die Grundlage für einen feuchten Starkbierabend bildeten. Unzählige Schlagerparodien erlebten im Geismann Saal ihre Premiere. Herbert Hisel brachte in den 70er Jahren (Anmerkung: Bereits 1963) sogar eine eigene Schallplatte mit dem Titel Poculator-Stimmung heraus. Mitwirkende: Kapelle Martl Felbinger, Maria und Margot Hellwig, das Münchner Humor Terzett, die 2 Pöiterlas Boum und natürlich Herbert Hisel. Die letzten drei Jahre, bevor der Saal 1982 abgerissen wurde, war ich der letzte „Geismann Saal Minister“. Das hieß, dass ich die zweifelhafte (weil mit vielen abendlichen Überstunden verbundene) Ehre hatte, die beiden inoffiziellen Eröffnungen (am Freitag- und Samstagabend) und die öffentliche am Sonntagvormittag zu organisieren und das Programm zusammenzustellen. Zu diesen Eröffnungen, moderiert von Egon Helmhagen, wurden Kunden der Brauerei, hauptsächlich Firmenkunden und Betriebsräte eingeladen. Pro Abend waren das rd. 600 Personen, die im Saal eingeteilt werden mussten. Internet und Email gab es da noch nicht, alles lief per Postkarte und Telefon. Und wehe man vergaß jemanden! Denn das war ein gesellschaftliches Ereignis und was an diesen Abenden und sonst an Freibier getrunken wurde, überstieg schon fast die immer weiter rückläufige Menge an den Publikumsabenden. Diese waren damals schon auf drei Abende an drei Wochenenden reduziert worden. Starkbier kam langsam aus der Mode und alle späteren Versuche nach Schließung des Saales, den Poculator neu zu beleben, scheiterten. Einmal jedoch fiel eine Eröffnung zwar nicht ins Wasser, sondern wurde ein Opfer des alten Schornsteins der Geismann Brauerei. Dieser sollte an diesem Tag im März 1975 gesprengt werden und die Anwohner im Umkreis von 300 m mussten ihre Wohnungen verlassen. Leider war die Sprengladung zu schwach, der Schlot wollte nicht umfallen. Der Saal lag gleich daneben und die Eröffnung fiel aus. 600 ½ Brathähnchen warteten vergeblich auf ebenso viele Münder. Über sie freuten sich etliche soziale Einrichtungen, u.a. das Fürther Waisenhaus. Ernst-Wolfgang Plischke

Literatur

Lokalberichterstattung

  • Matthias Boll: Stark, Bier! In: Fürther Nachrichten vom 4. Juli 2020 (Druckausgabe) bzw. Süffig: Erinnerungen an den Fürther Geismannsaal. In: nordbayern.de vom 5. Juli 2020 - online

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Felix Geismann: "Brauwesen in Fürth: Die Geschichte der Brauerei Geismann", 2008
  2. 2,0 2,1 Siegfried Kett: "Wie die Fürther das „Public Listening“ erfanden", FN 11. Mai 2013
  3. Fränkische Tagespost vom 26. Oktober 1953; siehe auch Info-Tafel im Kurpark Zell am Ziller
  4. Gert Kuntermann: Fürth 1977, städtebilderverlag Fürth, Dez. 2012, S. 92
  5. A. W. Wieserner: "Alle Besucher genießen die Gegenwart in vollen Zügen" in Fürther Nachrichten vom 28. März 1981, S. 45 f.
  6. Fürther Freiheit, Jahrgang 1, Nr. 2, 1982, S. 9 - Die Geismann Initative

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