Paul Rieß

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Georg Paul Rieß (geb. 16. September 1864 in der Gustavstraße 10, Fürth, gest. 6. März 1945 in Fürth) schrieb für die Jahre 1911 bis 1942 die Fürther Stadtchronik.

Leben und Wirken

Im Alter von 25 Jahren heiratete Rieß 1889, die Ehe blieb jedoch kinderlos. Allerdings nahm er die beiden Kinder seiner Schwester 1896 mit im eigenen Haushalt auf. Nach eigenen Angaben in seiner 1942 selbstverfassten Biografie sonderte er sich enttäuscht vom "wirtshausgesellschaftlichen Leben" ab und besuchte daraufhin mindestens fünf Jahre lang kein Wirtshaus mehr. Vielmehr legte er Wert auf das familiäre Leben mit den beiden Kindern. Sonntags ging die Familie Rieß nach eigenen Angaben gerne in die Natur. Zu Hause widmete er sich "dem Studium der Lokalhistorik".[1]

Beruflich war Rieß Buchbinder und im Kartonagengewerbe tätig, ab 1888 sogar in selbständiger Tätigkeit. Allerdings gab er "nach 10 Jahren langen Mühen, Plagen und Sorgen" im Oktober 1899 das Geschäft wieder auf. Mit Anfang 40 wechselt Rieß 1906 als Zuschneider in der Bilderbuchfabrik G. Löwensohn im der Sommerstraße und wird dort bis 1914 beschäftigt. 1914 wechselt Rieß erneuet die Position und wird nun Buchbinder in der Stadtverwaltung. Sechs Jahre später wird Rieß 1920 in die städtische Registratur übernommen. Seine Arbeitsstätte war nun das Rathaus im Zimmer 67. Seine Hauptaufgabe als Buchbinder war das Aktenheften der städtischen Unterlagen.

Rieß publizierte auch für kurze Zeit eigene heimatkundliche Artikel, die in der Regel ab 1908 in der "Sonntagspost" des Fürther Central-Anzeigers veröffentlicht wurden. Nach der Einstellung der Zeitung im Dezember 1912 unterstützte er das Fürther Tagblatt mit seinem lokalen Wissen, dessen Redakteur Georg Wüstendörfer er gut kannte und half.

Rießchronik

Drei Wochen nach dem Tod Paul Käppners im Januar 1911 kam Magistratsrat Scheidig zur Arbeitsstelle von Rieß, der damals noch als Zuschneider in der Bilderbücherfabrik Löwensohn beschäftigt war. Er fragte Rieß im Auftrag von Oberbürgermeister Theodor Kutzer, ob er die Stadtchronik fortführen wolle, was Rieß hocherfreut annahm. Er nahm die Arbeit sofort auf und holte sie nach bis vor dem Todestage von Käppner.[2]

Paul Rieß schrieb von 1911 bis April 1942 die Chronik der Stadt Fürth, die den Untertitel "Aufzeichnungen aus der Stadt Fürth" trägt und 35 Bände umfasst. Rieß reicherte die Bände mit Drucken, Ansichts- und Eintrittskarten sowie Werbeblättern an. Zusätzlich fertigte er handschriftlich ein alphabetisches Stichwortverzeichnis an. Die Kriegsjahre des Ersten Weltkrieges finden sich in fünf eigenen Bänden von 1914 bis 1921 wieder - patriotisch "angehaucht". Dabei wurden alle ihm bekannten Kriegsteilnehmer aus Fürth, einschließlich deren Auszeichnungen und Opfer, gewürdigt. Die Chronikbände sind im Stadtarchiv in Burgfarrnbach erhalten und können im Lesesaal während der regulären Öffnungszeiten eingesehen werden.

Die Chronikbände umfassen auch die Zeit des Nationalsozialismus in Fürth. Vor allem in der Zeit 1933 - 1945 schrieb Rieß viele Ereignisse nieder, die in der offiziellen Zeitung nicht mehr erschienen. Als Beispiele seien nur die Flugzeugabstürze oder die Baumaßnahmen auf dem Fürther Fliegerhorst oder die Startbahnverlängerung der Flugzeugfirma Bachmann, von Blumenthal & Co. genannt. Bei letzterer Baumaßnahme missfiel ihm das Verschwinden wertvollen Ackerlandes.

Ab 1. Mai 1942 übernahm Gottlieb Wunschel diese Aufgabe, Rieß schrieb jedoch bis 1945 parallel weiter, wenn auch aufgrund des Alters zunehmend lückenhaft. Die Sonderchronik, Untertitel "Aus Fürth's Vergangenheit" umfasst 41 Bände und enthält mehr die politische Geschichte der Stadt. Beiden Chroniken ist gemeinsam, dass Zeitungsartikel ausgeschnitten wurden, die dann mehr oder weniger handschriftlich - und teilweise kritisch - ergänzt wurden.

Welchen Wert den Chronikbänden in der Vergangenheit beigemessen wurde ist u.a. daran zu erkennen, dass sie in den Kriegsjahren bis 1945 im Keller-Tresorraum der Stadtsparkasse in der Hirschenstraße eingelagert wurden. Zum Transport der Bände im Folioformat musste man eigens einen Lkw benutzen. Dem Stadtoberinspektor und selbst Stadtgeschichtsforscher Gottlieb Wunschel ist somit zu verdanken, dass das Werk von Paul Rieß dadurch unbeschadet den Krieg überstand.

Paul Rieß aus Fürth vs. Paul Rieß aus Nürnberg

Buch des "Nürnberger" Paul Rieß, der häufig mit dem "Fürther" Paul Rieß verwechselt wird

In Nürnberg gab es um die Jahrhundertwende einen "Namensvetter", der zur gleichen Zeit von sich Reden machte. Bei der "Nürnberger-Variante" des Paul Rieß handelt es sich um einen bekannten Mundartdichter - der unter dem Pseudonym "Pausala" bekannt wurde. Rieß publizierte in den 1920er Jahren mehrere Mundartgedichtbände unter dem Namen "Das lustige Pausala-Buch". In Nürnberg ist eine Straße nach Paul Rieß benannt, die "Pausala-Straße", die allerdings 1993 in Kritik geriet, da sich Paul Rieß sehr früh dem Nationalsozialismus andiente.[3] Der Nürnberger Stadtrat entschied sich in der Diskussion zur vermeintlichen Umwidmung gegen eine andere Straßenbenennung, sodass noch heute die Pausala-Straße in Nürnberg besteht, trotz anhaltender Kritik.

Werke

  • Chronik der Stadt Fürth 1911–1914 von Georg Paul Rieß im Stadtarchiv Fürth
    • Tageseintragungen 1911 und Vorwort von Paul Rieß sowie Vorbemerkung 1998 von Alexander Mayer, 67 S. - PDF-Datei
    • Tageseintragungen 1912, 95 S. - PDF-Datei
    • Tageseintragungen 1913, 123 S. - PDF-Datei
    • Tageseintragungen 1914, 153 S. - PDF-Datei
    • Tageseintragungen 1915 (bis 12. Oktober), 57 S. - PDF-Datei
  • Sonderchronik, im Stadtarchiv Fürth
  • Handschriftliche Kopie des Adressbuches von 1836
  • Die Türmer in Fürth, ein Rückblick auf das Feuermeldewesen in unserer Stadt, Fürther Tagblatt, 16. Januar 1929
  • Alexander Mayer: Fürth 1911-1914. Krieg der Illusionen - die lokale Sicht. Fürth: Städtebilder-Verlag, 2000, ISBN 3-927347-44-2 [Im zweiten Teil des Buches wird die im Stadtarchiv in Originalschrift vorliegende Chronik der Stadt Fürth 1911–1914 von Paul Rieß editiert.]

Schenkung an die Stadt Fürth

Paul Rieß teilte dem Stadtrat und dem Oberbürgermeister von Fürth in einem Brief vom 5. April 1935 betreffs seines lokalhistorischen Nachlasses mit: Der diesbezügliche Passus in dem Schriftstück meines letzten Willens lautet wörtlich: … Alle Sachen die in meinem Besitz sind u. auf Fürth Bezug haben, als: Tageschroniken, Separatchroniken, gedruckte Bücher, Bilder, Kriegschroniken u.s.w. vermache ich Letztwillig der städt. Sammlung meiner Vaterstadt Fürth. Genau angelegte Verzeichnisse der lokalhistorischen, von mir gesammelten Sachen sind vorhanden. Als Entgegenkommen von Seite der Stadtverwaltung verlange ich die Pflege meines Grabes auf städtische Kosten bis zu dem Verfall. Das Grab habe ich am 7. Oktober 1933 gekauft … Bitte Herr Oberbürgermeister wollen Sie mir mitteilen ob Sie mit meinem Wunsche u. Verlangen einverstanden sind.[4]

Nachdem ein Gutachten des Stadtgartenamts ergeben hatte, dass bis zum Verfall des Grabes im Jahre 1963 Kosten von rund 860 RM anfallen würden - eine nicht allzu große Gegenleistung -, nahm Oberbürgermeister Franz Jakob mit Schreiben vom 16. April 1935 die letztwillige Verfügung an: Durch Ihre Lebensarbeit und nicht zuletzt durch das Vermächtnis an die Stadt Fürth haben Sie sich in der Geschichte unserer Stadt ein bleibendes Gedächtnis gesichert.[4]

Bei der Beerdigung von Paul Rieß am 8. März 1945 sprach als Vertreter der Stadt der städtische Archivar Dr. August Häußler einen Nachruf und ließ im Hinblick auf die Grabpflege wissen, dass Paul Rieß die im Testament aufgeführten Werke schon vor längerer Zeit dem städtischen Archiv übergeben habe.[5]

Literatur

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Stadtarchiv Fürth, Biografische Sammlung Paul Rieß
  2. Altstadtbläddla 35 - Krieg der Illusionen
  3. André Fischer: Wie rassistisch sind Nürnbergs Straßennamen? In: Nürnberger Nachrichten vom 6. April 2017 - online
  4. 4,0 4,1 Stadtarchiv Fürth, AGr. 3/273a: Schenkung des Chronisten Georg Paul Rieß
  5. Stadtarchiv Fürth, AGr. 3/273a: Schenkung des Chronisten Georg Paul Rieß, Vermerk vom 10.03.1945

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