Verein zur Unterstützung armer durchreisender Israeliten
Der Verein zur Unterstützung armer durchreisender Israeliten wurde im Oktober 1861 gegründet[1]. Vereinszweck war einerseits die Unterstützung armer durchreisender Israeliten, andererseits den lästigen Hausbettel abzuschaffen[2]. Von einer regen Inanspruchnahme dieses Vereins zeugen jährliche Ausgaben zwischen 5000 und 6000 fl.[3].
Der Vorsitzende des Vereins war der Großhändler für Baumwoll- und Wollwaren Jacob Joel Hirschmann[4], Kassier des Vereines war bis zu seinem Tod 1863 der Ausschnittwarenhändler Joel Götz. Danach übernahm Moriz Wertheimber diese Funktion.
Das Phänomen der "Durchreisenden"
Allgemeines
Der Lebensabschnitt in der Zeit der Wanderschaft sollte eigentlich eine Übergangszeit zwischen Ausbildung und Meisterschaft sein. Die sog. Wanderjahre der Handwerksgesellen veränderten sich aber im Laufe des 19. Jahrhunderts. Mit Einführung der Gewerbefreiheit im Zuge der Napoleonischen Reformen begann die Auflösung der zünftigen Organisationsformen[5]. Als Folge des Bevölkerungsanstieges stand einer immer größeren Menge von Gesellen eine durch Zünfte streng limitierte Anzahl von Meistern gegenüber. Eine Niederlassung und Erlaubnis zur Meisterprüfung wurde ihnen verwehrt. So war der drohende soziale Abstieg einer der Beweggründe für die Gesellenwanderung geworden[6]. Auf der Landstraße trafen sich verschiedene soziale Gruppen. Gasthäuser und Herbergen waren nicht nur den Handwerksgesellen vorbehalten, sondern auch von Nichtseßhaften, Gelegenheitsarbeitern und gesellschaftlichen Außenseitern besucht[7]. Die wandernden Handwerker gehörten, ebenso wie Vagabunden und Landstreicher, zum allgemein wahrgenommenen Erscheinungsbild.
Das Leben als Durchreisende (eigentlich in der Nicht-Seßhaftigkeit) bedeutete ein Leben in relativ großer Freizügigkeit und gleichzeitig in sozialer Unsicherheit. Die wandernden Gesellen standen zumeist in schlechtem Ruf.
geprägt durch das Mißtrauen, das die „Seßhaften" dem mobilen Teil der Bevölkerung entgegen brachte.
Gruppenspezifische Unterstützungsvereine für "Durchreisende"
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts gründeten sich immer mehr Unterstützungsvereine, die für die Durchreisenden Anlaufstation sein wollten. So z.B. in Erlangen für durchreisende Gewerbsgehilfen[8], in Ansbach für durchreisende Handwerksgesellen[9]. Durchreisende Schneider konnten in Fürth im Gasthaus Zum goldnen Rad in der Wasserstraße auf Kosten der Schneiderinnung absteigen. In dieser gesellschaftlichen Gemengelage gründete sich auch 1861 der "Verein zur Unterstützung armer durchreisender Israeliten“. Dies schien umso nötiger, als die Hausbettelei anscheinend zu lästigen Auswüchsen geführt hatte[10].
Die Schwierigkeiten für allgemein Durchreisende wird auch in dem Leserbrief[11] durchreisender Künstler deutlich.
- aufgeführt im Fürther Adressbuch von 1891, Gesellschaften und Vereine, S. 16: Vorstand Privatier Joel Hirsch Hirschmann
- aufgeführt im Fürther Adressbuch von 1893, V. Teil (Gesellschaften und Vereine), S. 32
Der Verein zwischen Orthodoxen und Neologen
Verein durchreisende arme Israeliten, Fürther Tagblatt 25.03.1876.jpg Leserbrief den Verein betreffend, Fürther Tagblatt 25. März 1876
Verein durchreisende arme Israeliten, Fürther Tagblatt 6.04.1876.png Entgegnung, Fürther Tagblatt 6. April 1849
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ "Der Israelit", Beilage zur Nr. 27 vom 3. Juli 1867 VIII. Jahrgang; auch Fürther Tagblatt vom 9. Oktober 1861; ebenso Hugo Barbeck in seinem Buch: „Geschichte der Juden in Nürnberg und Fürth“, S. 92
- ↑ ebenda
- ↑ ebenda
- ↑ siehe dazu Gisela Naomi Blume: "Der neue jüdische Friedhof in Fürth", 2019, Seite 436 und GENi zu "Joel Jakob Hirschmann"
- ↑ Isa Schikorsky: "Zwischen Privatheit und Öffentlichkeit. Autobiographische Texte von Handwerkern", in: Rainer Wimmer (Hrsg.): "Das 19. Jahrhundert: Sprachgeschichtliche Wurzeln des heutigen Deutsch", Berlin - New York, 1991; Seite 225
- ↑ ebenda
- ↑ Isa Schikorsky: "Zwischen Privatheit und Öffentlichkeit. Autobiographische Texte von Handwerkern"; Seite 237; Schikorsky beschreibt die "Sprache der Walz" als eine Varietät, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts handwerksprachliche Färbung annahm, vermischt mit großen Anteilen des Jiddischen und des Rotwelschen.
- ↑ Fränkischer Kurier vom 5. Mai 1850
- ↑ Fränkischer Kurier vom 19. Mai 1850
- ↑ vgl. Fürther Tagblatt vom 16. März 1865 oder Fürther Abendzeitung, 15. März 1865.
- ↑ Fürther Tagblatt - 9. Juni 1864