Diskussion:Industrialisierung in Fürth

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Ich würde hier gerne eine nicht so einfach zu lösende Grundsatzdiskussion beginnen: Ich habe nämlich so meine Probleme mit folgenden Sätzen in der Einleitung: "In Fürth setzte sie aufgrund einiger Besonderheiten mit einiger Verzögerung ein. Erhard Schraudolph sieht in Fürth im Wesentlichen zwei Phasen der Industrialisierung, die erste ab etwa 1850.."

Hier meine Gedanken zur Frühindustrialisierung:

1) Der Beginn der Industrialisierung in Deutschland wird ja häufig mit dem Bau der Eisenbahn gleichgesetzt. Warum sollte dann ausgerechnet in Fürth, wo die erste Eisenbahn fuhr, der Beginn der Industrialisierung nach hinten datiert werden?

2) Welche "Besonderheiten" hätten ausgerechnet nur Fürth nach hinten geworfen? Denn z.B. die Hungersnot samt Teuerungsjahr gab es ja nicht nur in Fürth. Gab es irgendwelche lokale negative Ereignisse, außer dass Fürth nicht an die neue Eisenbahnlinie angeschlossen wurde? Das war sicherlich ein großes Hemmnis, kam aber doch genau deswegen zustande, weil Nürnberg die längst aufstrebende Stadt Fürth geradezu fürchtete.

3) Schraudolph selbst datiert eine Seite weiter vorn (S. 55) den Beginn der Industrialisierung in Fürth auf das Jahr der ersten Dampfmaschine in Fürth - 1842. (Der erste Dampfkessel wurde übrigens 1840 bei Heinrich Lederer aufgestellt.). Es geht zwar nur um ein paar Jahre, aber ich finde, er widerspricht sich selbst ein bißchen, wenn er eine Seite weiter hinten schreibt: "mit den fünfziger Jahren einsetzende erste Industrialiserungswelle...". Deshalb würde mir im Einleitungssatz besser gefallen: "...die erste ab den 1840er Jahren..." oder "...die erste ab 1842..." (Oder ganz keck sogar noch früher. Siehe dazu auch Punkt 7.)

4) Ich würde das mit der "Verzögerung" gerne weglassen oder präziser ausformulieren. Je mehr ich über die 1830er Jahre lese, desto mehr bekomme ich eher einen gegenteiligen Eindruck, und zwar, dass Fürth an der Spitze der Frühindustrialisierung in Bayern stand. Man lese sich nur die zwei kurzen Ortsbeschreibungen von 1838 und 1839 (in der Bildergalerie) durch: Fürth strotzt da nur so vor Selbstbewusstsein und Stolz.

5) Weitere Indizien: 5.1) Selbsteinschätzung in Fürth Anfang 1840: "Der ungemein große Aufschwung der Industrie, den wir besonders hier in Fürth erblicken..."[1] 5.2) repräsentatives Rathaus wird geplant und gebaut 5.3) Industrie- und Gewerbeverein wird gegründet 5.4) Anbindung an den Kanal 5.5) die erste Dampfmaschine 1842 wird hier nicht nur aufgestellt, sondern auch hier gebaut 5.6) 1844 gab es bereits 15 echte Fabriken (allerdings meist noch mit durch Wasserkraft betriebenen Maschinen) mit insgesamt fast tausend Beschäftigten (Das alles bedarf auch einiger Vorlaufzeit.)

6) Schraudolph erläutert in einer Anmerkung (S. 46) seine Überlegung, ob man nicht die großen Spiegelmanufakturen, die mit Wasserkraft betriebenen Maschinen arbeiten, ebenfalls als "industrielle Betriebe" bezeichnen sollte (weil das Argument "Dampfmaschine als Hauptkriterium eines Industriebetriebes ... zu einer eingeschränkten Sichtweise" verleitet.)

7) Ganz wichtig: Ist also eine Fabrik nur dann eine Fabrik, wenn sie eine Dampfmaschine besitzt? Wenn nein, dann haben wir also schon vor 1842 echte Fabriken in Fürth... Womit und wann beginnt dann die Frühindustrialisierung allgemein und hier?

8) Meine Zusammenfassung: Fürth startete eigentlich mit recht guten Voraussetzungen ins 19. Jahrhundert (Preußische Herrschaft hat eher positive als negative Spuren hinterlassen), war dann als Stadt erster Klasse eine stolze und betriebsame Stadt und entwickelte sich in den 1830er Jahren zu einer regelrechten Boomtown in Bayern. (Zitat aus der Ortsbeschreibung 1838: "Die Zahl der Armen ist unverhältnismässig gering"). Die hier bereits längst einsetzende Frühindustrialisierung wurde dann auf Betreiben Nürnbergs deutlich gehemmt, indem Fürth vom neuen Schienennetz abgeschnitten wurde.--Marocco (Diskussion) 15:51, 25. Mär. 2018 (CEST)

PS: Hat jemand zufällig das im Artikel zitierte Buch von Kiesewetter über die Industrialisierung? Das Buch würde mich interessieren.--Marocco (Diskussion) 10:56, 26. Mär. 2018 (CEST)

Interessante Diskussion, allerdings glaube ich nicht, dass man Industriealisierung mit dem Einsatz der Eisenbahn oder der Dampfmaschine gleichsetzten kann. Da muss es schon noch mehr Faktoren gegeben haben. Ich denke, die Diskussion müsste man mal intensiver führen. Und ja, ich hab irgendwo den Text vom Kiesewetter - ich suche ihn mal raus. --Kasa Fue (Diskussion) 23:06, 8. Apr. 2018 (CEST)
Habe diese alte Diskussion jetzt erst entdeckt: Ohne das jetzt näher nochmal durch Lektüre verifiziert zu haben definiert sich die industrielle Revolution doch durch die Mechanisierung / Automatisierung von Handarbeit durch Maschinen. Demnach waren bereits die Spinnmaschine und der mechanische Webstuhl Entwicklungen der Früh-Industrialisierung. Die Entwicklung der Dampfmaschine gilt als zentrale Schrittmacher-Technologie der Industrialisierung, weil sie die Energieerzeugung von der Muskelkraft entkoppelte. Das Deutsche Museum zeigt z. B. eine ganze Reihe von faszinierenden Apparaten und Erfindungen, die noch ohne Dampfkraft auskamen - Deren Erfindung (teilweise schon in der Renaissance) ist jedoch scharf von der verstärkten (industriellen) Nutzung abzugrenzen. Insofern ist der Zeitpunkt der Industrialisierung vermutlich durch eine Verschiebung der prozentualen Sektoren-Verteilung der städtischen Gesamt-Wirtschaft zu bewerten. Der Fakt dass eine Eisenbahnstrecke in einem Ort voller Bauernhöfe und Klein-Handwerksbetriebe endet, macht diesen noch zu keiner Industriestadt, gleichwohl mag es den Auftakt einer Entwicklung indizieren. Mit dieser Formulierung möchte ich aber ausdrücklich nicht das Fürth der 1830er Jahre bewerten, sondern nur generelle Kriterien skizzieren. --FürthWikiAdmin S (Diskussion) 13:07, 18. Mär. 2022 (CET)

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Artikel im Fürther Tagblatt vom 8. Februar 1840