Gewerkschaftshaus

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Gewerkschaftshaus Feb 2018 2.jpg
Ehem. Gewerkschaftshaus mit Kiosk in der Königswarterstraße 16, Feb. 2018
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Ein Gewerkschaftshaus ist ein Gebäude oder eine Einrichtung, in der sich verschiedene gewerkschaftliche Organisationen regelmäßig treffen bzw. ihre Mitgliederverwaltung tätigen und Sprechstunden abhalten. Die Gründung der Gewerkschaftshäuser in Deutschland ging einher mit der Gründungsgeschichte der Gewerkschaften und der Sozialdemokratie ab Mitte des 19. Jahrhunderts.

Geschichte und Entstehung in Fürth[Bearbeiten]

In Fürth entstanden die ersten Gewerkschaften erst um die Jahrhundertwende. Die ersten Gewerkschaftstreffen fanden meist in Gaststätten statt, u. a. ab 1899 im Lokal Heidingsfelder in der Alexanderstraße sowie ab Januar 1901 im Gasthaus Zick. Erstmals war im November 1901 von einem sog. "Gewerkschaftshaus" die Rede, man traf sich jeden Sonntag im Monat nachmittags um 15 Uhr im sog. Kristall-Palast in der Pfisterstraße. Die Versammlungen der Gewerkschaften wurden nach eigenen Angaben im Saalbau des Gewerkschaftshauses Zimmer Nr. 10 abgehalten. Diese Zentrierung der Gewerkschaften an einer Wirkungsstätte wird später dem Fürther Gewerkschaftsführer Hans Böckler zugeschrieben, auch wenn er nur kurze Zeit später – im Jahr 1903 – Fürth den Rücken kehrte.[1]

Wenn auch 1907 im Geschäftsbericht von einer gemeinsamen Verwaltungsstelle in Nürnberg berichtet wurde, so gab es offenbar weiterhin eine eigenständige Gewerkschaftsstruktur in Fürth, zumal zum 31. Dezember 1907 1 312 männliche und 68 weibliche Gewerkschaftsmitglieder in Fürth gezählt wurden.

Erstes Gewerkschaftshaus[Bearbeiten]

1907 war erstmalig von einem eigenständigen Gewerkschaftshaus in Fürth die Rede - es handelte sich hierbei um das Haus Hirschenstraße 24. Das Gebäude gehörte von 1907 bis 1926 dem Sozialdemokraten, Zeitungskaufmann und sog. Expedienten Friedrich (Fritz) Gaum, der offensichtlich als Treuhänder in Erscheinung trat. 1911 erfolgte, vermutlich durch die Gewerkschaften, ein erster Umbau des Gebäudes aus dem Jahr 1857. Dabei wurden ein Rückgebäude erstellt und Teile des Gebäudes als Jugendheim genutzt, gleichzeitig erhielt die Fassade eine neoklassizistische Gestaltung mit einem dominanten Dreiecksgiebel, damit sich das Gebäude besser von seinen umliegenden Gebäuden abhob. 1913 schlossen sich die Gewerkschaften zu einem sog. Gewerkschaftskartell zusammen, das den Mitgliedsgewerkschaften mittels eines minimalen Kartellbeitrags die kostenlose Nutzung des Räumlichkeiten sicherte. Zu dem Kartell gehörten in dieser Zeit u. a. folgende gewerkschaftlichen Organisationen: Holzarbeiter-Verband, der Baugewerbsbund (Fürths größte Einzelgewerkschaft), der Metallarbeiter-Verband sowie der "Gesamtverband der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs". Lediglich der Zentralverband der Angestellten hat seine eigenen Geschäftsräume in der Friedrichstraße 10.[2]

Da das Gebäude in der Hirschenstraße weder über eine eigene Gaststätte noch über größere Versammlungssäle verfügte, entschloss man sich diesen Mangel durch einen Neubau Abhilfe zu schaffen. Hierzu wurde eigens bei der Sparkasse ein sog. "Neubaufond - Gewerkschaftshaus Fürth" gegründet, und stets mit Finanzmitteln gefüllt.

Es folgte die erste Zäsur durch den Ersten Weltkrieg 1914–1918, gefolgt von der großen Inflation und Weltwirtschaftskrise in den 1920er Jahren. Den Gewerkschaften blies nach eigenen Angaben der Wind ins Gesicht und viele Mitglieder liefen ihnen davon, da sie sich den Mitgliedsbeitrag nicht mehr leisten konnten oder wollten. Gleichzeitig gründeten sich immer mehr Einzelgewerkschaften, die lediglich Partikularinteressen kleinerer Berufsgruppen vertraten, sodass die ehemalige Schlagkraft teilweise verloren ging. Parallel gründeten andere Verbände ebenfalls Einrichtungen zur besseren Verbandsarbeit, so kaufte 1927 der Fabrikantenverband das Haus Sonnenstraße 12 und ließ es als Verbandshaus umbauen. Gleichzeitig gründete sich um 1920 der nationalliberale Gewerkschaftsbund für Angestellte, der sich hauptsächlich aus freiheitlich-demokratisch und national orientierten Mitgliedern des gemäßigten Mittelstands zusammensetzte. Diese wiederum hatten sich das Gebäude in der Königswarterstraße 16 gekauft und als Geschäftsstelle genutzt - dem nach dem Zweiten Weltkrieg neuen Gewerkschaftshaus.

Zeit während des Nationalsozialismus[Bearbeiten]

Die nächste Zäsur begann während des Nationalsozialismus und der davor einhergehenden Massenarbeitslosigkeit in Fürth. Das in dem "Neubaufond" gesammelte Geld des Gewerkschaftskartells wurde 1933 von der NSDAP beschlagnahmt. Am 2. Mai 1933 wurden in ganz Deutschland durch die SA die Gewerkschaftshäuser besetzt, so auch in Fürth. Der „Fürther Anzeiger” betitelte einen Beitrag wie folgt: "Ruhige Nacht in Fürth", schrieb aber gleichzeitig, dass die Generalsäuberung nachts um 2:30 Uhr begann. Die SA konnte ohne Widerstand das Haus in der Hirschenstraße besetzen und die Hakenkreuzfahne am Gebäude hissen.[3] Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten ging auch ein Verbot der Gewerkschaften sowie der Sozialdemokratie einher, sodass erst wieder nach dem Zweiten Weltkrieg ein Gewerkschaftshaus in Fürth entstand.

Nach dem Krieg trafen sich die Gewerkschaften erneut wieder erst in den Fürther Gaststätten. So versammelte man sich u. a. in der Gaststätte Zum Stadtwappen in der Bäumenstraße, allerdings führten zunächst inhaltliche Auseinandersetzungen mit den örtlichen Kommunisten über die Ausrichtung der Gewerkschaften zu Interessenkonflikten. Nach der Gründung der "Gewerkschaft kommunaler Betriebe und Verwaltungen, Fürth" am 13. April 1946 und des "Ortsausschuss[es] Fürth des Bayerischen Gewerkschaftsbundes" versammelten sich die Gewerkschafter am 6. Juli 1946 erstmals zur Konstituierung im neuen Gewerkschaftshaus in der Königswarterstraße 16, der ehemaligen Geschäftsstelle des Gewerkschaftsbundes der Angestellten (GDA).

Neugründung nach dem Zweiten Weltkrieg[Bearbeiten]

1952 wurde im Hinterhof ein Jugendheim für die zwei Jahre zuvor gegründete ÖTV-Jugendgruppe errichtet - dem späteren "Biko" (Bildungs- und Beratungsgenossenschaft eG). Das Gebäude wurde von den verschiedenen Gewerkschaften jeweils etagenweise genutzt, so diente der Gewerkschaft ver.di u. a. das dritte Obergeschoss, während sich der DGB und die IG-Metall die anderen Stockwerke teilten.[4]

Der Anbau im Hinterhof aus dem Jahr 1952 wurde später als Versammlungs- und Bildungsraum verwendet. Im Erdgeschoss nutzte die von Gewerkschaftsfunktionären gegründete Partei WASG einige Räumlichkeiten. Diese nahm nach der Fusion mit der PDS zur Partei „Die Linke” ebenfalls noch die Räumlichkeiten in Anspruch, ehe diese Mitte der 2010er Jahre in die Königstraße umzogen. Ebenfalls im Erdgeschoss war ein Zeitschriftenkiosk angesiedelt, der im Straßenverkauf hauptsächlich die eher "linke" Tagespresse im Sortiment hatte.

Das Gebäude befindet sich seit vielen Jahren im privaten Eigentum einer Fürther Familie, „die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte“.[5]

Schließung[Bearbeiten]

Das „Aus“ für das Fürther Gewerkschaftshaus kam nach fast 70 Jahren im Sommer 2015. Die großen Gewerkschaften, wie die IG-Metall – aber auch die Gewerkschaft ver.di –, passten ihre Strukturen an, um effizienter und vor allem sparsamer arbeiten zu können. Hierzu wurden die ehemals kleinteiligen Ortsbezirke zu größeren Einheiten zusammengefasst, sodass viele „kleine“ Organisationseinheiten aufgelöst wurden. Den Anfang machte im Sommer 2015 die IG-Metall, sie brach ihre Zelte in Fürth ab und verlegte ihre Büros samt Mitarbeiter nach Ansbach. 2016 zog auch die Bildungseinrichtung Biko aus, wobei als letzter Mieter im Gewerkschaftshaus (fast) nur noch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di verblieben war. Zum Jahresende 2016 zog als letztes ver.di aus - alle Büros und Angestellten wurden nach Nürnberg verlagert, weshalb aktuell seit dem 1. Januar 2017 Fürth als Großstadt kein eigenes Gewerkschaftshaus mehr hat.[5]

Literatur[Bearbeiten]

  • Gerd Walther: 100 Jahre ÖTV Fürth 1896 - 1996, Hrsg. Gewerkschaft ÖTV, Eigenverlag, Fürth, 1996
  • Anke Hoffsten: Das Volkshaus der Arbeiterbewegung in Deutschland – Gemeinschaftsbauten zwischen Alltag und Utopie. Böhlau Verlag, Köln, 2017

Lokalberichterstattung[Bearbeiten]

  • Johannes Alles: Abruptes Aus für Fürths Gewerkschaftshaus. In: Fürther Nachrichten sowie Onlinedienst nordbayern.de, Verlag Nürnberger Presse Druckhaus Nürnberg GmbH & Co. KG, Nürnberg; vom 25. Januar 2017; aufgerufen am 14. Januar 2024 - online

Siehe auch[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Gerd Walther: 100 Jahre ÖTV Fürth 1896 - 1996, Eigenverlag, Fürth, S. 14 ff.
  2. Anke Hoffsten: Das Volkshaus der Arbeiterbewegung in Deutschland – Gemeinschaftsbauten zwischen Alltag und Utopie. Böhlau Verlag, Köln, 2017, S. 396 ff.
  3. Gerd Walther: 100 Jahre ÖTV Fürth 1896 - 1996, Eigenverlag, Fürth, S. 31 ff.
  4. Gerd Walther: 100 Jahre ÖTV Fürth 1896 - 1996, Eigenverlag, Fürth, S. 37 ff.
  5. 5,0 5,1 Johannes Alles: Abruptes Aus für Fürths Gewerkschaftshaus. In: Fürther Nachrichten sowie Onlinedienst nordbayern.de, Verlag Nürnberger Presse Druckhaus Nürnberg GmbH & Co. KG, Nürnberg; vom 25. Januar 2017; aufgerufen am 14. Januar 2024

Bilder[Bearbeiten]