Brauereien: Unterschied zwischen den Versionen

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Durch den Einzug der Industrialisierung bildeten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in einer ersten zaghaften Phase der Marktkonzentration die "Großen Fünf" heraus: [[Brauerei Evora&Meyer|Evora&Meyer]], [[Brauerei Geismann|Geismann]], [[Brauerei Grüner|Grüner]], [[Brauerei Humbser|Humbser]] und [[Bergbräu|Mailaender]] (spätere ''Bergbräu''). Davon erreichten (''Reihenfolge nach Ausstoß'') Humbser, Geismann und Evora Anfang des 20. Jahrhunderts, erst später auch Grüner, einen jährlichen Ausstoß jenseits der 100.000 hl. und waren im Exportgeschäft tätig: [[1888]] überholte die Ausfuhrmenge mit 87.000 hl den Konsum der Stadtbevölkerung, [[1911]] stand einem Malzversud von 150.552 hl gar ein Bierexport von 295.726 hl gegenüber.
Durch den Einzug der Industrialisierung bildeten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in einer ersten zaghaften Phase der Marktkonzentration die "Großen Fünf" heraus: [[Brauerei Evora&Meyer|Evora&Meyer]], [[Brauerei Geismann|Geismann]], [[Brauerei Grüner|Grüner]], [[Brauerei Humbser|Humbser]] und [[Bergbräu|Mailaender]] (spätere ''Bergbräu''). Davon erreichten (''Reihenfolge nach Ausstoß'') Humbser, Geismann und Evora Anfang des 20. Jahrhunderts, erst später auch Grüner, einen jährlichen Ausstoß jenseits der 100.000 hl. und waren im Exportgeschäft tätig: [[1888]] überholte die Ausfuhrmenge mit 87.000 hl den Konsum der Stadtbevölkerung, [[1911]] stand einem Malzversud von 150.552 hl gar ein Bierexport von 295.726 hl gegenüber.


Besonders die Biere von [[Brauerei Geismann|Geismann]] und [[Brauerei Grüner|Grüner]] genossen in Fachwelt und Konsumentenkreisen einen hervorragenden Ruf: Während [[Brauerei Grüner|Grüner]] vor allem mit den Standardsorten punktete, sind die Spezialbiere der [[Brauerei Geismann|Geismann]], allen voran der [[Poculator]] als erstes fränkisches Starkbier (mit zugehörigem Fest im [[Geismannsaal]]), bis heute legendär. Hauptabsatzgebiet der "Großen Fünf" war hauptsächlich die Städteachse Nürnberg-Fürth. Als älteste Fürther Braustätte galt die [[Brauerei Geismann]] mit dem Gründungsjahr [[1722]], auch wenn Humbser und Grüner später, z.B. durch ihre Vorgeschichte andernorts, frühere Zahlen angaben.
Besonders die Biere von [[Brauerei Geismann|Geismann]] und [[Brauerei Grüner|Grüner]] genossen in Fachwelt und Konsumentenkreisen einen hervorragenden Ruf: Während [[Brauerei Grüner|Grüner]] vor allem mit den Standardsorten punktete, waren die Spezialbiere der [[Brauerei Geismann|Geismann]], allen voran der [[Poculator]] als erstes fränkisches Starkbier (mit zugehörigem Fest im [[Geismannsaal]]), bis heute legendär. Hauptabsatzgebiet der "Großen Fünf" war hauptsächlich die Städteachse Nürnberg-Fürth. Als älteste Fürther Braustätte galt die [[Brauerei Geismann]] mit dem Gründungsjahr [[1722]], auch wenn Humbser und Grüner später, z.B. durch ihre Vorgeschichte andernorts, frühere Zahlen angaben.


Eine Sonderrolle nimmt die Geschichte des [[1923]] eingemeindeten [[Burgfarrnbach]]s ein, wo mit der [[Gräflich-Pückler-Limpurgsche Brauerei|Gräflich Pücklerschen Brauerei]] und der [[Farrnbacher Weißbierbrauerei|Weißbräu]] zeitweise sogar zwei Weißbierbrauereien existierten. Im eingemeindeten [[Vach]] bestand bis [[1996]] mit der [[Dornbräu Vach|Dornbräu]] eine kleinere "Landbrauerei".
Eine Sonderrolle nahm die Geschichte des [[1923]] eingemeindeten [[Burgfarrnbach]]s ein, wo mit der [[Gräflich-Pückler-Limpurgsche Brauerei|Gräflich Pücklerschen Brauerei]] und der [[Farrnbacher Weißbierbrauerei|Weißbräu]] zeitweise sogar zwei Weißbierbrauereien existierten. Im eingemeindeten [[Vach]] bestand bis [[1996]] mit der [[Dornbräu Vach|Dornbräu]] eine kleinere "Landbrauerei".


Das Fürther Brauwesen war in Folge der Weltwirtschaftskrise durch eine stark gesunkene Nachfrage geschwächt, als Profiteure des NS-Systems sich in den 1930er Jahren zu Lasten jüdischer Anteilseigner durch feindliche Übernahme und Arisierung etwa der Brauereien Mailänder und Geismann bemächtigten. Besonders der Versandhandelsunternehmer [[Gustav Schickedanz]] und die [[Brauerei Grüner]] - Vorstand [[Wilhelm Schülein]] war wie Schickedanz ab [[1935]] NSDAP-Ratsherr - vermochten von der politischen Situation zu profitieren. Einzelne Spruchkammer- und Wiedergutmachungsverfahren änderten später - trotz Rückübereignung etwa der Berg-Bräu an die Familie Mailänder - nichts mehr daran, dass jüdische und partei-ferne Aktionäre aus dem vormals heterogenen Eigentümer-Kreis der Unternehmen nachhaltig verdrängt und erste Schritte hin zur späteren Markt-Konzentration vollzogen wurden: Während etwa die Hopfenhändlers- und Privatbankiers-Familie [[Sahlmann]] in der Branche nicht mehr Fuß fassen konnte, verblieb der Filialleiter der Dresdner Bank in Nürnberg-Fürth [[Hans Böhner]] auch nach dem Krieg als Hausbankier und Aufsichtsratsvorsitzender diverser Brauerei-Unternehmungen in einflussreicher Position, obwohl er in das NS-Korruptionsnetzwerk im Gau Mittelfranken unter Julius Streicher und Karl Holz tief verstrickt war.
Das Fürther Brauwesen war in Folge der Weltwirtschaftskrise durch eine stark gesunkene Nachfrage geschwächt, als Profiteure des NS-Systems sich in den 1930er Jahren zu Lasten jüdischer Anteilseigner durch feindliche Übernahme und Arisierung etwa der Brauereien Mailänder und Geismann bemächtigten. Besonders der Versandhandelsunternehmer [[Gustav Schickedanz]] und die [[Brauerei Grüner]] - Vorstand [[Wilhelm Schülein]] war wie Schickedanz ab [[1935]] [[NSDAP]]-Ratsherr - vermochten von der politischen Situation zu profitieren. Einzelne [[Spruchkammer]]- und Wiedergutmachungsverfahren änderten später - trotz Rückübereignung etwa der Berg-Bräu an die Familie Mailänder - nichts mehr daran, dass jüdische und partei-ferne Aktionäre aus dem vormals heterogenen Eigentümer-Kreis der Unternehmen nachhaltig verdrängt und erste Schritte hin zur späteren Markt-Konzentration vollzogen wurden: Während etwa die Hopfenhändlers- und Privatbankiers-Familie [[Sahlmann]] in der Branche nicht mehr Fuß fassen konnte, verblieb der Filialleiter der Dresdner Bank in Nürnberg-Fürth [[Hans Böhner]] auch nach dem Krieg als Hausbankier und Aufsichtsratsvorsitzender diverser Brauerei-Unternehmungen in einflussreicher Position, obwohl er in das NS-Korruptionsnetzwerk im Gau Mittelfranken unter [[wikipedia:Julius Streicher|Julius Streicher]] und [[wikipedia:Karl Holz|Karl Holz]] tief verstrickt war.


Die auf den Export eingestellte [[Brauerei Evora&Meyer|Evora&Meyer]] war infolge der Krisenjahre nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] bereits [[1921]] ihrerseits durch das Brauhaus Nürnberg übernommen worden und zunächst als ''Abteilung Fürth'' weitergeführt worden, ehe ihr Betrieb [[1941]] auf Kriegsverordnung eingestellt und nie mehr aufgenommen wurde. Bei [[Brauerei Humbser|Humbser]] und [[Brauerei Geismann|Geismann]] verhielt es sich anders: [[Brauerei Geismann|Geismann]] hatte besonders in den 1950er Jahren mt einem Ausstoß jenseits der 120.000 hl das gravierende "Luxus-Problem", am Hauptstandort in der [[Bäumenstraße]] logistisch an die absoluten Expansionsgrenzen gestoßen zu sein. So betrieb man die Fusion mit der ebenfalls mittlerweile im Hause des [[Quelle]]-Gründers [[Gustav Schickedanz]] befindlichen [[Brauerei Humbser|Humbser]]: [[1967]] ging aus diesen Plänen die [[Brauerei Humbser-Geismann]] hervor.
Die auf den Export eingestellte [[Brauerei Evora&Meyer|Evora&Meyer]] war infolge der Krisenjahre nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] bereits [[1921]] ihrerseits durch das Brauhaus Nürnberg übernommen worden und zunächst als ''Abteilung Fürth'' weitergeführt worden, ehe ihr Betrieb [[1941]] auf Kriegsverordnung eingestellt und nie mehr aufgenommen wurde. Bei [[Brauerei Humbser|Humbser]] und [[Brauerei Geismann|Geismann]] verhielt es sich anders: [[Brauerei Geismann|Geismann]] hatte besonders in den 1950er Jahren mt einem Ausstoß jenseits der 120.000 hl das gravierende "Luxus-Problem", am Hauptstandort in der [[Bäumenstraße]] logistisch an die absoluten Expansionsgrenzen gestoßen zu sein. So betrieb man die Fusion mit der ebenfalls mittlerweile im Hause des [[Quelle]]-Gründers [[Gustav Schickedanz]] befindlichen [[Brauerei Humbser|Humbser]]: [[1967]] ging aus diesen Plänen die [[Brauerei Humbser-Geismann]] hervor.

Version vom 24. Januar 2023, 15:43 Uhr

Zeitgenössische Werbung der Fürther Brauereien von 1962

Besonders im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte Fürth einen großen Ruf als Bierstadt. Besonders fünf Brauereien trugen im 19. Jahrhundert maßgeblich zu dieser Namensgebung bei: Brauerei Humbser, Brauerei Geismann, Brauerei Grüner, Brauerei Mailaender und Brauerei Evora & Meyer.

Überblick

alte AK: Gelände der Humbser
Hofansicht der Brauerei Geismann
2007: Humbser-Sudhaus im Betrieb

Schon um 1500 zählte man in Fürth 7 Brauereien, in den folgenden Jahren bis zu 12 Brauereien, nach 1700 sogar 22.

Bereits 1813 wurde in Fürth ein Malz- und Bieraufschlag eingeführt: Als maßgebliche Einnahmequelle der Stadt trug er zur Errichtung nahezu aller kommunaler Einrichtungen wie dem Alten Krankenhaus oder dem Rathaus bei.

Durch den Einzug der Industrialisierung bildeten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in einer ersten zaghaften Phase der Marktkonzentration die "Großen Fünf" heraus: Evora&Meyer, Geismann, Grüner, Humbser und Mailaender (spätere Bergbräu). Davon erreichten (Reihenfolge nach Ausstoß) Humbser, Geismann und Evora Anfang des 20. Jahrhunderts, erst später auch Grüner, einen jährlichen Ausstoß jenseits der 100.000 hl. und waren im Exportgeschäft tätig: 1888 überholte die Ausfuhrmenge mit 87.000 hl den Konsum der Stadtbevölkerung, 1911 stand einem Malzversud von 150.552 hl gar ein Bierexport von 295.726 hl gegenüber.

Besonders die Biere von Geismann und Grüner genossen in Fachwelt und Konsumentenkreisen einen hervorragenden Ruf: Während Grüner vor allem mit den Standardsorten punktete, waren die Spezialbiere der Geismann, allen voran der Poculator als erstes fränkisches Starkbier (mit zugehörigem Fest im Geismannsaal), bis heute legendär. Hauptabsatzgebiet der "Großen Fünf" war hauptsächlich die Städteachse Nürnberg-Fürth. Als älteste Fürther Braustätte galt die Brauerei Geismann mit dem Gründungsjahr 1722, auch wenn Humbser und Grüner später, z.B. durch ihre Vorgeschichte andernorts, frühere Zahlen angaben.

Eine Sonderrolle nahm die Geschichte des 1923 eingemeindeten Burgfarrnbachs ein, wo mit der Gräflich Pücklerschen Brauerei und der Weißbräu zeitweise sogar zwei Weißbierbrauereien existierten. Im eingemeindeten Vach bestand bis 1996 mit der Dornbräu eine kleinere "Landbrauerei".

Das Fürther Brauwesen war in Folge der Weltwirtschaftskrise durch eine stark gesunkene Nachfrage geschwächt, als Profiteure des NS-Systems sich in den 1930er Jahren zu Lasten jüdischer Anteilseigner durch feindliche Übernahme und Arisierung etwa der Brauereien Mailänder und Geismann bemächtigten. Besonders der Versandhandelsunternehmer Gustav Schickedanz und die Brauerei Grüner - Vorstand Wilhelm Schülein war wie Schickedanz ab 1935 NSDAP-Ratsherr - vermochten von der politischen Situation zu profitieren. Einzelne Spruchkammer- und Wiedergutmachungsverfahren änderten später - trotz Rückübereignung etwa der Berg-Bräu an die Familie Mailänder - nichts mehr daran, dass jüdische und partei-ferne Aktionäre aus dem vormals heterogenen Eigentümer-Kreis der Unternehmen nachhaltig verdrängt und erste Schritte hin zur späteren Markt-Konzentration vollzogen wurden: Während etwa die Hopfenhändlers- und Privatbankiers-Familie Sahlmann in der Branche nicht mehr Fuß fassen konnte, verblieb der Filialleiter der Dresdner Bank in Nürnberg-Fürth Hans Böhner auch nach dem Krieg als Hausbankier und Aufsichtsratsvorsitzender diverser Brauerei-Unternehmungen in einflussreicher Position, obwohl er in das NS-Korruptionsnetzwerk im Gau Mittelfranken unter Julius Streicher und Karl Holz tief verstrickt war.

Die auf den Export eingestellte Evora&Meyer war infolge der Krisenjahre nach dem Ersten Weltkrieg bereits 1921 ihrerseits durch das Brauhaus Nürnberg übernommen worden und zunächst als Abteilung Fürth weitergeführt worden, ehe ihr Betrieb 1941 auf Kriegsverordnung eingestellt und nie mehr aufgenommen wurde. Bei Humbser und Geismann verhielt es sich anders: Geismann hatte besonders in den 1950er Jahren mt einem Ausstoß jenseits der 120.000 hl das gravierende "Luxus-Problem", am Hauptstandort in der Bäumenstraße logistisch an die absoluten Expansionsgrenzen gestoßen zu sein. So betrieb man die Fusion mit der ebenfalls mittlerweile im Hause des Quelle-Gründers Gustav Schickedanz befindlichen Humbser: 1967 ging aus diesen Plänen die Brauerei Humbser-Geismann hervor.

Das weiterhin sehr erfolgreiche Unternehmen expandierte weiter und die Schickedanz-Gruppe erwarb weitere Beteiligungen, darunter erst Ende der 1960er Jahre Anteile an der Grüner, sodass es 1972 unter Zusammenlegung von 16 Brauereien (!) zur Gründung des Einheitsgiganten Patrizier Bräu kam. 1974 wurde dann die Bergbräu als letzte selbstständige Fürther Brauerei geschluckt. 1977 wurden die Braustätten der Grüner und Bergbräu geschlossen und später abgerissen.

1994 erwarb der Münchner Brauerei-Unternehmer Dr. Hans Inselkammer die Aktienmehrheit, fusionierte mit der Nürnberger Tucher Bräu AG und schloss damit die vollständige Zusammenlegung aller Nürnberger und Fürther Traditionsbrauereien endgültig ab. Einzig die Brauerei Humbser-Geismann an der Schwabacher Straße blieb bis, zum Neubau der Tucher an der südliche Stadtgrenze, 2009 in Betrieb.

Die heutige Tucher, deren Sudhaus zur Hälfte auf Fürther und zur anderen auf Nürnberger Boden gebaut ist, hat bislang aktiv keine Aufarbeitung ihrer Konzerngeschichte betrieben, die die reiche Fürther Brauereigeschichte behandeln würde. Allerdings unterstützte die seinerzeitige Firmenleitung unter Fred Höfler 2013 aktiv das Stadtmuseum durch die Übergabe des noch vorhandenem Firmenarchivs der ehemaligen Brauereien an das Fürther Stadtmuseum und trug damit maßgeblich zur Realisierung einer Ausstellung zu den ehemaligen »Großen-Fünf« im Stadtmuseum bei.

Braustätten / Kleine Brauereien

Braustätten und Brauerein in Fürth

Im Laufe der Jahrhunderte gab es immer wieder kleinere Brauereien, die zum Teil heute nicht mehr namentlich alle bekannt sind. Allerdings gehen häufig aus der einschlägigen Literatur noch die Braustätten hervor, so dass zumindest eine örtliche Zuordnung von Brauereien / Braustätten aus heutiger Sicht möglich ist. Zum Teil haben diese Häuser heute noch das Braurecht, auch wenn keines dieser Häuser hiervon gebrauch macht.

Auflistung (A-Z) aller (bekannten) Braustätten in Fürth nach Straßen ab 1500, in Klammern jeweils der Name des damaligen Braumeisters:

In der Lohbauerschen Land-Chronik ist für das Ende des 19. Jahrhunderts vermerkt, dass es auch in Stadeln eine Brauerei gab:

Auch eine Brauerei war hier in Stadeln, sie bildete den Häuserkomplex Gasthaus Ramspeck, Metzger Gg. Fleischmann etc. Das Brauhaus wurde abgebrochen und in Manhof [sic!] als ein Haus (das jetzige Gasthaus des Herrn Jakob Walz) erbaut.[1]

Brauereisterben

Während es im 17. und 18. Jahrhundert noch eine Vielzahl von Braustätten in Fürth gab, ändert sich dies zunehmend Mitte des 19. bzw. Mitte des 20. Jahrhunderts. Die Ursachen hierfür sind sehr unterschiedlich, auch wenn das Ergebnis - weniger Braustätten in Fürth - stets das gleiche blieb.

Zunächst waren die Braustätten im 17. und 18. Jahrhundert häufig für den Eigenbedarf ausgelegt bzw. gekoppelt mit einer Gaststätte/ Wirtshaus. Diese produzierten häufig Bier lediglich für den Ausschank in der eigenen Gaststätte, und nur wenn Überschüsse vorhanden waren, wurde diese auch an Dritte verkauft. Der Fokus lag somit auf den Eigenbedarf. Durch eine rasch wachsende Stadtbevölkerung durch die einsetzenden Landflucht und dem Wechsel der Beschäftigungsverhältnisse in der Bevölkerung vom Selbstversorger zum angestellten Lohnempfänger veränderte sich auch das Trinkverhalten und die Absatzmengen des benötigen Biers. Während 1809 noch 12.438 Menschen in Fürth wohnten, zählte man bereits 100 Jahre später eine um das vielfache gestiegene Bevölkerung. 1910 wohnten in Fürth nicht weniger als 66.553 Menschen, also eine Verfünffachung der Bevölkerung in nur 100 Jahren. Um der Bevölkerung weiterhin ausreichend Bier anbieten zu können, musste sich zwangsläufig auch das Brauwesen von Grund auf ändern. Viele Gaststätten mussten nun Bier ankaufen, da sie in eigener Produktion nicht mehr die Mengen des benötigten Bieres produzieren konnten. Gleichzeitig stiegen die Anforderungen an die Qualität des Bieres und nicht zuletzt auch an die Zeitspanne der Verfügbarkeit - immer mehr Bier musste in immer kürzerer Zeit vorhanden sein. Durch die einsetzende Industrialisierung wurde in nur wenigen Jahren das Brauwesen grundsätzlich verändert, um sowohl Quantität als auch die Qualität des Bieres zu verbessern.

Zu den neuen Errungenschaften des Brauwesens zählten:

  • der Einsatz von Elektrizität und somit auch der Einsatz von Dampfmaschinen zur Herstellung von Bier;
  • der Einsatz von Kältemaschinen zur Herstellung und Lagerung von Bier, so dass man schneller Bier herstellen konnte;
  • die Abfüllung in kleineren Bierfässern, bzw. die Abfüllung in Glasflaschen und damit verbunden
  • eine deutlich verbesserte Vertriebs- und Erlösstruktur.

Diese Art der Produktion und Vertrieb konnte nicht mehr von kleinen Braustätten bespielt werden, da die Investitionskosten und der dafür notwendige Platz häufig nicht vorhanden war. So konzentrierten sich ein paar wenige Brauereien ab Mitte des 19. Jahrhunderts auf die ausschließliche Produktion von Bier und dessen Vertrieb - wegen von der ursprünglichen Idee des Eigenbedarfs. Dies war im Wesentlichen die Geburtsstunde der fünf großen Brauerein in Fürth: Grüner, Geismann, Humbser, Evora und Mailaender. Ab dem 20. Jahrhundert konzentrierte sich das Brauwesen auf nur wenige Unternehmen, die häufig durch den Ankauf bzw. Zusammenlegung und Stilllegung von kleineren Brauereien sich erweiterten bzw. den Markt sicherten.

1731 werden in Fürth noch 24 Braustätten aufgeführt, bereits 1807 gab es nur noch 8 Braustätten. Ab 1873 sind fast nur noch die bekannten fünf Brauereien vorhanden, mit Ausnahme der Seyboth Brauerei in der Rednitzstraße. Ab 1905 spielen nur noch die fünf großen Brauereien in Fürth eine Rolle. Alle anderen Braustätten sind entweder aufgekauft oder stillgelegt worden.

Prozess der Braustättenkonzentration im Jahresverlauf:

  • 1731 (24 Braustätten): siehe oben
  • 1807 (8 Braustätten): Bäumenstraße: Humbser, Stengel, Ottmann | Rednitzstraße: Burger, Seyboth | Mohrenstraße: Brauerei Münch, Brodner | Gartenstraße: Reuter
  • 1873 (5 Braustätten): Bäumenstraße: Geismann, Humbser, Mailaender | Gartenstraße: Grüner | Rednitzstraße: Seyboth
  • 1905 (5 Braustätten): Bäumenstraße: Geismann | Erlanger Straße: Evora & Meyer | Gartenstraße: Gebr. Grüner AG | Wilhlemstraße: Mailaender (Bergbräu)
  • 1931 (5 Braustätten): Bäumen-/ Schirmstraße: Geismann | Erlanger Straße: Brauhaus Nbg. Abt. Fürth | Gartenstraße: Grüner | Schwabacher Straße: Humbser
  • 1965 (4 Braustätten): Bäumenstraße: Geismann | Gartenstraße: Grüner | Schwabacher Straße: Humbser | Wilhelmstraße: Bergbräu
  • 1967 (3 Braustätten): Gartenstraße: Grüner | Schwabacher Straße: Humbser-Geismann | Wilhelmstraße: Bergbräu
  • 1977 (1 Braustätte): Schwabacher Straße: Patrizier

Ab Mitte der 1960er Jahre begann Gustav Schickedanz den Aufkauf aller noch in Fürth bestehenden Brauereien. Zum Teil hatte er sich bereits in den 1930er Jahren während des Nationalsozialismus Anteile von Brauereien gekauft (z.B. Brauerei Geismann), die er nun erweiterte. Als erstes wurden die Brauereien Geismann und Humbser in der Schwabacher Straße zusammengeführt (1967). Danach baute die Schickedanz-Gruppe ihre Anteile aus und erwarb die Brauerei Grüner (1972). Als letztes kam 1974 die Bergbräu zur Schickedanz-Gruppe, so dass ab 1974 alle Brauereien in Fürth nur noch einer Gesellschaft angehörten. 1977 wurden die letzten Brauereien geschlossen, lediglich in der Braustätte Humbser-Geismann in der Schwabacher Straße wurde in Fürth weiterhin Bier für die 1972 neu gegründete Brauerei Patrizier Bräu AG hergestellt.

Wiederbelebung tradtioneller Marken

Von den fünf großen Brauereien, die es um die Jahrhundertwende in Fürth noch gab, existierten 100 Jahre später faktisch keine mehr. Alle fünf Brauereien wurden durch Gustav Schickedanz bis in die 1980er Jahre aufgekauft und gingen in der Brauerei Patrizier auf - bzw. später in der Brauerei Tucher als Rechtsnachfolger der fünf großen Brauereien in Fürth. Zwar wird ein Humbser Export und Pils Bier auch heute noch durch die Tucher Brauerei gebraut und verkauft, fristet dieses Bier nur ein untergeordnetes Dasein im Billigpreissegement und ist nicht vergleichbar mit dem einstmals so stolzen und altehrwürdigen Bier der Export-Bierbrauerei Humbser. Anfang der 2010er erleben jedoch einige alte Biernamen in Fürth wieder ein Revival. Den Anfang macht das Grüner Bier, dass am 29. September 2011 erstmals wieder ausgeschenkt wurde - und später zu einer der größten Erfolgsgeschichten der Tucherbrauerei entwickeln sollte - wenn auch etwas unfreiwillig - da die Verantwortlichen von dem Erfolg völlig überrascht wurden. Im April 2017 wurde als nächstes bekannt, dass auch die Biermarke Evora & Meyer durch die Die Bierothek® Fürth wiederbelebt werden soll. Vincent Bartl und Christian Klemenz setzten am 1. April 2017 den ersten Sud in Breitengüßbach bei Bamberg an. Der Ausschank des ersten EVORA® Bieres soll am 4. Mai 2017 erfolgen.[2] Damit sind faktisch von fünf ehemaligen Fürther Biernamen drei Biernamen wieder auf dem Markt: Humbser, Grüner und EVORA® - fehlen nur noch die Biere der Bergbräu und der Geismann. Vielleicht erleben diese beiden Marken auch noch ein Revival - verdient hätten sie es allemal.

Literatur

Gerd Walther veröffentlichte mit dem Kapitel bis der Humbser barfäß lefft! im Buch Bier in Nürnberg-Fürth 1987 erstmals einen Überblick über die Fürther Brauereigeschichte.

Der Historiker Dr. Erhard Schraudolph bearbeitete in seiner Dissertation Vom Handwerkerort zur Industriemetropole (Buch) erstmals die Firmengeschichten wissenschaftlich.

2021 erschien das Buch Fürther Bier - Die Fürther Brauereien von der Industrialisierung bis ins 21. Jahrhundert von Stefan Städtler-Ley, dessen Augenmerk stark auf der Entwicklung der Marketing- und Werbemittel-Geschichte der Fürther Großbrauerein liegt.

Gesamt-Übersicht

  • Dr. Ludwig Bertholdt: Bilder aus der Zeit des Rechtsstreits um die Fürther Bierausfuhr im 18. Jahrhundert. In: Fürther Heimatblätter, 1941/1, S.1 - 15
  • Gerd Walther: "...bis der Humbser barfäß lefft!" in Christian Koch und Hans-Christian Täubrich: Bier in Nürnberg-Fürth, Hugendubel, 1987
  • Dr. Erhard Schraudolph: Vom Handwerkerort zur Industriemetropole. Industrialisierung in Fürth vor 1870. Zugleich: Universität Bayreuth, Dissertation, 1992. Ansbach: Historischer Verein für Mittelfranken, 1993, X, 281 S. (Mittelfränkische Studien; Band 9)
  • Volker Dittmar: "Ausverkauf der Fürther Brauerei-Tradition", Fürther Nachrichten vom 6. April 2009. online abrufbar.

Lokalberichterstattung

  • Alexandra Voigt: Bier mit einer Note von Mango und Maracuja, in: Fürther Nachrichten vom 14. Februar 2022 (Druckausgabe) bzw. "AroMa": Die Fürther Bierothek braut ein eigenes Bier In: nordbayern.de vom 15. Februar 2022 - online abrufbar

Siehe auch

Zeitgenössische Bierdeckelwerbung
Von der einstigen Bierstadt ist nichts geblieben - Das greift eine provokative Postkarte des Fürther Künstlers Peter Stutzmann im Jahr 2011 satirisch auf.

Einzelnachweise

  1. Land-Chronik, Fürth 1892, S. 357
  2. Markus Raupach: Fürther Traditionsbrauerei Evora wagt den Neustart. In: Nürnberger Nachrichten vom 7. April 2017 - online abrufbar
  • Fr. X. Ragl: "Fürth und seine Brauereien" in "Der Bayerische Bierbrauer", Nr. 52 / 1937
  • Felix Geismann: "Die Geschichte der Brauerei Geismann", 2008

Bilder


Videos

Höfefest 2018 Dieser Artikel war Thema beim Fürther Höfefest vom 21. - 22. Juli 2018. Unter dem Titel "200 Jahre an einem Wochenende" bot die Veranstaltung Einblick in mehr als 50 Fürther Höfe, davon 20 als Themenhöfe mit einem geschichtlichen Thema.