Dreiherrschaft
In Fürth herrschte über Jahrhunderte die sogenannte Dreiherrschaft: die Herrschaft dreier Herren in Fürth. Nicht miteinander, sondern gegeneinander.
Definition
Der Begriff "Dreiherrschaft" ist aufgrund der Komplexität der Sachlage eine nur unzureichende Beschreibung für die tatsächlichen Verhältnisse. Hintergrund sind die allgemein verworrenen Herrschaftsformen v.a. in der Frühen Neuzeit. Unter Dreiherrschaft zu verstehen ist die Herrschaft der Dompropstei Bamberg, des Markgraftums Brandenburg-Ansbach sowie der Reichsstadt Nürnberg auf unterschiedlichen Ebenen (Lehenrecht, Grundherrschaft, Gerichtsrechte). Nicht zutreffend ist die Bezeichnung "Kondominium", da es sich hierbei um ein gemeinschaftliche ausgeübtes Herrschaftsrecht handelt. Von "gemeinschaftlich" kann in Fürth jedoch keine Rede sein. V.a. adelige Herrschaften wurden als Kondominium regiert.
Die drei Fürther Herren
Fürth lag an der Grenze von drei Territorien, deren Herren gerne Fürth in ihrer Herrschaft (Alleinherrschaft) gehabt hätten, sie rangen also Jahrhunderte um Fürth:
1) Die Dompropstei Bamberg. (Sie bekam Fürth 1007 von Kaiser Heinrich II. zu ihrer Versorgung geschenkt und war damit zunächst "Alleineigentümerin".)
2) Dann ab 1200 die Burggrafen von Nürnberg bzw. Markgrafen von Brandenburg-Ansbach (Hohenzollern/Erben der Grafen von Abenberg) als Vögte von Fürth (Vertreter in Fürth: Geleitsherr; Ausübung der weltlichen Gerichtsbarkeit).
3) Schließlich ab etwa 1400 auch die Reichstadt Nürnberg. (Einfluss durch: Private Grundbesitzer/Patrizier; Kirchenhoheit des Rates der Reichsstadt; Reichsschultheißenamt.)
Diese Herrschaft war nach Häusern und Grundstücken eingeteilt, jeder Fürther Einwohner war also genau einem der drei Herren unterstellt.
Diese drei Herren waren immer Herren in Fürth, und jeder einzelne versuchte nun für sich, zum Herren von Fürth zu werden. 1792 dankt der letzte Markgraf von Ansbach-Bayreuth, Carl Alexander, nach 34 Jahren Amtszeit ab und heiratet eine Bürgerliche in England (Eliza Craven). Zuvor hatte er mit seinem Onkel, König Friedrich dem Großen, einen Vertrag geschlossen, dass seine Güter gegen eine Leibrente an Preußen übergehen. Demzufolge wird sein Nachfolger König von Preußen Friedrich Wilhelm II., so dass am 5. Januar 1792 die Dreiherrschaft in Fürth formal endet. Faktisch folgen einige zum Teil Auseinandersetzungen mit den beiden anderen "Herren". Der fränkische Statthalter Preußens, Minister Karl August von Hardenberg, ist nicht gewillt, die Ansprüche Bambergs und Nürnbergs zu tolerieren bzw. lehnt die komplizierte Rechts- und Herrschaftslage ab, so dass er den alleinigen Anspruch für Preußen stellt. Erst 1795, nach dem Sonderfrieden von Basel, konnte Hardenberg allerdings seine Forderung in die Praxis umsetzten, so dass 1796 das Alleinige Preußische Landrecht einführt wurde. Bereits 1798 konnte die preußische Verwaltung ihre Tätigkeit voll aufnehmen. Die Übernahme durch Preußen stieß bei der Fürther Bevölkerung auf wenig Gegenliebe, da dadurch die "Fürther Freiheiten" in vielen Bereichen ein Ende hatten. Am 20. Mai 1805 ging die Ära nach nur 14 Jahren zu Ende. Durch einen Dreieckstausch im Vertrag von Schönbrunn ging das Herzogtum Hannover an Preußen, dafür wurde das ehem. Markgraftum Ansbach an das Königreich Bayern abgetreten. Ab dem 1. Januar 1806 gehörte nun Fürth dem Königreich Bayern an.
Auswirkungen
- Für Fürth war die Dreiherrschaft einerseits nicht förderlich, andererseits lernten die Fürther damit zu leben. Sie genossen, nur weil es keine eindeutig geklärte Rechtslage gab, eine eigene Freiheit, die es in anderen Orten nicht gab. So mussten z. B. einige Fürther Bürger, die sich 1544 geweigert hatten, eine Türkensteuer (Kriegssteuer) an Bamberg zu entrichten und festgenommen worden waren, wieder frei gelassen werden, weil im Gegenzug die Ansbacher Regierung bambergische Beamte auf der Cadolzburg festhielt. Der Rechtsstreit zog sich Jahre hin, weil der Gerichtshof wegen den Religionsstreitigkeiten zur Untätigkeit verdammt war. Ein ähnlicher Fall wiederholte sich 1547. Selbst eine Verfügung von Karl V. im Jahr 1549 brachte keine Entscheidung; die Angelegenheit blieb unerledigt.[1]
- Durch die Dreiherrschaft wurde aber auch die Ansiedlung von Juden und die Entwicklung einer eigenen jüdischen Gemeinde begünstigt. Denn zwei der drei Herren (Dompropst und Markgraf) schlugen aus der Ansiedlung und hohem Schutzgeld für die Juden (nur reiche Juden durften sich dauerhaft ansiedeln) Kapital. Außerdem konnten sie dem dritten Herren (Reichstadt Nürnberg) damit sehr reizen.
- Als Nebenprodukt der jahrelangen Prozesse "entstanden Abhandlungen zur Landeshoheit und zum frühmodernen Staatsrecht, die in ihrer Bedeutung der Hochgerichtsbarkeit weit über Fürth hinausreichen. [...]. Die Schriften begleiteten die Fürther Prozesse seit dem frühen 18. Jahrhundert. Sie führten zwangsläufig zu einer Verrechtlichung des Fürther Alltagsgeschehens, und sie waren auch die Triebfeder für eine Quellenkritik, die für die Wissenschaftsgeschichte lange vor der Aufklärungszeit vorbildlich war."[2]
Amtssitze der drei Herrschaften
Die "Amtssitze" der drei Herren in Fürth waren:
- Bambergisches Amtshaus des am Grünen Markt.
- Geleitshaus, als Vertretung des Markgrafen am unteren Grünen Markt.
- Pfarrhof von St. Michael war nur indirekt die Vertretung der Stadt Nürnberg, da Nürnberg seine Herrschaft am Ort vom Landalmosenamt in Nürnberg aus verwaltete.
Ämter und Aufgaben
Die Ämter im Ort Fürth zur Zeit der Dreiherrschaft waren:
- Bürgermeister
- Ächter (Berater der Bürgermeister, hatten auf das Gesamtwohl der Gemeinde Fürth zu achten)
- Vorsteher (Vorsteher-Gemeine als Vorbereiter der Gemeindeversammlung; ab dem Jahre 1700)
- Gerichtsschöffen
- Schutzführer (kümmerten sich um die wichtigen Dokumente in denen die Rechte von Fürth und den 13 zu Fürth gehörnden Orten geregelten waren).
- Steuerhauptleute
Die innere Organisation war relativ demokratisch, die Bewohner die Gemeinderecht hatten waren gleichberechtigt im geringen Rahmen der Gemeinde selbst.
Im Amtshaus trafen sich am 2. Weihnachtsfeiertag die Fürther Bürger, die "ganze Gemein", um ihre Bürgermeister zu wählen: ab 1719 drei aus bambergischem, zwei aus markgräflichem und drei aus nürnbergischem Gebiet.
Diese acht Bürgermeister hatten auch unter der Dreiherrschaft ein gewisse Eigenständigkeit, und "federten" die komplexe Rechtslage für den Alltag in Fürth etwas ab. Ihre Aufgaben erstreckten sich aber nur auf ortseigene Probleme: Schutz und Sicherheit der Bevölkerung im Ort, Kranken- und Armenfürsorge, Straßenbau und -pflege, Pflege des eigenen Ortswaldes als wichtigste Einnahmequelle für den Gesamtort.
Zum Gesamtort Fürth gehörten Fürth und 13 weitere Orte (Hofmark Fürth).
Relikte
Heute erinnern nur noch das Bambergische Amtshaus am Grünen Markt und der Dreiherrschaftbrunnen in der Fußgängerzone an diese Zeit der Dreiherrschaft.
Historische Prozesse
Vor allem das Hochstift Bamberg und die Markgrafen von Brandenburg-Ansbach führten über Jahrhunderte hinweg Prozesse gegeneinander um die Herrschaft in Fürth:
- 1481: Erste umstrittene Steuerforderung durch Bamberg.
- 1542: Weitere umstrittene Steuerforderung durch Bamberg.
- 1544: Weitere umstrittene Steuerforderung durch Bamberg.
- Der erste Prozess geht 1544 von Bamberg aus.
- Der zweite Prozess beginnt 1547 und führt 1549 zu einer Verfügung von Kaiser Karl V.
- Ein dritter Prozess betrifft das Jahr 1719 und führt 1766 zu einem Urteil des Reichskammergerichts.
Literatur
- Heinz Käferlein: Die Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft der Gemeinde Fürth im Jahre 1743. In: Fürther Heimatblätter, 1965/2-3, S.32 - 48
- Wüst, Wolfgang: „Kleeblatt Fürth“. Konsensfindung und Herrschaftsteilung als Herausforderung für die gesellschaftliche Entwicklung vor 1800. In: Fürther Geschichtsblätter, 2,3,4/2007, S.17 - 36
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ In: J.S. Ersch, J.G. Gruber: Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste... Erste Section A-G. Leipzig: Brockhaus. 1849. S. 434. - online-Digitalisat der Universität Göttingen
- ↑ Wolfgang Wüst: „Kleeblatt Fürth“. Konsensfindung und Herrschaftsteilung als Herausforderung für die gesellschaftliche Entwicklung vor 1800. In: Fürther Geschichtsblätter, 2,3,4/2007, S.24f. - online
Weblinks
- Anton Wilhelm Ertl: "Praxis Aurea Von der Niedergerichtbarkeit, Erb-Gericht, vogteylichen Obrigkeit und Hofmarck-Gericht...", Band 1, Nördlingen und Frankfut, 1737. - online-Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek
- "In Facto & Jure bestens gegründete Gegen-Information, Auf Das von dem Hoch-Stifft Bamberg Und Dessen Dom-Probstey Gegen das Hoch-Fürstl. Hauß Brandenburg sub Rubro Pro Informatione distribuirte Impressum, Die von jenem sich anmaßende Reichs-Gesetz- widrige Besetzung Der Gerichtschreiberey-Stelle zu Fürth betreffend", 1749 - als Digitalisat der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen im Internet
- "Sendschreiben An Tit. Herrn Kirchen-Rath S** nach N** : Uber die Frage: Ob der in dem ohnweit Nürnberg liegenden pur Evangelischen Ort Fürth in Diensten stehende Dohm-Probstey Bambergische Amtmann contra annum normalem, statt der deuotionis domesticae ein priuatum Religionis Catholicae exercitium einzuführen befugt etc. etc. etc.", 1752 - als Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek im Internet
- "Geschichts- und Rechts-verläßiger Unterricht, Auch Wahrhafte mit ächten Urkunden durchaus bewährte Prüfung Der Bey dem Publico ohnlängst erschienenen Speciei facti, Jn Betreff Der Hochfürstl. Brandenburg-Onolzbachisch-angeblicher Restitution des Statûs Anni Normativi zu Fürth", 1753 - online-Digitalisat
- "Vorläuffige Anmerckungen [oder] kurze Beleuchtung [eines] unter [der Hand und] in geheim distribuirten Bambergischen Impressi die von diesem [Bißthum] und dessen Dom[-Probstey Denen] Hoch-Fürstl. Brandenburgischen Häusern ... occasione derer in Camera Imperiali seit Anno 1544. wegen der Türcken-Steuer ... ", Onolzbach, 1754 - online-Digitalisat der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt
- "Von denen Palatiis Regiis, Kayserl. Pfaltzen, oder Residenzen, die vormahls in denen Reichs Provinzen gestanden...", 1766 - online-Digitalisat
- "Rechtliches Bedencken Von einer Hochlöbl. Juristen facultaet ... in Sachen der ... Gemeinde zu Marck-Fürth ... ad causam weyland Herrn Weigands jetzo Herrn Adam Friedrich, Bischoffens und Fürsten zu Bamberg ... wider Herren Stadthalter und Räthe Onolzbach,...", 1768 - online-Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek
- "Historisch-diplomatische Abhandlung von denen Landesherrlichen Gerechtsamen des hochfürstlichen Hauses Brandenburg über den Marktflecken Fürth", 1771 - als Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek im Internet
- Christoph Lorber von Störchen: "Die...Landes-Hoheit des Kayserlichen Bist- und Fürstenthums Bamberg über den Mark-Flecken, und das gesammte Amt Fürth...", 1774 - als Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek im Internet
- Johann Stephan Pütter: "Auserlesene Rechts-Fälle aus allen Theilen der in Teutschland üblichen Rechtsgelehrsamkeit...", Göttingen, 1774 - online-Digitalisat
- Das Urkunden-Buch zu der in Akten und Rechten bestgegründeten Ausführung der seit Jahrhunderten zwischen dem Hochstift und der Domprobstey Bamberg dann dem Hochfürstlichen Hauße Brandenburg-Onolzbach über die vogtheyliche Obrigkeit in dem Markt-Flecken und Amte Fürth obgewalteten Differenzien 1785 (Mehrbändiges Werk) - online-Digitalisate der Staatsbibliothek Berlin
- Benignus Pfeufer: "... Abhandlung ... über die Frage: Fürth bey Nürnberg! Bist du Fürstlich Bambergisch? oder Bist du Marggräflich Anspachisch?...", Schwabach, 1786 - im Internet
- Benignus Pfeufer: "Fürth bey Nürnberg! Bist du Fürstlich Bambergisch? oder Bist du Marggräflich Anspachisch? Kein Probleme...", Bamberg, 1786 - als Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek im Internet
- Benignus Pfeufer: "Die durch den F. Brandenburgischen Herrn Hofrath und Gelaitskommissar zu Fürth, Albrecht Ludwig von Denzel bestättigte Wahrheit, daß Fürth bey Nürnberg Fürstlich Bambergisch sey", Bamberg, 1787 - als Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek im Internet