Erntedankfestzug

Der Erntedankfestzug ist der traditionsreiche Kirchweih-Festumzug der St.-Michaelis-Kirchweih. Er findet traditionsgemäß seit den 1950er Jahren am zweiten Kirchweihsonntag (Erntedankfest), dem „Bauernsonntag“ statt.

Erntedank-Krone am Kärwaumzug 2007


Geschichte

 
Der erste Erntedankfestzug 1817; Radierung von Christian Friedrich Fues

Der erste bekannte Erntedankfestzug fand 1817 nach den schweren Missernten von 1815/16[1] als Dank für die gute Ernte statt. Christian Friedrich Fues illustrierte dies und „lieferte ein hübsches illuminiertes Kunstblatt mit Abbildung des Festzuges, wovon in Fürth allein 230 Exemplare abgesetzt wurden“.[2] Auch auf einer Schützenscheibe von 1819 ist das Fues-Motiv des Erntedankfestzug dargestellt. Darauf sind auch die Vertreter der Fürther Geistlichkeit dargestellt, die in späteren Zeiten gerne als der evangelische und katholische Pfarrer und der Rabbiner von Fürth interpretiert wurden, aber als Fürther Narrativ nicht der nachweislichen Überprüfung standhält. Es handelte sich ganz offensichtlich um eine nachträgliche Interpretation der Erntedankzugszene aus der Chronik von Fronmüller. Mit „Geistlichkeit“ waren eher die Michelspfarrer Georg Tobias Christoph I. Fronmüller, Christoph Ernst Gottlieb Link und Georg Michael Ebert gemeint. Die Vertreter der jüdischen Gemeinde wurden separat aufgeführt, wobei es sich dabei um Rabbiner Meschullam Salman Kohn handelte. Einen katholischen Pfarrer gab es zu der Zeit in Fürth noch nicht. Die Kirche „Zu unserer lieben Frau“ wurde erst am 6. Oktober 1829 eingeweiht und der erste röm.-kath. Pfarrer ist mit Theobald Zahnleiter ab 1837 aktenkundig.[3][4].

Die entsprechende Notiz in der Fronmüllerchronik lautet:

Der Zug ging nun unter Abfeuerung von Kanonen mit dem Wagen zur Stadt zurück. Am Eingange derselben wurde er von der Geistlichkeit, den königlichen und städtischen Beamten, sammt den Vorständen der jüdischen Gemeinde empfangen ...[5].

Auch wenn 1817 ein „Erntedankfestzug“ in Fürth durchgeführt wurde, begründete dies zunächst keine Tradition. Dieser Zug fand weder im Herbst noch im Zusammenhang mit der Kärwa statt. Vielmehr geht der heutige Kärwaumzug aus einem reinen Brauereiumzug hervor, der sich erst über hundert Jahre später etablierte und sich solch großer Beliebtheit erfreute, dass er in den 1950er Jahren schließlich auf den zweiten Sonntag („Bauernsonntag“) verlegt und zum „Erntedankfestzug“ ausgebaut wurde.

Route und Mitwirkende

Die Route verläuft stets wie folgt: Ecke Herrnstraße/Schwabacher Straße – Schwabacher Straße – Maxstraße – Friedrichstraße – Rudolf-Breitscheid-Straße – Schwabacher Straße (Fußgängerzone) – Brandenburger Straße – Rathaus – Königstraße – Ufer-/Weiherstraße.

Heute zieht dieser alle Jahre etwa 3.000 Mitwirkende und 100.000 Zuschauer in den Straßen und Plätzen von Fürth in seinen Bann. Im Jubiläumsjahr der Stadt Fürth 2007 waren es etwa über 4.000 Mitwirkende und etwa 150.000 Zuschauer.

Am Ende des Festzuges wird traditionell das Gemüse und Obst, das zu Dekorationszwecken auf den Festwagen mitgeführt wurde, an die Zuschauer zu günstigen Preis verkauft. Dieser Höhepunkt ist für viele Besucher mit eines der wichtigsten Ereignisse des Erntedankfestzuges und es bleibt nur selten Gemüse oder Obst übrig. Der Verkauf findet direkt vom Wagen am Obstmarkt oder in der Ufer- & Weiherstraße bzw. vor dem Kulturforum statt.

Brotübergabe und Prolog

 
Kurt Albert, Bühne Erholung, langjähriger Prologsprecher, Okt. 2014

Beim Erntedankfestzug wird bei Eintreffen am Rathaus alljährlich dem Oberbürgermeister ein frischer Acht-Pfünder-Laib Brot überreicht, es bildet damit traditionell den Höhepunkt des Festzuges. Das Brot wird stets durch den Verein „Bühne Erholung 27 Fürth e. V.“ vorgenommen, die ebenfalls den Prolog vor dem Oberbürgermeister vorlesen. Da in der Regel Kinder den „Acht-Pfünder“ während des Zuges tragen dürfen, wird das Brot vor der Veranstaltung ausgehöhlt damit es leichter zum tragen ist.

Der Prologtext beim Kärwazug nach der Brotübergabe vor der Ehrentribüne lautet:

Willkommen haßt die Stadt heit gern
zichtausend Gäst aus Noah und fern
zur Michaelis-Kärwa Fürth
däi Frankn‘s Königin gnannt wärd.
Däi ganze Stadt durchzäicht a Luft
nach Broatwärscht-Käichli-Karpfenduft
und vieles andere a nu mehr
doch alles zu brobiern-fällt schwer.
Heit hots den Höhebunkt erreicht
denn wo’s der Erntedankzug zeicht
is net blouß dekoriert und bund
sondern hält jung und alt kerngsund
Anbau und Ernte vur der Tür
schätzen die Bauern-und auch wir
und daß a su bleibt, gilt stets zu dankn,
dem lieben Gott und den fleißigen Franken.
Gedichtet von Erika Jahreis

Sonstiges

 
Ministerpräsident Söder, erstmals beim Erntedankfestzug, Okt. 2019

Das Bayerische Fernsehen sendete über ARD erstmals 2015 deutschlandweit live den Erntedankfestzug in Fürth. Seit dem wird der Erntedankfestzug stets live ausgestrahlt, allerdings schwankte die Zeit der Ausstrahlungszeit. Zunächst zeigte das Fernsehen lediglich die ersten 30 Minuten des Festzuges. Dies führte zu Protesten, so dass die Ausstrahlungszeit verlängert wurde auf bis zu 1,5 Stunden.

Nach dem Erntedankzug 2016 kam es zu Beschwerden mehrerer Bürger, da die Türkische Gemeinschaft mit einer Fahne aufgezogen war, die auch als Symbol der rechts-nationalen türkischen Partei Milliyetçi Hareket Partisi (MHP) missverstanden werden konnte. Daraufhin wurden die Fahnen mit den drei Halbmonden verboten.

2019 war erstmals ein Bay. Ministerpräsident während eines Erntedankfestzuges in Fürth mit anwesend. Ministerpräsident Markus Söder fuhr mit dem Oberbürgermeister Dr. Thomas Jung von der Südstadt bis zur Ehrentribüne vor dem Rathaus mit.

2023 wurde der Festzug um eine Woche nach vorne - also auf das Eröffnungswochenende dem 1. Oktober 2023 - verlegt, damit es zu keinen Einschränkungen bei der Durchführung der Landtagswahl 2023 und Bezirkswahlen 2023 am 8. Oktober 2023 kommt.

Lokalberichterstattung

  • Königliches Spektakel. In: Fürther Nachrichten vom 9. Oktober 2011 - online
  • Erntedankfestzug: Aufregung um türkische Fahnen. In: Fürther Nachrichten vom 8. November 2016 - online
  • Gwendolyn Kuhn: Corona-Lethargie statt Festumzug. In: Fürther Nachrichten vom 9. Oktober 2021 (Druckausgabe)

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Das vor allem im Nordosten Amerikas sowie im Westen und Süden Europas ungewöhnlich kalte Jahr 1816 ist als Jahr ohne Sommer in die Geschichte eingegangen. Als Hauptursache wird heute der Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora im April 1815 angesehen. Der Sommer im Jahr 1816 war durch mehrere ungewöhnliche Wetterphänomene gekennzeichnet, für die es damals teilweise keine schlüssige Erklärung gab. Dazu gehörten u. a. Nachtfrostperioden in den USA und Schneefälle in Kanada, ein ungewöhnlich kalter Wetterverlauf in Europa, schwere Unwetter, Überschwemmungen und in höheren Lagen Schneefall in Mitteleuropa das gesamte Jahr hindurch. Diese führten in vielen Regionen zu Missernten sowie Ernteausfällen, woraus sich Lebensmittelknappheit und Hungersnöte ergaben.
  2. Fronmüllerchronik, 1887, S. 228 f.
  3. Vgl. Fronmüllerchronik, 1887, S. 250
  4. Vgl. dazu auch die Auflistung der Fürther Geistlichkeit im Adressbuch von 1819, Seite 45
  5. Fronmüllerchronik, 1887, S. 228 f

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