Die Chorfenster in St. Peter und Paul
- Gebäude
- Die Chorfenster in St. Peter und Paul
- Straße / Hausnr.
- Poppenreuther Straße 141
- Akten-Nr.
- D-5-63-000-1535 zugehörig
- Objekt
- Evangelisch-Lutherische Pfarrkirche St. Peter und Paul
- Baujahr
- 1881 - 1883
- Baustil
- Historismus
- Architekt
- Friedrich Wilhelm Wanderer
- Geokoordinate
- 49° 28' 55.78" N, 11° 0' 55.26" E
- Gebäude besteht
- Ja
- Denkmalstatus besteht
- Ja
Bei der Chorfensterreihe der Poppenreuther Kirche St. Peter und Paul handelt es sich um einen Leben-Jesu-Zyklus, einer bemerkenswerten Arbeit für die 80er Jahre des 19. Jahrhunderts. Entworfen wurden die Fenster von Professor Friedrich Wanderer[1] in den Jahren 1881 bis 1883 und ausgeführt von der Glaswerkstätte Klaus in Nürnberg.
Bevor das Thema „Leben Jesu“ für die Chorfenster festgelegt wurde, gab es Überlegungen zu zwei Evangelistenfenstern. Das verkürzte Fenster an der Chorsüdseite sollte mit einer „Hl-Geist Taube“ ausgestattet werden. Im Pfarrarchiv befinden sich noch die Entwurfszeichnungen für diese Chorfensterplanung.
Themenverteilung der Leben Jesu Reihe ist folgendermaßen:
I. Fenster halblinks im Chor:
- Bild oben: „Taufe Jesu am Jordan“
- Bild unten: „Geburt Christi“
Nachdem 1881 und 1882 alle übrigen Fenster des Leben Jesu Zyklus verwirklicht worden waren, blieb nur noch dieses halblinke, sogenannte Weihnachtsfenster. Bemerkenswerterweise war ausgerechnet das von der Gemeinde am besten einzusehende Fenster bis dahin unbearbeitet geblieben. Nach den finanziellen Kraftanstrengungen der vorhergehenden Jahre 1881 und 1882 schien die endgültige Fertigstellung aus Eigenmitteln nur noch schwer möglich. So beschloss dann der Kirchenvorstand aus den „überflüssigen vasa sacra“ einen kleinen, verzierten und einen größeren, zerbrochenen Kelch zu verkaufen und den „Erlös zum Altar- und Kirchenschmuck“ zu verwenden.[2] In Vorverhandlungen hatte Dr. Justus Brinkmann aus Hamburg, Direktor des Hamburgischen Museums für Kunst und Gewerbe, mit 500 RM das beste Angebot unterbreitet. Nach einer Regierungsentschließung gab das königl. Bezirksamt Fürth am 11. November 1882 grünes Licht für den Verkauf.[2]
Nach dreijähriger Arbeitszeit an dem Gesamtzyklus konnte endlich auch das letzte Fenster vollendet werden. Gewissermaßen als Schlusspunkt der Fensterreihe erhielt das Weihnachtsfenster als einziges eine vollständige Datumsinschrift: „10. November 1883“. Dies war das Jubiläumsdatum des großen Lutherfestes: der 400. Geburtstag von Martin Luther, der im ganzen Deutschen Reich mit großem Aufwand begangen wurde. Die Lutherinterpretation jener Jahre stellte den Reformator als nationale Identifikationsfigur heraus, als Deutsche Persönlichkeit, die auch das Haupt vor dem Papst nicht beugte. Übrigens wurden zum gleichen Lutherfest auch die beiden Scheiben in der sogenannten Ölbergkapelle an der Chorsüdseite erstellt. Sie zeigen die beiden Reformatoren Martin Luther und Philipp Melanchton.
Pfingsten unter dem Stern von Bethlehem
Leider ist die Weihnachtsszene mit jenem historischen Datum (10. November 1883; siehe oben) im Zweiten Weltkrieg bei einem Tieffliegerangriff am 8. März auf 9. März 1943 verloren gegangen. Die Kirche selbst wurde zwar nicht von Bomben getroffen, doch die Druckwellen zerstörten etliche Teile der Fenster bei einem Angriff auf eine nahegelegene Flakstellung. Einstweilen wurden die Lücken durch Furnierholz und Pappe notdürftig geschlossen.[3] In der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde das kürzere Pfingstfenster an die Stelle der ursprünglichen Weihnachtsszene eingesetzt, um zumindest den farblichen Eindruck zu bewahren. Deutlich zu erkennen ist diese Umsetzung an der lila gehaltenen Randbordüre, die im ursprünglichen Weihnachtsfenster nach rot wechselt. Da der Stern das Einzige ist, das noch an die alte Weihnachtsszene erinnert, steht heute im Poppenreuther Fensterzyklus die Pfingstgeschichte unter dem Stern von Bethlehem.
Bei der Renovierung von 1999 wurde die Anordnung aus der Nachkriegszeit letztlich beibehalten. Sie mag zwar ikonographisch unstimmig sein, ist aber selbst schon wieder historisch geworden. Eine Rekonstruktion der Weihnachtsszene war nicht möglich, da sich auch bei einer umfangreichen Archivrecherche keine Anhaltspunkte für das verlorengegangene Weihnachtsbild finden ließen.
Jede mutmaßliche Ergänzung hätte aber eine geschichtsklitternde, kopistische Fälschung werden müssen. Außerdem stand völlig offen, wie sich eine Ergänzung qualitätsmäßig in den Zyklus eingefunden hätte. „Pfingsten unter dem Stern von Bethlehem“ ist so ein Kennzeichen der Poppenreuther „Leben-Jesu“-Fensterreihe geworden.
II. Mittelfenster im Chor: Werke und Leben Christi
- Bild oben: „Jairus Töchterchen“
- Bild unten: „Eines ist Not“ (Marta und Maria)
Die letztgenannten beiden Szenen können durchaus als bemerkenswert eingestuft werden, da sie in vergleichbaren „Leben Jesu“-Zyklen eher selten zu finden sind.
III. Fenster halbrechts im Chor: Passion
- Bild oben: „Kreuzigung“
- Bild unten:„Gethsemane“
IV. Fenster rechts im Chor: Ostern
- Bild oben: „Auferstehung“
- Bild unten: „Begräbnis“
V. Verkürztes Fenster an der Chorsüdwand hinter der Kanzel:
- ursprünglich war hier das Pfingstmotiv mit der „Ausgießung des Hl. Geistes“
- nun ist dieses Bildmotiv umgesetzt in Fenster I. statt des verlorengegangnen Weihnachtsbildes.
Moderner Glasfensterentwurf von Hebräer 13,8
Da auch nach der Chorfensterrenovierung in Poppenreuth von Ende 1998 und bis Mai 1999 die oben beschriebene Umsetzung beibehalten wurde, gab es einen Wettbewerb für die künftige Ausgestaltung des verkürzten Chorfensters auf der Südseite, dem ehemaligen Pfingstfenster. Als Thema für dieses Fenster wurde - gewissermaßen als eine Zusammenfassung des Christuszyklus - mit dem Hebräerbriefvers 13,8 „Jesus Christus gestern, heute und in Ewigkeit derselbe“ gewählt. Dies war zur Jahrtausendwende eine kirchliche Losung und auch der biblische Vers, über den Wilhelm Löhe seine allererste Predigt 1828 in der Kirche zu Poppenreuth hielt.
Nach einem ausgeschriebenen Wettbewerb konnte der Glaskünstler Joachim Dorn mit seiner abstrakt gehaltenen Interpretation des Verses seinen Entwurf verwirklichen. Diese Glasfenstergestaltung wurde bewusst gewählt, um keine Konkurrenzsituation durch eine etwaig figurale Ausgestaltung zu erzeugen.
Dorn gibt die drei Zeitdimensionen (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) aus dem Hebräervers durch verschiedene Elemente wieder.
Das Rechteck unten ist wie die Basis, erinnert von der Form an den Altar und greift mit den rot-weißen Kreisen die Rosen aus den Bordüren der Wandererfenster wieder auf – allerdings modern stilisiert. Die Bordüre bei Wanderer gerät bei Dorn mehr zum Passepartout in opakem Weiß- bzw. Grauton.
Das beherrschende Rechteck in der Mitte des Fensters deutet eine weitere Dimension allein schon durch die unterschiedliche Darstellungsweise an. Der aufmerksame Betrachter vermag ein Gesicht zu erkennen: das dornenbekrönte Antlitz Jesu.
Die dritte Dimension wird durch die transparent-durchscheinenden Teile wiedergegeben. Hier dringt etwas von der Außenwelt ins Innere der Kirche – taucht sie in ein mildes Goldgelb. Diese drei Ebenen finden sich auch in drei Glasschichten wieder, denn Joachim Dorn verwendet für die Farbgebung auch die Schutzverglasung.
Die goldgelbe Farbgebung deutet in besonderer Weise das Thema eines zusammenfassenden Christusfensters und steht damit in Kontrast zu den bunten Wanderer-Fenstern. Einerseits ist Gelb die Farbe des Göttlichen und weist auf die Überwindung des Todes hin. Auch in der Predellaplastik von Heinz Heiber wird der Auferstandene in das Gold des Sieges getaucht. Andererseits ist Gelb auch die Farbe der Verachteten. Das 4. Lateran-Konzil von 1215 beschloss, dass Andersgläubige (besonders Juden) sich durch ihre Kleidung von Christen unterscheiden sollten. Diese Kennzeichnung übernahm in den meisten Ländern Europas ein gelber Fleck aus Stoff, der an der Brust sichtbar getragen werden musste.
Neben dem Ostersieg übernimmt Christus auch diese Rolle in der Passionsliturgie. Das Gottesknechtlied aus Jesaja 53 spricht es an:
„Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm barg; darum haben wir ihn für nichts geachtet.“ (Jesaja 53,3 ff.)
Das Wappenfenster
Als Vorgänger der Poppenreuther Wanderer-Fenster existierten schlichte Glasrautenfenster. Gegen die übermäßig hereinströmende Sonne schützten grüne Vorhänge aus Leinwand, die wohl immer verblichen waren. In dem obersten Teil jeden Fensters war das Wappen einer Nürnberger Patrizierfamilie integriert.[4] Diese Glaswappenscheiben waren schon damals sehr defekt. Sie wurden von Professor Friedrich Wanderer ergänzt und nach der großen Chorfensterumgestaltung zu weiteren Wappen an der Kirchenschiffsüdseite gleich neben der Kanzel mit zugegeben und dort zusammengefasst. Auf diese Weise wurde durch die Umsetzung noch ein sechstes mit Glasmalereien geziertes Fenster als Wappenfenster erzielt. Als oberste Glastafel kam in dieses Wappenfenster eine runde Scheibe mit dem Psalm 27,4 „Eins bitte ich vom Herrn .... zu schauen die schönen Gottesdienste des Herrn und seinen Tempel zu besuchen“.
Im Jahr 2014 wurde dieses Fenster durch zwei ehemalige Wappenscheiben ergänzt, die nur noch als Glasfragmente existierten. Dabei handelt es sich um eine Scheibe der Familie Löffelholz/Baumgärtner, die im 18. Jahrhundert im Herrenhaus zu Steinach residierten und damit Gemeindemitglieder von St. Peter und Paul Poppenreuth waren. Die zweite Scheibe zeigt das Wappen des Patriziers Imhoff von Mörlach, der etwa zur gleichen Zeit als Landalmospfleger für die Kirche in Poppenreuth zuständig war. Beide wieder hergestellten Wappenscheiben wurden zuunterst eingesetzt.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Professor Friedrich Wanderer, am 10.9.1840 in München geboren und ebenda am 7.10.1910 gestorben, war Schüler der Nürnberger Kunstgewerbeschule und wurde sonderlich von August von Kreling beeinflusst. Später war er selbst Professor an der Nürnberger Kunstgewerbeschule. In Nürnberg wurde „keine Kunstfrage behandelt, ohne daß sein Rat eingeholt wurde.“ (Künstlerlexikon Thieme - Becker (Hans Vollmer), Leipzig 1942 - Artikel zu „Friedrich Wanderer“; S. 142) – Die nach seinen Entwürfen und Kartons ausgeführten Glasmalereien sind wichtige Dokumente der alles beherrschenden retrospektiven Richtung (der farbige Karton zum Kaiserfenster in der Nürnberger Lorenzkirche wurde auf der Münchner Kunstausstellung 1879 mit der Goldenen Medaille ausgezeichnet) der 1870er und 80er Jahre; siehe auch Wikipedia
- ↑ 2,0 2,1 Christian Schmidt-Scheer: „Die Chorfenster der Kirche St. Peter und Paul in Poppenreuth“. In: Fürther Heimatblätter 1999/4, Seite 128
- ↑ Vgl. Kirchenvorstandsprotokoll „KV Poppenreuth“ vom 28. März 1943
- ↑ Die Wappen der Holzschuher, Tucher, Löffelholz, Imhof, Grundherr, Tetzel und Führer; siehe Christl. Kunstblatt, 26. Jahrg. Nr. 12; 1.12.1884 - Seite 180
Bilder
Wappen in einem Fenster der Kirche St. Peter und Paul in Poppenreuth vor der Ergänzung