Bücherkonfiskationen 1702, 1712 und 1744

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Mit dem Vorwurf, dass in hebräisch verfassten Büchern der christliche Glaube herabgesetzt und verunglimpft werde, kam es in den Jahren 1702, 1712 und 1744 zu Bücherkonfiskationen in Fürth. Getaufte Juden in ihrem Konvertiteneifer spielten dabei als auslösendes Moment ebenso eine Rolle, wie die Rivalität zwischen der Dompropstei Bamberg und dem Markgrafentum Ansbach sowie zwischen jüdischen Familien, die um den Stand des Hoffaktoren buhlten.[1]

Konfiskation 1702

Der am 10. Juli 1701 getaufte Jude Mordechai ben Mosche[2], der nach seiner Taufe den Namen Philipp Ernst Christfels erhielt[3][4] denunzierte, dass in „vornehmsten jüdischen Häusern“ Fürths sich Bücher mit Schmähungen des christlichen Glaubens befänden.[5][1] Einer von Markgraf Georg Friedrich d. J. eingesetzte Kommission wurden die beschlagnahmten Bücher übergeben. Die Kommission bestand aus Hofrath Schweser, Generalsuperintendent Dr. Christoph Händel und dem Licentiaten Rudolf Martin Meelführer. Sie tagte in Fürth vom 27. März 1702 bis zum 4. April.[6] Bärmann Fränkel trat vor der Kommission als Wortführer der jüdischen Seite gegen Christfels an. Auf die Frage, „ob das Gebet ולמלשינים (und an die Verleumder) gegen getaufte Juden gerichtet sei, antwortete Bärman mit leicht verständlicher, sarkastischer Anspielung auf Christfels: Das Gebet könne allerdings auch auf getaufte Juden bezogen werden, die um die Gunst der Grossen, um des Geldes oder der Weiber willen die jüdische Religion verlassen.[7] In einer Zeit, in der Bücheranklagen gegen Juden üblich wurden hatte die Kommission mit Meelführer einen sachkundigen Orientalisten, der die jüdische Literatur schätzte und damit der jüdischen Sache gewogen war. In einer Privataudienz stattete Meelführer dem Markgrafen am 5. Oktober 1702 Bericht. Die immer bedrohlicher werdenden bayerischen Kriegsereignisse[8] ließen die Bücheranklage in den Hintergrund treten und als der Markgraf Georg Friedrich am 28. März 1703 bei Schmidmühlen tödlich verwundet wurde, hatte der Fürther Bücherprozess sein Ende gefunden.[9] Die Bücher blieben in der Obhut von Meelführer.

Konfiskation 1712

Als im Jahre 1710 Elkan Fränkel, der Hoffaktor von Markgraf Wilhelm Friedrich zum Oberbarnoss ernannt wurde[10] schrieb Christfels an den Markgrafen und erinnerte an die 1702 konfiszierten Bücher. Offensichtlich ahnte Christfels, dass eine umfassende Verschwörung gegen Elkan Fränkel im Gange war. Diesmal wurde die Anklage auf die Aussage des Denunzianten Jischay (Jesaja) Fränkel[11] der nach seiner Taufe Christian Friedrich Christhold hieß, gestützt.[12] Der Inhalt der Denunziation war in etwa identisch mit den Anklagepunkten des späteren Hofratsgutachten:

Aufstellung der konfiszierten Bücher von 1702 uns 1712
  • der Besitz jüdischer Bücher mit Lästerungen gegen das Christentum
  • Übergriffe auf allen Zweigen des Staatslebens
  • beleidigende Äußerungen gegen den Markgrafen
  • verräterische Korrespondenzen
  • sexuelle Vergehungen[13]

Allerdings maßen die Hofräte den Anschuldigungen Christholds nicht soviel Gewicht bei, hielten die Anschuldigungen sogar für weit hergeholt, sodass der Brief von Christfels gerade zur rechten Zeit kam. Der Anklagepunkt der Gotteslästerung wurde als erster aufgegriffen und Elkan Fränkel wurde verhaftet. Elkan wurde sogar beschuldigt, bei der 1702 im Sande verlaufenen Untersuchung seine Hände im Spiel gehabt zu haben.[14] Meelführer musste die seinerzeit beschlagnahmten Bücher herausgeben. Darüber fügte er auch ein Verzeichnis bei. Bei Meelführer selbst wurden in diesem Zusammenhang Briefe an den Rabbiner Hirsch Fränkel entdeckt, die der Untersuchungskommission zu judenfreundlich erschienen. Meelführer wurde des „Fränkelianismus“ bezichtigt, entfloh nach Augsburg, wo er noch im gleichen Jahr katholisch wurde. Nach einiger Zeit kehrte er zwar zum Protestantismus zurück, war aber in unterschiedlichen Streitigkeiten verwickelt, aufgrund derer er sogar gefangen gesetzt wurde.[15]
Elkan Fränkel war nach dem Urteil der Hofräte in allen Anlagepunkten schuldig:

  • er habe gotteslästerliche jüdische Bücher gehabt und daraus gebetet
  • eine Judenbücheruntersuchung[16] hintertrieben
  • Respekt gegenüber dem Markgrafen vermissen lassen
  • absurde und gefährliche Dekrete zur Unterschrift vorgelegt
  • zu Ungunsten des Staates mit Nachbarmächten korrespondiert
  • verdächtige Konversationen mit Frauenzimmern unterhalten[17] etc. p.p.[18]

Der Markgraf erließ daraufhin - gemäß dieses Gutachtens - die Strafe, die am 2. November 1712 vollzogen wurde. Der ehemalige Hofjude, der die ganze Zeit in der Büttelei an die Wand geschlossen gefangen gehalten wurde, musste nun von den Scharfrichtersknechten entkleidet am Markt angebunden an Pfählen verharren, bis er gestäupt wurde, während man sein Buch[19] </ref> zerriss und in den Koth trat.Danach wurde er zu lebenslanger Haft auf die Wülzburg gebracht. Dort starb Elkan Fränkel 1720.[20]

Hirsch Fränkel hatte im Zuge der Hausdurchsuchung wegen seines Bruders Elkan um Rückgabe eines Buches gebeten, die ihm dann zur Selbstanklage geriet. Er wolle damit größeres Unheil vermeiden, weil in dem „Buche Geister- und andere Beschwörungen, auch rabbinischer Segen befindlich“ seien.[21] Nach durchgeführter Untersuchung, die sich lediglich auf den Besitz von abergläubischen und lästerlichen hebräischen Büchern stützte, kam die Kommission zu dem Urteil, „dem Inquisiten perpetuum carcerem anzudictiren“ (dem Verhörten unbegrenzten Gefängnisaufenthalt aufzuerlegen). Hirsch Fränkel kam zeitlebens in ein Schwabacher Gefängnis, wo er um das Jahr 1723 verstarb.[22]


verdrängte Familie Model, sowie der übergetretene Jude Jesaia Fränkel (nach Apostasie: Christhold), sowie einige andere Feinde Elkans[23]

[24]

Konfiskation 1744

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 siehe dazu Barbara Ohm: Geschichte der Juden in Fürth, 2014, S. 73-75
  2. geb. 1671 in Wilhermsdorf
  3. Dies war der Name seines Taufpaten, des regierenden Grafen Philipp Ernst erhielt er Er war verheiratet mit der Tochter eines Garkochs, unterrichtet in rabbinischen und talmudischen Schriften, übernahm Unterweisungen jüdischer Kinder in Fürth, wurde aber u.a. von dem Fürther Diakon Adam Andreas Cnollaeus von seinen Skrupeln gegenüber dem Christentum befreit und in Wilhermsdorf von Pfarrer Wolfgang Andreas Klibhahn getauft wurde.
  4. siehe auch Deutsche Digitale Bibliothek zu Philipp Ernst Christfeld
  5. Bernhard Ziemlich: „Eine Bücherkonfiscation zu Fürth im Jahre 1702“, in: M. Brann und F. Rosenthal:„Gedenkbuch zur Erinnerung an David Kaufmann“, Breslau 1900, S. 461 (V)
  6. ebenda
  7. Bernhard Ziemlich: „Eine Bücherkonfiscation zu Fürth im Jahre 1702“, in: M. Brann und F. Rosenthal:„Gedenkbuch zur Erinnerung an David Kaufmann“, Breslau 1900, S. 463 (VII)
  8. Am 10. September 1702 begann der bayerische Kurfürst Maximilian II. Emanuel mit einem Überfall auf die Reichsstadt Ulm den „bayerisch-deutschen Krieg“ gegen das Reich.
  9. Bernhard Ziemlich: „Eine Bücherkonfiscation zu Fürth im Jahre 1702“, in: M. Brann und F. Rosenthal:„Gedenkbuch zur Erinnerung an David Kaufmann“, Breslau 1900, S. 465 (IX)
  10. Salomon Hänle gibt das Jahr 1708 an (siehe: S. Hänle: „Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstenthum Ansbach, S. 75); Elkan Fränkel gibt in seinem Verhör dagegen 1710 an (siehe Bernhard Ziemlich: „Eine Bücherkonfiscation zu Fürth im Jahre 1702“, in: M. Brann und F. Rosenthal:„Gedenkbuch zur Erinnerung an David Kaufmann“, Breslau 1900, S. 466 (X), Fußnote 1
  11. Jischay war sogar ein Verwandter von Elkan und Hirsch Fränkel
  12. zur Person des Christian Freidrich Christhold siehe Magnus Weinberg: „Der Konvertit Friedrich Christian Christhold“, in: „Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums“, 1906, Heft 1, S. 94-99
  13. S. Hänle: „Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstenthum Ansbach, S. 76
  14. Bernhard Ziemlich: „Eine Bücherkonfiscation zu Fürth im Jahre 1702“, in: M. Brann und F. Rosenthal:„Gedenkbuch zur Erinnerung an David Kaufmann“, Breslau 1900, S. 467 (XI)
  15. S. Hänle: „Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstenthum Ansbach, S. 86
  16. nämlich die von 1702
  17. dies soll darin bestanden haben, dass er die Nichte des Markgrafen umarmt habe
  18. S. Hänle: „Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstenthum Ansbach, S. 77 f
  19. ein „unflätiges und abergläubisches Buch“; S. Hänle, S. 83
  20. S. Hänle, S. 82
  21. S. Hänle, S. 83
  22. S. Hänle, S. 84
  23. dabei ist besonders die Markgräfin und Regierungsrat Appold zu nennen; siehe S. Hänle: „Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstenthum Ansbach, S. 75 und 76
  24. Bernhard Ziemlich: „Eine Bücherconfiscation zu Fürth im Jahre 1702. Zur Abwehr“, in: „Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums“ , Jahrg. 46, Heft 1/2 (Januar/Februar 1902), S. 88-93

Siehe auch


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