Spiegelfabriken

Aus FürthWiki
Mit Spiegeln beladenes Pferdegespann

Die Spiegelherstellung und -verarbeitung war und ist noch heute ein sehr wichtiges Gewerbe in Fürth. Fürth war die Stadt der Spiegel.

Im Volksmund werden die Fürther deshalb manchmal heute noch "Glasschleifer" genannt. Auch das "Glasscherbenviertel", in dem vor allem die Arbeiter der Hofspiegelfabrik N. Wiederer & Co. wohnten, erinnert noch an die Bedeutung der Spiegelherstellung in Fürth.

Seit 2007 steht ein neun Meter hohe Spiegelsäule in der Konrad-Adenauer-Anlage in Erinnerung an die traditionsreiche Fürther Spiegelindustrie.

Geschichte

Die erste Nachricht über die "Spiegelmacherei in Fürth" dürfte wohl folgendes Gedicht von Jakob Feßlein, Meistersänger von Dinkelsbühl, aus dem Jahre 1604 sein:

"Auch hat´s der Spiegelmacher zween, Dieselben kann ich nicht umgehen, Die seyn fleißig in ihren Sachen, Und thun schon Fewerspiegel machen."[1]

Der Anfang der eigentlichen Spiegelmanufaktur liegt aber im 18. Jahrhundert. Eine recht frühe Beschreibung einer Spiegelfabrik in Fürth stammt von Leopold Krug aus dem Jahr 1796 und bezieht sich auf das Jahr 1791: Hier wird z. B. beschrieben, dass die "Waaren dieser Spiegelfabrik kursiren alle unter Nürnbergscher Firma, obgleich in Nürnberg gar keine dergleichen Fabrik ist" und dass ein "Spiegel muß durch 12 Werkstätte gehn, ehe er fertig wird..."[2][3]

Im frühen Zeitalter der Spiegelindustrie waren also zahlreiche Gewerbe an der Spiegelherstellung oder Spiegelmanufaktur beteiligt: Vor allem natürlich Spiegelglasfabriken, Spiegelfabriken und Spiegelschreiner; aber, wie folgende Aufstellung aus dem Jahre 1857[4] zeigt, auch noch viele andere: Spiegelglasfabriken (7), Spiegelbeleg- und Facettierfabrik (1), Spiegelbeleger und Facettierer (35), Schreinerwerkstätten, wovon jedoch nur ein Teil auf Spiegeleinfassung arbeitet (212), Vergolder (14), Feld- und Taschenspiegelfabrikanten (2), Feld- und Taschenspiegelmacher (27), Papierfärber (18), Goldpapiermacher (18), Lahnbortenmacher (13), Spiegelroller (13), Spiegelglas-Großhandlungen (12), Spiegelglashandlungen (20). Dazu 5 Werkstätten, welche Spiegel mit Metallfassung liefern, circa 40 – 50 Familien, welche sich mit dem Überziehen der Schubladen- und Feldspiegel befassen, sowie zahlreiche Versandhandlungen.

Alleine mit dem Belegen und Einfassen/Rahmen der Spiegel waren im Jahre 1857 über 1400 Personen beschäftigt. Dazu kamen noch Händler, auswärtig Beschäftigte (z. B. in den Schleifwerken) usw.[5]
Während im 18. Jahrhundert noch Nürnberg Mittelpunkt des Tafel- sowie Spiegelglashandels und Spiegelgeschäftes war, übernahmen an der Wende zum 19. Jahrhundert Fürther Kaufleute diese Position.[6]

Die Spiegelherstellung im 18. und frühen 19. Jahrhundert erfolgte zunächst meist nicht in Fabriken im herkömmlichen Sinn, sondern in Heimarbeit, die folgendermaßen organisiert war: Der "Spiegelfabrikant" war ein Unternehmer, der die rohen Gläser bei z. B. böhmischen Glashütten kaufte, sie von den Schleifmühlen in der Umgebung schleifen und polieren ließ und sie dann zu den Arbeitern nach Hause lieferte. Dort wurden die Gläser von der ganzen Familie mit dem Quecksilber und der Zinnfolie belegt.[7] Die nötigen Zinnfolien wurden u. a. von der Fürther Firma Morgenstern geliefert und für das anschließende Rahmen "gab es in Fürth das eigenständige Berufsbild des Spiegelschreiners".[8] Erst nach und nach haben die Glasfabrikanten eigene Belegen und damit Spiegelfabriken i. e. S. etabliert. 1886 gab es dann bereits 26 fabrikmäßig organisierte Belegen.[9] Während zu Beginn der Spiegelindustrie jeder Beleger also noch selbstständig war und seine Spiegel stückweise selbst abrechnete (was zu einem einigermaßen guten Verdienst führte), kam es nach und nach zu einem Konzentrationsprozess: In Großbetrieben arbeitete der Belegmeister nicht mehr selbst als Beleger, sondern als Aufseher mit recht gutem Verdienst. Der einfache Beleger erhielt - trotz der Gesundheitsgefahren - nur noch einen schlechten Wochenlohn.[10]


Die Blütezeit der Spiegelherstellung war im ausgehenden 19. Jahrhundert. Im Adressbuch von 1891 wurden ganze 78 Spiegel- oder Spiegelnebenprodukte herstellende Firmen gelistet. "Im Adressbuch von 1895 werden [...] außerdem etwa 40 Rahmenhersteller sowie zehn Firmen, die sich mit dem Belegen der Gläser befasst haben [...]", genannt.[11]

Etliche Firmen expandierten: Im Jahre 1872 erbaute z. B. der Glasunternehmer Winkler in Windischeschenbach eine eigene Glashütte. "1893 verlegte die Firma auch ihre Silberspiegelfabrik dorthin, beließ aber den Firmensitz in Fürth. 1882 errichteten Krailsheimer und Miederer aus Fürth eine Glasfabrik in Mitterteich."[12] 1887 errichtete die Firma Seligman Bendit & Söhne eine Glashütte in Marktredwitz.

"Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts aufkommende technisch-innovatorische, wettbewerbliche und politische Veränderungen brachten dann Verwerfungen für die überkommenen Geschäftsmodelle. Diese führten zu einem schleichenden Niedergang der Branche in Bayern und damit in Fürth."[13]

Herstellung der Spiegel

  • Ursprünglich wurden "Quecksilberspiegel" hergestellt: Dafür übergoss man eine auf dem Belegtisch ausgebreitete dünne Zinnfolie mit Quecksilber, verstreicht dieses vorsichtig "zuerst mit einem Hasenfuß, dann mit einer Rolle von Flanell"[14] und legte darauf die Glasplatte. Aus den beiden Metallen entstand eine stabile und fest haftende Quecksilberlegierung, ein Amalgam. Überschüssiges Quecksilber floss nach den Seiten hin über Rinnen ab, wurde aufgefangen und wiederverwendet. Allerdings ist Quecksilber hochgiftig und führte bei den Arbeitern und Arbeiterinnen zu häufigen Erkrankungen und einer hohen Sterblichkeit. So schrieb das Polytechnische Journal bereits 1860: "Wenn man die bejammernswürdigen Gestalten der zahlreichen Arbeiter und ihrer Familien in Fürth und der Umgegend von Nürnberg gesehen hat, die ihre Gesundheit durch das gewöhnliche Belegverfahren der Spiegelgläser mit Quecksilber eingebüßt haben und die einem frühen Tode oder hülflosen Alter entgegensiechen, so wird man von Mitleiden ergriffen."[7] Daher kam es bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zu immer mehr Einschränkungen und schließlich zur völligen Aufgabe der Quecksilber-Methode.
  • In der Zwischenzeit hatte der deutsche Chemiker Justus von Liebig eine neue Methode der Spiegelherstellung entdeckt: Er fand heraus, dass sich beim Vermischen von Aldehyd und Silbernitrat eine Silberschicht an der Glaswand abscheidet. So konnten in der Folgezeit "Silberspiegel" hergestellt werden.

Belegen

Im Jahre 1791 gab es 22 Glasbeleger.[2][15]

Im Adressbuch von 1819 werden als Belger aufgezählt: Georg Adam Rößler (Markgrafengasse 336), Johann Michael Körber (Markgrafengasse 339), Salomon Ludwig Fick (Haus Nr. 393).

1857 gab es in Fürth 38 Belegen, also Firmen, die das Quecksilberamalgam auf die Glasplatten aufbrachten. In diesen Firmen gab es insgesamt ca. 110 Belegtische und 220 Arbeiter.[16] 12 dieser Belegen gehörten Fürther Glasfabrikanten und zwar: J. Bach, Bendit und Söhne, Berlin und Ehrmann, M. J. Büchenbacher, Fleischmann, A. Frankenthal, L. H. Gostorffers Erben, L. Heilbronn, J. Offenbacher, J. Lehmann, K. Weinschenk, J. G. L. Winkler,

Weitere Belegen:

  • Spiegelbelege-Anstalt Capelle & Gaetschenberger

Bekannte Fürther Spiegel- und Glas-Fabriken (Auswahl)

Rechnung der Firma Simon Baer, 1903
Rechnung der Firma L. Haas, 1903
Katalog der Deutschen Glas- und Spiegelfabriken A.G., um 1920
Historische Werbemarke der Vereinigten Spiegelfabriken
Historische Werbemarke der Vereinigten Spiegelfabriken

Im Adressbuch von 1819 sind als Spiegelfabrikanten aufgezählt:

  • Erhard Hund, Schrotgasse 57
  • Heinrich Strobel, Auf der Helmplatte Haus Nr. 161
  • Daniel Winter, Auf dem Koppenhof Haus Nr. 167 und 168
  • Johann Georg Riegel, Gemeinde-Bevollmächtigter, Am Helmplattengäßlein Haus Nr. 170
  • Johann Konrad Floth, Altneugasse Haus Nr. 413
  • Johann Friedrich Langs Witwe, Altneugasse Haus Nr. 414
  • Konrad Schaller, Magistratsrat

Weitere:

Literatur

  • Kilian, Georg: Einiges über Glas und Tafelglas. In: Fürther Heimatblätter, 1961/4, S. 167 - 176
  • Müller, Bernhard: Aus der Geschichte der bayerischen Glasindustrie. In: Fürther Heimatblätter, 1961/4, S. 177 - 182
  • „Ordnung und Articul denen Glaßer Meistern in dem Marckh-Flecken u. Ambt Fürth ertheilt den 3. Februar Anno 1727“. In: Fürther Heimatblätter, 1961/4, S. 183 - 187
  • Spiegel. In: Adolf Schwammberger: Fürth von A bis Z. Ein Geschichtslexikon. Fürth: Selbstverlag der Stadt Fürth, 1968, S. 342
  • Gilbert Krapf: Spiegelglas für Fürth. In: Fürther Geschichtsblätter, 1/2006, S. 2 - 25
  • Michael Müller: Seligman Bendit & Söhne. Spiegelglas- und Fensterglas-Fabriken. In: Fürther Geschichtsblätter, 2/2006, S. 51 - 75 und 3/2006, S. 91 - 112

Lokalberichterstattung

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Aus: Bruno Schönlank: Die Fürther Quecksilber-Spiegelbelegen und ihre Arbeiter. Wirtschaftsgeschichtliche Untersuchungen. 1887. S. 154 - online-Digitalisat
  2. 2,0 2,1 Leopold Krug: "Topographisch-Statistisch-Geographisches Wörterbuch der sämmtlichen preußischen Staaten oder Beschreibung aller Provinzen, Kreise, Distrikte, Städte, Aemter, Flecken, Dörfer, Vorwerke, Flüsse, Seen, Berge ... in den preußischen Staaten" Halle, 1796, S. 250 - online-Digitalisat der Universität Greifswald
  3. Johann Michael Füssel: "Unser Tagbuch: oder, Erfahrungen und Bemerkungen eines Hofmeisters und seiner Zöglinge auf einer Reise durch einen grossen Theil des Fränkischen Kreises nach Carlsbad und durch Bayern und Passau nach Linz", Band 3, Palm, 1791, S. 18 - online-Digitalisat
  4. J. K. Beeg: Die Fürther Spiegelmanufaktur. In: Jahresbericht der Königlichen Gewerb- und Handelsschule zu Fürth in Mittelfranken, 1856/57, S. 15 - online-Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek
  5. J. K. Beeg: Die Fürther Spiegelmanufaktur. In: Jahresbericht der Königlichen Gewerb- und Handelsschule zu Fürth in Mittelfranken, 1856/57, S. 20 - online-Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek
  6. Michael Müller: Die Marktredwitzer Glashütte der Firma Seligman Bendit & Söhne, S. 12 - zur pdf-Datei
  7. 7,0 7,1 Ueber die Silberspiegelfabrication. In: Polytechnisches Journal 1860, Band 157, Nr. L. (S. 205 – 212) - zum online-Digitalisat
  8. Gilbert Krapf: Spiegelglas für Fürth. In: Fürther Geschichtsblätter, Nr. 1/2006, S. 5 - zur pdf-Datei
  9. Philipp Berlin: Die Bayerische Spiegelglasindustrie., 1909, S. 31 zum online-Digitalisat
  10. Philipp Berlin: Die Bayerische Spiegelglasindustrie., 1909, S. 111 zum online-Digitalisat
  11. Gilbert Krapf: Spiegelglas für Fürth. In: Fürther Geschichtsblätter, Nr. 1/2006, S. 3 - zur pdf-Datei
  12. Gilbert Krapf: Spiegelglas für Fürth. In: Fürther Geschichtsblätter, Nr. 1/2006, S. 8 - zur pdf-Datei
  13. Michael Müller: Die Marktredwitzer Glashütte der Firma Seligman Bendit & Söhne - zur pdf-Datei
  14. J. K. Beeg: Die Fürther Spiegelmanufaktur. In: Jahresbericht der Königlichen Gewerb- und Handelsschule zu Fürth in Mittelfranken, 1856/57 - zum online-Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek
  15. Johann Michael Füssel: "Unser Tagbuch: oder, Erfahrungen und Bemerkungen eines Hofmeisters und seiner Zöglinge auf einer Reise durch einen grossen Theil des Fränkischen Kreises nach Carlsbad und durch Bayern und Passau nach Linz", Band 3, Palm, 1791, S. 16 - online-Digitalisat
  16. J. K. Beeg: Die Fürther Spiegelmanufaktur. In: Jahresbericht der Königlichen Gewerb- und Handelsschule zu Fürth in Mittelfranken, 1856/57, S. 18 - online-Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek

Weblinks

  • o.N.: Ueber die Silberspiegelfabrication. In: Polytechnisches Journal 1860, Band 157, Nr. L. (S. 205 – 212) - zum online-Digitalisat
  • Gilbert Krapf: Spiegelglas für Fürth. Glashütten, Schleif- und Polierwerke im 18. und 19. Jahrhundert In: Fürther Geschichtsblätter, Nr. 1/2006 - zur pdf-Datei
  • Michael Müller: Die Marktredwitzer Glashütte der Firma Seligman Bendit & Söhne - zur pdf-Datei
  • J. K. Beeg: Die Fürther Spiegelmanufaktur. In: Jahresbericht der Königlichen Gewerb- und Handelsschule zu Fürth in Mittelfranken, 1856/57 - zum online-Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek (genaueste Beschreibung der Spiegelglas- und Spiegelherstellung)