Benno Strauß
- Namenszusatz
- Prof. Dr.
- Vorname
- Benno Baruch
- Nachname
- Strauß
- Geschlecht
- männlich
- Geburtsdatum
- 30. Januar 1873
- Geburtsort
- Fürth
- Todesdatum
- 27. September 1944
- Todesort
- Verwohle
- Beruf
- Metallurg
- Religion
- jüdisch
Person | Verwandtschaftsgrad |
---|---|
Babette Strauß, geb. Löwenhaar | Mutter |
Edelgard Strauß | Tochter |
Emma Strauß | Schwester |
Frieda Strauß | Schwester |
Gretrud Strauß, geb. Finkendey | 2. Ehefrau |
Ingeborg Strauß | Tochter |
Isidor Israel Strauß | Bruder |
Klara Strauß | Schwester |
Kurt Strauß | Sohn |
Lina Strauß | Schwester |
Nanny Strauß | Schwester |
Nathan Strauß | Vater |
Pauline Strauß, geb. Fridberg | 1. Ehefrau |
Rosa Strauß | Schwester |
Sophie Strauß | Schwester |
Prof. Dr. phil. Benno Baruch Strauß (geb. 30. Januar 1873 in Fürth, gest. 27. September 1944 in Verwohle[1]), war ein jüdischer Metallurg und Physiker. Er erfand 1912 mit der „Versuchsschmelze 2 Austenit“ (Abkürzung: V2A) den nichtrostenden Edelstahl Nirosta durch Zugabe von Chrom und Nickel.
Leben und Wirken
Strauß kommt in einer kinderreichen Familie am 30. Januar 1873 in Fürth auf die Welt. Die Eltern - Nathan (gest. 29. August 1899) und Babette Strauß (gest. 20. April 1917) - hatten insgesamt sieben Kinder auf die Welt gebracht. Benno Strauß war der einzige Sohn neben sechs Töchtern in der Familie.[2] Der Vater war aus einer streng orthodoxen Region in Oberlauringen in Unterfranken nach Fürth gekommen, war selbst aber offensichtlich dem jüdischen Glauben gegenüber sehr liberal eingestellt. Die Bürgerrechte der Stadt Fürth erhielt Strauß am 6. November 1856. Nathan Strauß heiratete bereits ein halbes Jahr später, am 12. Mai 1857, Babette Löwenhaar - Benno Strauß' Mutter. Die Familie wohnte zunächst in der heutigen Rudolf-Breitscheid-Straße 29 b (damals Weinstraße) bzw. ab dem 1. Mai 1881 in der heutigen Gustav-Schickedanz-Straße 1, der damaligen Peterstraße. Nathan Strauß war Inhaber der Großhandelsfirma "N. Strauß jr. Weiss- und Wollwaren en gros".
Benno Strauß ging ab 1878 in die Volksschule in der Hirschenstraße, anschließend wechselte er in die Lateinschule. Nach dem erfolgreichen Abschluss wechselte Strauß erneut die Schule und besuchte das weiterführende Realgymnasium in Nürnberg, wo er 1891 im Alter von 18 Jahren das Abitur ablegte. Nach dem Abitur entschied sich Strauß für ein Studium an der Technischen Hochschule in München. Nach zwei Jahren wechselte er die Hochschule und ging 1893 nach Zürich an das Eidgenössische Polytechnikum. 1896 beendete Strauß sein Studium in Zürich und ging zur Fa. Krupp in die erst ein Jahr zuvor gegründete Physikalische Abteilung.
Strauß heiratete am 24. Oktober 1907 in Essen-Bredeny die Jüdin Pauline Fridberg, die aus einer hoch angesehenen Medizinaldirektoren-Familie stammte. Drei Jahre zuvor, am 13. Oktober 1904, hatte Strauß in Essen eine Villa gekauft, in der er nun mit seiner Frau einzog. Die Villa bot viel Platz, die Familie wohnte mit Dienstpersonal großbürgerlich und oft zurückgezogen in dem Wohnviertel. Neben dem Dienstpersonal beschäftigte Strauß auch einen Chauffeur für seinen noblen Maybach und Cabriolet der Automarke Wanderer. Am 20. September 1908 bekam die junge Familie den Sohn Kurt, der nach Abschluss der Schule und dem Abitur 1926 das Studium der Chemie an der Universität Bonn begann. Allerdings konnte Kurt Strauß aus gesundheitlichen Gründen das Studium nicht beenden. Er erkrankte schwer und starb am 18. August 1929 in Davos im Alter von 21 Jahren. Auch die Ehefrau Pauline erkrankte schwer und verstarb bereits fünf Jahre zuvor am 19. Februar 1924 an einer schweren Lungenerkrankung. Trotz des Verlustes seiner ersten Ehefrau heiratete Benno Strauß bereits ein Jahr später die Nicht-Jüdin Gertrud Finkendey am 15. März 1925. Strauß hatte Finkendey (1894 - 1982) im eigenen Haus kennen gelernt, da diese als Krankenschwester die inzwischen verstorbene erste Ehefrau im Haus mit pflegte. Noch im gleichen Jahr kam am 8. September 1925 die Tochter Ingeborg auf die Welt. Fünf Jahre später kam erneut eine Tochter auf die Welt, Edelgard Strauß (geb. 22. August 1930).
Strauß hielt lange an seinem jüdischen Glauben fest, auch wenn die sozialen Hürden an Universitäten und die Diskriminierung der Juden alltäglich war. Dennoch war für ihn ein Konfessionswechsel aus Karriere-Gesichtspunkten ausgeschlossen. 1896 schrieb er in einem Brief an seinen künftigen Vorgesetzten bei der Firma Krupp: "Infolge meiner Abneigung gegen jedes dogmatische Glaubensbekenntnis habe ich es schon früher einmal abgelehnt, zur christlichen Kirche überzutreten, da ich dies als gewissenlos erachte, wenn es nur aus pekuniären oder gesellschaftlichen Rücksichten erfolgt."[3]
Entgegen seiner früheren Einstellung ließ sich Strauß am 17. Dezember 1917, der aus einer jüdischen Familie kam, in Wiesbaden evangelisch taufen und konvertierte somit die Glaubensgemeinschaft. Ein Grund für diese Konversion ist nicht bekannt. Das Datum der Konversion lässt zumindest darauf deuten, dass er den Religionswechsel erst nach dem Tod seiner Mutter im April 1917 vornahm.
Berufliches Wirken
Bei der Firma Krupp beschäftigte sich Strauß ab 1896 überwiegend mit der Entwicklung legierter Stahlsorten. Bereits 1899 arbeitete Strauß als Abteilungsleiter bei der Essener Firma. Der Firmeninhaber Alfred Krupp schlug Strauß vor, mit dem Legierungszusatz Nickel zu experimentieren bzw. Chrom dem Metall zuzufügen. Zusätzlich beschäftigte sich Strauß mit der Entwicklung von Messgeräten zur Überwachung der Temperaturen in Schmelzöfen. Nach über 20-jähriger Forschung konnte Strauß im Spätsommer 1912 seinem Vorgesetzten berichten, dass "wir ... die Formel zur Entwicklung von nichtrostenden Stählen, die gegen Wasser und Korrosion unempfindlich sind, gefunden..." haben.[4] Mit der Entwicklung des Stahls mit der Bezeichnung NIROSTA (rostfreier Stahl) ermöglichte er der Fa. Krupp den kometenhaften Aufstieg in der Rüstungsindustrie - gerade im Hinblick auf die nun kommenden Weltkriege. Ab Juli 1922 wurde Strauß zusätzlich zum Leiter des chemischen Laboratoriums ernannt, und bereits zwei Jahre später, 1924, wurden Strauß zusätzlich die Probieranstalten und die Abnahmezentrale unterstellt. Damit war Strauß Leiter aller Prüfinstanzen und Versuchsanstalten der Essener Krupp-Werke und galt als Spitzenverdiener unter den 30 höchsten Führungspersonen am Essener Stammwerk.
Strauß lehrte ab März 1920 als Dozent für "Metallurgie und Metallographie des Eisens" an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Die letzte Lesung von ihm wird im Wintersemester 1932/33 angezeigt.
Verfolgung in der NS-Zeit
Auf Grund seiner jüdischen Abstammung wurde Benno Strauß am 1. Januar 1935 bei der Firma Krupp gekündigt - trotz seiner hohen Stellung, der Reputation und der Verdienste für die Firma Krupp, deren Aufstieg ohne Strauß' Leistungen nicht denkbar gewesen wäre. Der Abteilungsdirektor Adolf Fry mit besten Verbindungen zur NSDAP, der bei der Firma Krupp ähnlich erfolgreich war, ebenfalls schnell Karriere gemacht hatte und einen ebenbürtigen Posten bekleidete, schwärzte Strauß an. Durch die Denunziation versuchte Fry, seinen Konkurrenten bei der Firma Krupp auszustechen - und so sagte Fry im Rahmen einer 25-Jahr-Feier zum Bestehen der Forschungsanstalten über Strauß: "man könne aus der Abendfeier keine "Judenfeier" machen, und ein Jude könne nicht zugegen sein, wenn ein Hitlerbild enthüllt würde."[5] Die Geschäftsleitung schritt zunächst nicht gegen die Aktivitäten Frys ein, als dieser jedoch weitere denunziatorische Aktivtäten gegen Strauß durchführte, kündigte die Firma Krupp Fry zum 29. September 1934 fristlos. Dies half Strauß nur für kurze Zeit, denn der Druck durch die NSDAP auf die Geschäftsleitung wuchs zunehmend, so dass Strauß im Alter von 61 Jahren am 31. Dezember 1934 vorzeitig in den Ruhestand geschickt wurde. Die Firma Krupp sah sich zumindest noch Benno Strauß gegenüber moralisch verpflichtet und zahlte ihm sein volles Gehalt weiter bis zum eigentlichen Vertragsende seines Arbeitsvertrages am 30. Juni 1936, sowie jährlich anfallende Lizenzgebühren für seine Patente. Ebenfalls wurde für ihn eine kleine würdige Abschiedsfeier abgehalten.[6]
Bereits 1933 wurde die Lehrtätigkeit Strauß´ an der Universität Münster beendet, da nach der Machtergreifung Hitlers das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" die Lehrtätigkeit jüdischer Lehrkräfte untersagte. Erschwerend kam hinzu, dass ein ehem. Mitarbeiter von ihm - Eduard Maurer - sich an Strauß rächte und ihn als Jude denunzierte. Durch die Nürnberger Rassegesetze im September 1935 verlor Strauß endgültig seine Professur und sah sich zunehmend einer Diskriminierung und Entrechtung ausgesetzt.
Nach dem 9. November 1938 - der sog. Reichspogromnacht - kam Benno Strauß eine Woche in Schutzhaft. In einem Gestapo-Aktenvermerk wird Strauß als "alt, krank und gebrechlich" beschrieben.[6] Sein Vermögen von 127.000 Reichsmark wurde sukzessive eingezogen. Eine Emigration lehnte Strauß lange Zeit ab, obwohl er "zutiefst darunter [litt], dass er seine Arbeit, die ihm Lebensinhalt war, nicht mehr ausüben konnte und das er von jenen, die ihm einst ihre Freundschaft bekundet hatten, nun geschnitten wurde." Trotz der Untersuchungshaft entschied sich Strauß zunächst weiterhin in Deutschland zu bleiben, erst spät entschied er sich eine Professur in den USA anzunehmen, allerdings war es dann zu spät für ihn. Seine Entscheidung zur Emigration fiel mit dem Kriegsbeginn am 1. September 1939 zusammen und zwang Strauß in Deutschland zu bleiben - eine Ausreise war regulär nicht mehr möglich.
Strauß konnte sich trotz seiner jüdischen Abstammung noch bis September 1944 in Essen halten, da er in einer sog. "privilegierten Mischehe" lebte. Im September 1944 half auch dies nichts mehr, so dass er am 18. September 1944 zusammen mit 70 anderen Juden aus dem Raum Köln, Düsseldorf und Essen, die alle ebenfalls in sog. Mischehen lebten, zur Zwangsarbeit ins KZ Theresienstadt deportiert werden sollte. Allerdings überlebte Strauß den Transport in das KZ nicht mehr. Bei einem Zwischenhalt im Arbeitslager Vorwohle bei Holzminden wurden die Gefangenen in einem Rinderstall untergebracht. Strauß´ Ehefrau und einige andere Ehefrauen waren dem Transport gefolgt und nahmen sich im örtlichen Gasthaus einige Zimmer. Der Großteil der Gefangenen wurde in den folgenden Tagen in das nahe gelegene Arbeitslager "Schwarzes Land" (Lenner Lager) gebracht, von wo sie weiter nach Berlin abtransportiert wurden. Die noch im Rinderstall verbliebenen Gefangenen sollten wenig später in das KZ Theresienstadt deportiert werden; da Strauß jedoch an einer Lungenentzündung litt, gewährte man dem inzwischen 71-Jährigen den Aufenthalt bei seiner Frau in einem Gebäude gegenüber vom Rinderstall. Am 27. September 1944 - also nicht ganz zwei Wochen nach der Deportation Strauß´ aus seiner zweiten Heimat Essen - verstarb Strauß an den Folgen einer Lungenentzündung.[7]
1964 wurden seine sterblichen Überreste auf den Friedhof Bredeney in Essen überführt.
Auszeichnungen
Auf Vorschlag der Firmenleitung wurde am 25. Juli 1912 Benno Strauß im Rahmen der Hundertjahrfeier der Firma Krupp vom Königlich-Preußischen Kulturministerium das "Prädikat Professor" verliehen.[8]
1927 wurde ihm die "Goldene-Bunsen-Denkmünze" der Deutschen Bunsen-Gesellschaft verliehen, eine der prestigträchtigsten deutschen Auszeichnungen für Naturwissenschaftler. Auch international feierte man Benno Strauß; so erhielt er 1931 vom Franklin-Institut in Philadelphia die "Howard N. Potts Medal".
Ihm zu Ehren ist die Benno-Strauß-Straße im Gewerbepark Süd in Weikershof benannt. Die Stadt Essen hat ebenfalls eine Straße nach Benno Strauß benannt. Seit 2012 wird im Gewerbehof complex (Benno-Strauß-Straße 5) mittels einer Edelstahlplatte an Strauß erinnert.
Literatur
- Fritz Pudor: Benno Strauß, in: Nekrologe aus dem Rheinisch-Westfälischen Industriegebiet Jahrgang 1939 - 1951. August Bagel, Düsseldorf 1955, S. 97
- Hermann Schröter: Professor Benno Strauss, Abteilungsdirektor der Firma Fried. Krupp und Erfinder des Nirosta-Stahls, in: Hermann Schröter (Hrsg.): Geschichte und Schicksal der Essener Juden : Gedenkbuch für die jüdischen Mitbürger der Stadt Essen. Essen : Stadt Essen, 1980, S. 280 – 282
- Gisela Möllenhoff, Rita Schlautmann-Overmeyer: Jüdische Familien in Münster 1918 bis 1945. Biographisches Lexikon. 1. Auflage. Westfälisches Dampfboot, Münster (Westfalen) 1995
- Detlef Creydt: Professor Benno Strauß aus Essen, in: ders. (Hrsg.): Zwangsarbeit, Bd. 4: Für Industrie und Rüstung im Hils 1943 - 1945, Holzminden 2001
- Ralf Stemmel: Benno Strauß, Skizze eines Forscherlebens, in: 100 Jahre nichtrostender Stahl. Historisches und Aktuelles. Hrsg.: Manfred Rasch. Klartext-Verlag, Essen 2012, S. 37 – 64
- Erwin Dickhoff: Essener Köpfe. Hrsg.: Stadt Essen – Historischer Verein für Stadt und Stift Essen. Klartext-Verlag, Essen 2015, S. 334 f.
- Christian Walter Keitel: Zum Gedenken an Benno Strauß, flurgespräche, Universität Münster, 2015
- Wolfgang Stark: Benno Strauß (1873 - 1944) - Edelstahlpionier aus Fürth, 1. Teil. In: Fürther Geschichtsblätter, 2/2017, S. 35 - 66
- Wolfgang Stark: Benno Strauß (1873 - 1944) - Edelstahlpionier aus Fürth, 2. Teil. In: Fürther Geschichtsblätter, 3/2017, S. 75 - 114
Siehe auch
Weblinks
Wikipedia: Benno Strauß
Einzelnachweise
- ↑ heute Ortsteil der Gemeinde Eimen, Landkreis Holzminden/Nds.
- ↑ Brüder und Schwestern: Isidor Israel 2. Juni 1858 - 28. Januar 1862; Lina 17. Oktober 1859 - 18. September 1942 in Theresienstadt; Nanny 6. Oktober 1863 -?; 15. Februar 1867 -?; Rosa 3.September 1868 - 16. März 1933; Frieda 27. Juli 1870 -?; Emma 18. Oktober 1871 - 28. Februar 1872; Klara 25. Oktober 1874 - 12. März 1899
- ↑ Ralf Stremmel: Benno Strauß. Skizze eines Forscherlebens. In: Rasch, Manfred (Hrsg.): 100 Jahre nichtrostender Stahl. Historisches und Aktuelles, Essen 2012, S. 44
- ↑ Wolfgang Stark: Benno Strauß (1873 - 1944) - Edelstahlpionier aus Fürth, Teil 1. In: Fürther Geschichtsblätter. Hrsg. Geschichtsverein Fürth e. V., 67. Jg., Ausgabe 2/2017, S. 47
- ↑ Ralf Stremmel: Benno Strauß. Skizze eines Forscherlebens. In: Rasch, Manfred (Hrsg.): 100 Jahre nichtrostender Stahl. Historisches und Aktuelles, Essen 2012, S. 59
- ↑ 6,0 6,1 Ralf Stremmel: Benno Strauß. Skizze eines Forscherlebens. In: Rasch, Manfred (Hrsg.): 100 Jahre nichtrostender Stahl. Historisches und Aktuelles, Essen 2012, S. 60
- ↑ Detlef Creydt: Das Leben und Leiden in den Lagern Lenne – Vorwohle – Wickensen. In: ders./Meyer, August (Hrsg.): Zwangsarbeit, Bd. 2: Für die Rüstung im südniedersächsischen Bergland 1939 - 1945, Solling – Hils – Ith – Vogler, Braunschweig 1994, S. 59 - 80, S. 71
- ↑ Universitätsarchiv Münster - UAM - Bestand 5, Nr. 204