Gustav Schickedanz: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Gustav Abraham Schickedanz''' (* [[1. Januar]] [[1895]] in [[Fürth]]; [[27. März]] [[1977]] ebenda) war ein Fabrikant und Unternehmer.  
{{Person
|Bild=Portrait Gustav Schickedanz.jpg
|Namenszusatz=Dr. h. c.
|Vorname=Gustav Abraham
|Nachname=Schickedanz
|Geschlecht=männlich
|AbweichendeNamensform=Abraham Gustav Schickedanz
|Geburtsdatum=1895/01/01
|Geburtsort=Fürth
|Todesdatum=1977/03/27
|Todesort=Fürth
|Beruf=Fabrikant; Kaufmann; Gründer; Unternehmer
|Partei=NSDAP
|Religion=evangelisch-lutherisch
|Friedhof=Städtischer Friedhof
|GND=119405733
}}
{{Funktion
|Funktion=Stadtrat
|FunktionVon=1935
|FunktionBis=1945
}}
{{Adresse
|Adressart=Privater Wohnsitz
|Strasse=Lerchenstraße
|Hausnummer=83
}}
{{Auszeichnung
|Auszeichnung=Ehrenbürger der Stadt Fürth
|VerleihungAm=1959/12/10
}}
{{Auszeichnung
|Auszeichnung=Goldene Bürgermedaille
|VerleihungAm=1952/12/22
}}
{{Auszeichnung
|Auszeichnung=Bayerischer Verdienstorden
|VerleihungAm=1961
}}
{{Auszeichnung
|Auszeichnung=Bundesverdienstkreuz
|VerleihungAm=1970/01/05
|AuszeichnungBemerkung=Mit Stern und Schulterband
}}
{{Familie
|Person=Leonhard Michael Schickedanz
|Verwandtschaftsgrad=Vater
}}
{{Familie
|Person=Elisabeth Schickedanz
|Verwandtschaftsgrad=Mutter
}}
{{Familie
|Person=Liesl Kießling
|Verwandtschaftsgrad=Schwester
}}
{{Familie
|Person=Anna Schickedanz
|Verwandtschaftsgrad=1. Ehefrau
}}
{{Familie
|Person=Leo Schickedanz
|Verwandtschaftsgrad=Sohn
}}
{{Familie
|Person=Louise Schickedanz
|Verwandtschaftsgrad=Tochter
}}
{{Familie
|Person=Grete Schickedanz
|Verwandtschaftsgrad=2. Ehefrau
}}
{{Familie
|Person=Madeleine Schickedanz
|Verwandtschaftsgrad=Tochter
}}
{{Familie
|Person=Hans Dedi
|Verwandtschaftsgrad=Schwiegersohn
}}
{{Familie
|Person=Wolfgang Bühler
|Verwandtschaftsgrad=Schwiegersohn
}}
[[wikipedia:Ehrendoktor|Dr. h. c.]] '''Gustav Abraham Schickedanz''' (geb. [[1. Januar]] [[1895]] in [[Fürth]]; gest. [[27. März]] [[1977]] in [[Fürth]]) war ein Fabrikant, Unternehmer und [[Stifter]]. Bekannt wurde er als [[Gründer]] des Versandhauses "[[Quelle]]".


== Leben ==
== Leben ==
[[Bild:Gustav und Grete Schickedanz.jpg|right|mini|Gustav Schickedanz neben [[Grete Schickedanz]]]]
[[Bild:Unterschrift Gustav Schickedanz.jpg|right|mini|Originalunterschrift Gustav Schickedanz von 1952]]
[[Bild:Schickedanz Grab.jpg|mini|right|Schickedanz' Grab auf dem [[Städtischer Friedhof|Hauptfriedhof]]]]


Einer Handwerkerfamilie entstammend, eröffnete er nach Absolvierung einer kaufmännischen Lehre und des Kriegsdienstes 1922 eine Großhandlung für Kurz-, Weiß- und Wollwaren. 1919 heiratete er Anna Zehnder.
Gustav Schickedanz wurde am [[1. Januar]] [[1895]] als zweites Kind des Drechslermeisters [[Leonhard Michael Schickedanz]] und dessen früheren Haushaltshilfe und zweiten Ehefrau [[Elisabeth Schickedanz]] (geb. Eva Kolb) in der [[Theresienstraße| Theresienstraße 23]] in Fürth geboren. Mit 6 Jahren kam er am [[2. September]] [[1901]] in die [[Grund- und Hauptschule Schwabacher Straße|Volksschule]] in der [[Schwabacher Straße 86 / Amalienstraße 12|Schwabacher Straße 86]] eingeschult. Anschließend besuchte Gustav Schickedanz ab dem [[18. September]] [[1905]] die ''Königliche Realschule mit Handelsabschluss'', das spätere [[Hardenberg-Gymnasium]], wo er am [[14. Juli]] [[1911]] das ''Realschul-Absolutorium'' sowie ein ''Zeugnis über die wissenschaftliche Befähigung für den einjährig-freiwilligen Dienst'' erhielt. Im selben Schuljahr schloss sich Gustav Schickedanz außerdem der [[1877]] gegründeten [[Absolvia|Absolvia Fürth]] an.<ref> In: Gregor Schöllgen: ''Gustav Schickedanz - Biografie eines Revolutionärs'', Berlin Verlag, Berlin 2010, S. 25 f.</ref> Bereits am [[1. Juli]] [[1911]] hatte er bei dem Nürnberger Spielwarenhersteller ''J. W. Spear & Söhne'' seine kaufmännische Lehre begonnen, die am [[26. September]] [[1913]] mit einem Austrittszeugnis endete.


1927 gründete er das Versandhaus [[Quelle]] und orientierte sich dabei an der amerikanischen Idee des Versandhandels. Dieses modifizierte er den deutschen Verhältnissen entsprechend um und perfektionierte es, um den deutschen Verbrauchergewohnheiten Rechnung zu tragen. Dabei setzte er von Anfang an auf die Maxime “Qualität zu einem angemessenen Preis”.
Im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] wurde er bereits im Oktober [[1914]] in Frankreich als Meldegänger so schwer am Unterschenkel verwundet, dass er nach seiner Entlassung aus dem Lazarett nur noch ''heimattauglich'' war und zur Kommandantur des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr in der Oberpfalz versetzt wurde.<ref>{{BuchQuelle|Gustav Schickedanz und sein Jahrhundert (Buch)|Seite=65}}</ref> Am [[28. September]] [[1919]] heiratete er die [[Dambach]]er Bäckerstochter Anna Zehnder.
 
Nach dem Kriegsdienst stieg Gustav Schickedanz [[1922]] bei [[Otto Lennert]] in eine Großhandlung für Kurz-, Weiß- und Wollwaren als Teilhaber ein. Bereits am [[7. Dezember]] [[1922]] eröffnete Schickedanz seine eigene Firma, die am [[6. Januar]] [[1923]] ins Handelsregister eingetragen wurde: "Gustav Schickedanz, Kurzwaren en gros", [[Moststraße 25]].  


1929 starben seine Frau, sein Vater und sein Sohn Leo bei einem Autounfall, Schickedanz selbst wurde schwer verletzt. Die Tochter Louise blieb unversehrt.  
Am [[11. November]] [[1927]] ging aus dieser Kurzwarenhandlung das Versandhaus [[Quelle]] hervor und orientierte sich dabei an der amerikanischen Idee des Versandhandels. Dieses modifizierte er den deutschen Verhältnissen entsprechend um und perfektionierte es, um den deutschen Verbrauchergewohnheiten Rechnung zu tragen. Dabei setzte er von Anfang an auf die Maxime “Qualität zu einem angemessenen Preis”. Sitz war zunächst die [[Königswarterstraße|Königswarterstraße 10]].
[[Bild:Schickedanz Grab.jpg|thumb|left|Schickedanz' Grab auf dem [[Hauptfriedhof]]]]
Das von den [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|Nationalsozialisten]] geächtete Versandhausgeschäft machte es notwendig, sich Standbeine im produzierenden Gewerbe zu verschaffen: [[1935]] erwarb Schickedanz im Zuge der [[wikipedia:Arisierung|Arisierung]] die Rechte an der Marke Tempo und die Vereinigten Papierwerke in Nürnberg. Auch die Mehrheit an der [[Brauerei Geismann]] erlangte er Ende der 1930er Jahre. Und so erreichte der Quelle-Konzern [[1939]] einen Umsatz von 40 Millionen Mark. Mit seiner zweiten Ehefrau [[Grete Schickedanz]], die seit [[1922]] seine Angestellte gewesen war, brachte er das Unternehmen nach Ende des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]], in dem bei einem Luftangriff am [[16. März]] [[1945]] die Lager in Fürth zerstört wurden, wieder auf Erfolgskurs.
1935 erwarb Schickedanz die Rechte an der Marke Tempo und die Vereinigten Papierwerke in Nürnberg. 1939 erreichte das Versandhaus Quelle einen Umsatz von 40 Millionen Mark. Mit seiner zweiten Ehefrau [[Grete Schickedanz]], die seit 1922 seine Angestellte war, brachte er das Unternehmen nach Ende des 2. Weltkrieges, in dem bei einem Luftangriff am 16. März 1945 die Lager in Fürth zerstört wurden, wieder auf Erfolgskurs.


Nach zahlreichen Eingliederungen weiterer Unternehmen in den Konzern, u.a. der Brauereien [[Brauerei_Humbser|Humbser]] und [[Brauerei_Geismann|Geismann]], betrug der Umsatz 1972 bereits 5 Milliarden Mark.
So ließ er bereits im Jahr [[1957]] das welterste Informatiksystem für Real Time-Anwendungen bei Handelsunternehmen entwickeln und einsetzen. Im gleichen Jahr gelang ihm auch der Einstieg in den Versandhandel von hochwertigen Fotoapparaten, woraus sich in wenigen Jahren die ''Foto Quelle'' entwickelte. [[1962]] wurden erste Liefer- und Fertigungsverträge mit Handels- und Produktionszentren in Fernost geschlossen, um billigen Importwaren aus Japan entgegentreten zu können. Und zur gleichen Zeit gelang auch der Einstieg in die Touristikbranche. Dies legte den Grundstein für die spätere ''Reise Quelle''.<ref>{{BuchQuelle|Gustav Schickedanz und sein Jahrhundert (Buch)|Seite=23-31}}</ref>


Gustav Schickedanz hatte zwei Töchter, Madeleine Schickedanz und Louise Dedi.
Nach zahlreichen Eingliederungen weiterer Unternehmen in den Konzern, u. a. der Brauerei [[Brauerei_Humbser|Humbser]], die man mit der bereits im Konzern befindlichen [[Brauerei Geismann|Geismann]] zur "[[Brauerei Humbser-Geismann AG]]" verschmolz, betrug der Umsatz [[1972]] bereits 5 Milliarden Mark.
 
Als erfolgreicher Großkaufmann und Unternehmer lebte er in Fürth-Dambach im Stil der "neuen" Zeit, in einer "''... Gemütlichkeit freilich ... recht umfänglich geraten für einen häuslichen Lebenszuschnitt, der seine Verwandtschaft mit den Wohnstuben-Idealen des deutschen Kleinbürgers nicht verleugnet.''"<ref>Peter Brügge: "Die Reichen in Deutschland", Spiegel-Serie, 3. Fortsetzung, Der Spiegel 40/1966 vom 26.09.1966 [http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46414764.html - online]</ref>
 
Als Gustav Schickedanz am [[27. März]] [[1977]] starb, übernahm seine Witwe Grete die Firmenleitung des Versandhauses "Quelle", den Vorstandsvorsitz sein Schwiegersohn [[Hans Dedi]].<ref>[http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/wollen-waegen-wagen;1058340 Quelle: "Wollen! Wägen! Wagen!"], Handelsblatt vom 31. März 2006</ref>
 
Gustav Schickedanz ist auf dem Fürther [[Städtischer Friedhof|Hauptfriedhof]] an der [[Erlanger Straße]] beigesetzt; den Grabspruch - ein Zitat Johann Wolfgang Goethes - hatte er noch selbst bestimmt: „Des Todes rührendes Bild steht nicht als Schrecken dem Weisen und nicht als Ende dem Frommen.“
 
Wenngleich 1977 verstorben, wurde im Januar [[1995]] mit viel Prominenz im Stadttheater der 100. Geburtstag gefeiert, als Festredner traten neben Ministerpräsident Edmund Stoiber auch [[Henry Kissinger]] auf.<ref>Volker Dittmar: ''Ein "Denkjahr" voller Jubiläen''. In: Fürther Nachrichten vom 28. Dezember 1995, S. 36.</ref>
 
Im Oktober 2024 gab die Stadt Fürth bekannt, dass die Familie Schickedanz' persönliches Archiv der Stadt Fürth zur Verfügung stellen wird und damit der Wissenschaft zugänglich macht.


== Schickedanz' Rolle während des NS-Regimes ==
== Schickedanz' Rolle während des NS-Regimes ==
[[Datei:Gustav Schickedanz Stadtrat 1935.jpg|mini|right|Gustav Schickedanz als [[Stadtrat 1935 - 1945|Stadtrat]] der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] in der [[Zeitungen|Fränkischen Tageszeitung]] vom [[26. Oktober]] [[1935]]]]
Schickedanz war seit [[1932]] Mitglied der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] und wurde [[1935]] vom NS-Oberbürgermeister [[Franz Jakob]] als Fürther [[Stadtrat]] eingesetzt. Die anlässlich von Korruption rund um die Arisierungen eingesetzte sogenannte ''Göringkommission'' bezeichnet Schickedanz in ihren Berichten als „Günstling der Gauleitung“. Die Vereinigten Papierwerke, die [[Brauerei Geismann]] (siehe dort: »[[Brauerei Geismann#Übernahme durch Schickedanz|Übernahme durch Schickedanz]]«), weitere Firmen und attraktive Grundstücke konnte Schickedanz, wahrscheinlich aufgrund seiner Parteizugehörigkeit während des NS-Regimes und der guten Kontakte zur Gauleitung, weit unter dem tatsächlichen Wert von den ehemals überwiegend jüdischen Besitzern im Zuge der Arisierung erwerben. Ein wichtiger Partner bei diesen Unternehmensübertragungen war der Direktor der Dresdner Bank in Fürth [[Hans Böhner]], der im Gegenzug lukrative Positionen als Berater und Aufsichtsratsvorsitzender in Schickedanz' Imperium erhielt.
Nach 1945 bestand zunächst gesteigertes Interesse an der Beleuchtung Schickedanz' Rolle während des Dritten Reiches. Ihm war bis 1949 Berufsverbot auferlegt worden, sein Vermögen war größtenteils beschlagnahmt und es war ihm verboten, seine Unternehmen zu leiten und zu betreten.<ref name="SP">[http://www.gustav-schickedanz-stiftung.de/stifter.htm Portrait Gustav Schickedanz] auf den Internetseiten der Gustav-Schickedanz-Stiftung</ref> Im Laufe der Zeit verloren vor allem die USA wegen des heraufziehenden Kalten Krieges ihr Interesse an den Verfahren und die westdeutsche Politik bemühte sich um die Wirtschaftsgrößen, die für den Wiederaufbau als notwendig empfunden wurden. In Schickedanz' Fall war es so z. B. der damalige bayerische Wirtschaftsminister [[Ludwig Erhard|Dr. Ludwig Erhard]], der ihm ein Zeugnis als harmloser „Mitläufer“ ausstellte. So wurde das Verfahren gegen ihn unter großem Druck von außen mit einem Freispruch zu Ende geführt. Erst im April [[1949]] konnte Gustav Schickedanz, dessen Berufsverbot aufgehoben wurde, rehabilitiert in die Firma zurückkehren<ref name="SP"/>, deren treuhänderische Verwaltung, nicht zum Nachteil von Schickedanz, in den Händen ehemaliger Angestellter lag.
Bis heute ist die Rolle von Gustav Schickedanz im Dritten Reich und sein Verhalten bei der Arisierung jüdischen Eigentums in Fürth und Nürnberg höchst umstritten. Während sich die offizielle Firmengeschichtsschreibung dem Thema lange vollständig verschloss und das Kapitel aussparte, so etwa Theo Reubel-Ciani<ref name="Reubel-Ciani">Theo Reubel-Ciani: "Gustav Schickedanz und sein Jahrhundert. Zum 100. Geburtstag des Quelle–Gründers." </ref>, ging man später wieder zur Argumentationslinie aus dem Entnazifizierungsverfahren über, Schickedanz' Rolle auf die eines Mitläufers zu beschränken, so z. B. der von der Familie Schickedanz mit der Biographie beauftragte Erlanger Historiker Gregor Schöllgen.<ref name="Schöllgen">vgl. Gregor Schöllgen: Gustav Schickedanz - Biografie eines Revolutionärs, Berlin Verlag, Berlin 2010</ref> Claus W. Schäfer, seinerseits Inhaber eines Lehrstuhls für Neuere Geschichte an der Universität Erlangen, sieht in einem Vortrag beim [[Geschichtsverein Fürth|Fürther Geschichtsverein]] die Schuld weniger bei Schickedanz als bei der Dresdner Bank; Schickedanz' NSDAP-Mitgliedschaft und Ratstätigkeit in der NS-Zeit erwähnt er mit keinem Wort.


Schickedanz war Mitglied der [[NSDAP]] und wurde [[1935]] vom NS-Oberbürgermeister [[Franz Jakob]] als Fürther Stadtrat eingesetzt. Er war bis 1948 als Kriegsverbrecher inhaftiert, sein Vermögen war größtenteils beschlagnahmt und es war ihm verboten, sein Unternehmen zu leiten und zu betreten. Die treuhänderische Verwaltung war u.a., nicht zum Nachteil von Schickedanz, in den Händen seiner Schwester Liesl Kissling. Die Vereinigten Papierwerke, die [[Brauerei Geismann]] und weitere Firmen konnte Schickedanz wahrscheinlich aufgrund seiner Parteizugehörigkeit während des NS-Regimes weit unter dem tatsächlichen Wert von den ehemals jüdischen Besitzern im Zuge der Arisierung erwerben.
Wesentlich kritischer äußern sich z. B. die Historiker Peter Zinke vom ''Nürnberger Institut für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts'' und Dr. Eckart Dietzfelbinger vom ''Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände'' zur Rolle Gustav Schickedanz und bemängeln die bis heute unvollständige Aufarbeitung des Themenkomplexes. Zinke sieht die Erwerbungen vormals jüdischen Eigentums in engstem Zusammenhang mit Schickedanz guten Kontakten zur Gauleitung<ref name="Zinke">Peter Zinke: "Er drohte wieder mit der Gauleitung", in nurinst 2008, Jahrbuch des Nürnberger Instituts für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts</ref> und Dr. Dietzfelbinger sieht im Fall Schickedanz ein Musterbeispiel des Profiteurs der einträglichen Arisierung, und der Harmlosigkeit der "Mitläuferfabriken" (Spruchkammern) nach Kriegsende, die beide auf einem gesellschaftlichen Konsens beruhten und für "''haarsträubende personelle und mentale Kontinuitäten sorgten''."<ref>Dr. Eckart Dietzfelbinger: "Warum braune Flecken kein Makel blieben: Anmerkungen zum Fall Gustav Schickedanz" in transit nürnberg 2/08</ref>
 
Eigenartig wirkt vor diesem Hintergrund die über 20-jährige Nutzung des NS-Propagandabaus [[Wikipedia: Kongresshalle (Nürnberg)|Kongresshalle]] als Hauptlager des Versandhauses Quelle.


== Stiftungen ==
== Stiftungen ==
Gustav und Grete Schickedanz waren neben ihrer Geschäftstätigkeit auch als Förderer und Initiatoren zahlreicher [[Stiftungen]] tätig und wurden dafür mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht.
Die [[Gustav Schickedanz-Stiftung]] gründete er anlässlich seines 70. Geburtstags, am [[1. Januar]] [[1965]], im Dezember davor. Sie unterstützt primär seit mindestens 5 Jahren in Bayern lebende Studenten aller Fachrichtungen, sofern diese bedürftig sind.
== Familie ==
Schickedanz heiratete am [[28. September]] [[1919]] [[Anna Schickedanz|Anna Babette Zehnder]], mit der er zwei Kinder hatte, [[Leo Schickedanz|Leo]] und [[Louise Schickedanz|Louise]]. Bei einem tragischen Autounfall am [[13. Juli]] [[1929]] starben seine Frau, sein Vater Leonhard Michael Schickedanz und sein kleiner Sohn Leo; Gustav Schickedanz selbst überlebte schwer verletzt. Einzig Tochter Louise blieb unversehrt. Am [[8. Juni]] [[1942]] heiratete er [[Grete Schickedanz]] (geb. Lachner), die seit [[1927]] seine Angestellte war, in der [[Kirche St. Paul]]. Aus dieser Ehe ging die Tochter [[Madeleine Schickedanz]] hervor.
== Ehrungen ==
[[Bild:Ehrenweg Gustav Schickedanz.JPG|mini|right|Gedenkstein am Fürther [[Ehrenweg]].]]
* [[1954]]: Durch Beschluss der Stadt Fürth am [[2. Dezember]] [[1954]] erhält Schickedanz am [[22. Dezember]] [[1954]] als zweite Person überhaupt die [[Goldene Bürgermedaille]]. Die erste Person, die eine Goldene Bürgermedaille erhielt, war knapp zwei Monate vorher Dr. [[Otto Seeling]]. Schickedanzs Ehefrau, [[Grete Schickedanz]], erhielt [[1978]] ebenfalls die [[Goldene Bürgermedaille]], womit das Ehepaar Schickedanz bisher das einzige Ehepaar in Fürth ist, dass die gleiche Auszeichnung durch die Stadt Fürth erhalten hat, wenn auch Zeitversetzt.
* [[1959]]: [[Ehrenbürger(innen)|Ehrenbürger der Stadt Fürth]]
* [[1961]]: Bayerischer Verdienstorden
* 5. Januar 1970: Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband<ref>mx: 5. Januar 1970: Orden zum 75. Geburtstag. In: Fürther Nachrichten vom 5. Januar 2020 - [https://www.nordbayern.de/region/nuernberg/5-januar-1970-orden-zum-75-geburtstag-1.9690301?cache=%3F%3Fdateid%3D68168697%3Furltosend%3DaHR0cHM6Ly93d3cubm9yZGJheWVybi5kZS9lc3Nlbi10cmlua2VuL2dhc3Ryby1ndWlkZS9hdXNnZXplaWNobmV0ZS1nYXN0cm9ub21lbi0xLjkyOTI1MzI%2FY2FjaGU9JTNmJTNmZGF0ZWlkJTNkNjgxNjg2OTc%3D%3FtabParam%3Drating%3FtabParam%3Dcomments%3FtabParam%3Drating%3FtabParam%3Dcomments online]</ref>
* Seit 2007 ist Gustav Schickedanz im '''"[[Ehrenweg|Ehrenweg Fürth]]"''' geehrt.
Darüber hinaus trägt eine Straße und Einrichtungen den Namen von Schickedanz:
* [[Schickedanz-Halle]]
* [[Gustav-Schickedanz-Straße]]
* [[Dr.-Gustav-Schickedanz-Schule]]
* In der von ihm unterstützten Sporthalle des [[Hardenberg-Gymnasium]]s, das Schickedanz noch als Oberrealschule Fürth selbst besucht hatte, erinnert eine Inschrift an den Spender.


Gustav und Grete Schickedanz waren neben ihrer Geschäftstätigkeit auch als Förderer und Initiatoren zahlreicher [[Stiftungen]] tätig und wurden dafür mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht. Die ''Gustav-Schickedanz-Stiftung'' gründete er am [[1.Januar]] 1965 anlässlich seines 70.Geburtstags.
== Tourismus ==
*''Fürths Wirtschaftswunderer³ - Erhard, Grundig und Schickedanz'', Stadtspaziergang der [[Tourist-Information]]


Die Stiftung unterstützt primär seit mindestens 5 Jahren in Bayern lebende Studenten aller Fachrichtungen, sofern diese bedürftig sind. Ebenso tragen viele Straßen und Einrichtungen ihre Namen.  
== Literatur ==
* ''Schickedanz, Gustav''. In: [[Adolf Schwammberger]]: ''[[Fürth von A bis Z]]. Ein Geschichtslexikon''. Fürth: Selbstverlag der Stadt Fürth, 1968, S. 315 f.
* [[Walter Fischer]]: ''In memoriam Dr. h.c. Gustav Schickedanz''. In: [[Fürther Heimatblätter]], 1977/3, S. 49 - 51
* Theo Reubel-Ciani: ''[[Gustav Schickedanz und sein Jahrhundert (Buch)|Gustav Schickedanz und sein Jahrhundert]]. Zum 100. Geburtstag des Quelle-Gründers'', Fürth, 1. Januar 1995, Fürth, Sebald Druck und Verlag GmbH, 347 S.
* Claus W. Schäfer: ''Die Quelle des Wohlstandes. Gustav Schickedanz und Fürth''. In: [[Fürther Geschichtsblätter]], 2,3,4/2007, S. 87 - 99.
* Eckart Dietzfelbinger: ''Warum braune Flecken kein Makel blieben'': Anmerkungen zum Fall Gustav Schickedanz'', in: Transit Nürnberg  2.2008, S. 31 - 37 
* Gregor Schöllgen: ''[[Gustav Schickedanz: Biographie eines Revolutionärs (Buch)|Gustav Schickedanz: Biographie eines Revolutionärs]]'', BV Berlin Verlag GmbH, Berlin, 2010, 464 S.


Gustav Schickedanz wurde 1959 [[Ehrenbürger(innen)|Ehrenbürger der Stadt Fürth]] und ist seit 2007 am '''"[[Ehrenweg|Ehrenweg Fürth]]"''' ehrend verewigt.
==Lokalberichterstattung==
* Eckart Dietzfelbinger: ''Kleine Schritte ins Verbrechen'' - In: Nürnberger Zeitung vom 10. März 2009 - [http://www.nordbayern.de/region/nuernberg/kleine-schritte-ins-verbrechen-1.625844 online]
* dpa: ''Quelle-Gründer übernahm jüdischen Besitz. Gustav Schickedanz profitierte von Nationalsozialisten''. In: Nürnberger Zeitung Nr. 166 vom 22. Juli 2009, S. 2
* dpa: ''«Verstrickt in Arisierung» - Bericht: Quelle-Gründer profitierte von NS-Enteignung'' - Pressebericht vom 22. Juli 2009 [http://www.nordbayern.de/politik/verstrickt-in-arisierung-1.555503 online]
* Alexander Jungkunz: ''Quelle profitierte von den Nazis - Gustav Schickedanz trat schon 1932 der NSDAP bei''. In: Nürnberger Nachrichten vom 23. Juli 2009 - [http://www.nordbayern.de/politik/quelle-profitierte-von-den-nazis-1.681380 online]
* Alexander Jungkunz: ''„Stadt muss Rolle von Schickedanz benennen“''. In: [[Fürther Nachrichten]] vom 23. März 2024 (Druckausgabe)


[[1961]] erhielt er den Bayerischen Verdienstorden.
== Siehe auch ==
* [[Leonhard Michael Schickedanz]]
* [[Elisabeth Schickedanz]]
* [[Liesl Kießling]]
* [[Anna Schickedanz]]
* [[Grete Schickedanz]]
* [[Schickedanz-Villa]]
* [[Gustav Schickedanz-Stiftung]]
* [[Schickedanz]] (Namensklärung)
* [[Quelle]]
* [[Brauerei Geismann]]
* [[Brauerei Humbser]]
* [[wikipedia:Arisierung|Arisierung]] ''(Wikipedia)''


==Weblinks==
* [http://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Schickedanz Gustav Schickedanz in der Wikipedia]


{| style="border:1px solid #8888aa; background-color:#f7f8ff;padding:5px;font-size:95%;"
== Einzelnachweise ==
|
<references/>
Teile dieses Artikels wurden aus dem Artikel  [http://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Schickedanz Gustav Schickedanz] aus der freien Enzyklopädie [http://de.wikipedia.org/ Wikipedia] adaptiert und stehen unter der [http://example.com/fdl.txt GNU-Lizenz für freie Dokumentation]. In der Wikipedia ist eine [http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gustav_Schickedanz&action=history Liste der Autoren] verfügbar.
|}


==Bilder==
{{Bilder dieser Person}}


[[Kategorie:Persönlichkeiten]]
[[Kategorie:Ehrenbürger]]
[[Kategorie:Söhne und Töchter der Stadt Fürth]]
[[Kategorie:Stifter]]
[[Kategorie:Geboren 1895|Schickedanz, Gustav]]
[[Kategorie:Dambach]]
[[Kategorie:Gestorben 1977|Schickedanz, Gustav]]

Aktuelle Version vom 19. Oktober 2024, 16:03 Uhr

Dr. h. c. Gustav Abraham Schickedanz (geb. 1. Januar 1895 in Fürth; gest. 27. März 1977 in Fürth) war ein Fabrikant, Unternehmer und Stifter. Bekannt wurde er als Gründer des Versandhauses "Quelle".

Leben

Gustav Schickedanz neben Grete Schickedanz
Originalunterschrift Gustav Schickedanz von 1952
Schickedanz' Grab auf dem Hauptfriedhof

Gustav Schickedanz wurde am 1. Januar 1895 als zweites Kind des Drechslermeisters Leonhard Michael Schickedanz und dessen früheren Haushaltshilfe und zweiten Ehefrau Elisabeth Schickedanz (geb. Eva Kolb) in der Theresienstraße 23 in Fürth geboren. Mit 6 Jahren kam er am 2. September 1901 in die Volksschule in der Schwabacher Straße 86 eingeschult. Anschließend besuchte Gustav Schickedanz ab dem 18. September 1905 die Königliche Realschule mit Handelsabschluss, das spätere Hardenberg-Gymnasium, wo er am 14. Juli 1911 das Realschul-Absolutorium sowie ein Zeugnis über die wissenschaftliche Befähigung für den einjährig-freiwilligen Dienst erhielt. Im selben Schuljahr schloss sich Gustav Schickedanz außerdem der 1877 gegründeten Absolvia Fürth an.[1] Bereits am 1. Juli 1911 hatte er bei dem Nürnberger Spielwarenhersteller J. W. Spear & Söhne seine kaufmännische Lehre begonnen, die am 26. September 1913 mit einem Austrittszeugnis endete.

Im Ersten Weltkrieg wurde er bereits im Oktober 1914 in Frankreich als Meldegänger so schwer am Unterschenkel verwundet, dass er nach seiner Entlassung aus dem Lazarett nur noch heimattauglich war und zur Kommandantur des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr in der Oberpfalz versetzt wurde.[2] Am 28. September 1919 heiratete er die Dambacher Bäckerstochter Anna Zehnder.

Nach dem Kriegsdienst stieg Gustav Schickedanz 1922 bei Otto Lennert in eine Großhandlung für Kurz-, Weiß- und Wollwaren als Teilhaber ein. Bereits am 7. Dezember 1922 eröffnete Schickedanz seine eigene Firma, die am 6. Januar 1923 ins Handelsregister eingetragen wurde: "Gustav Schickedanz, Kurzwaren en gros", Moststraße 25.

Am 11. November 1927 ging aus dieser Kurzwarenhandlung das Versandhaus Quelle hervor und orientierte sich dabei an der amerikanischen Idee des Versandhandels. Dieses modifizierte er den deutschen Verhältnissen entsprechend um und perfektionierte es, um den deutschen Verbrauchergewohnheiten Rechnung zu tragen. Dabei setzte er von Anfang an auf die Maxime “Qualität zu einem angemessenen Preis”. Sitz war zunächst die Königswarterstraße 10. Das von den Nationalsozialisten geächtete Versandhausgeschäft machte es notwendig, sich Standbeine im produzierenden Gewerbe zu verschaffen: 1935 erwarb Schickedanz im Zuge der Arisierung die Rechte an der Marke Tempo und die Vereinigten Papierwerke in Nürnberg. Auch die Mehrheit an der Brauerei Geismann erlangte er Ende der 1930er Jahre. Und so erreichte der Quelle-Konzern 1939 einen Umsatz von 40 Millionen Mark. Mit seiner zweiten Ehefrau Grete Schickedanz, die seit 1922 seine Angestellte gewesen war, brachte er das Unternehmen nach Ende des Zweiten Weltkriegs, in dem bei einem Luftangriff am 16. März 1945 die Lager in Fürth zerstört wurden, wieder auf Erfolgskurs.

So ließ er bereits im Jahr 1957 das welterste Informatiksystem für Real Time-Anwendungen bei Handelsunternehmen entwickeln und einsetzen. Im gleichen Jahr gelang ihm auch der Einstieg in den Versandhandel von hochwertigen Fotoapparaten, woraus sich in wenigen Jahren die Foto Quelle entwickelte. 1962 wurden erste Liefer- und Fertigungsverträge mit Handels- und Produktionszentren in Fernost geschlossen, um billigen Importwaren aus Japan entgegentreten zu können. Und zur gleichen Zeit gelang auch der Einstieg in die Touristikbranche. Dies legte den Grundstein für die spätere Reise Quelle.[3]

Nach zahlreichen Eingliederungen weiterer Unternehmen in den Konzern, u. a. der Brauerei Humbser, die man mit der bereits im Konzern befindlichen Geismann zur "Brauerei Humbser-Geismann AG" verschmolz, betrug der Umsatz 1972 bereits 5 Milliarden Mark.

Als erfolgreicher Großkaufmann und Unternehmer lebte er in Fürth-Dambach im Stil der "neuen" Zeit, in einer "... Gemütlichkeit freilich ... recht umfänglich geraten für einen häuslichen Lebenszuschnitt, der seine Verwandtschaft mit den Wohnstuben-Idealen des deutschen Kleinbürgers nicht verleugnet."[4]

Als Gustav Schickedanz am 27. März 1977 starb, übernahm seine Witwe Grete die Firmenleitung des Versandhauses "Quelle", den Vorstandsvorsitz sein Schwiegersohn Hans Dedi.[5]

Gustav Schickedanz ist auf dem Fürther Hauptfriedhof an der Erlanger Straße beigesetzt; den Grabspruch - ein Zitat Johann Wolfgang Goethes - hatte er noch selbst bestimmt: „Des Todes rührendes Bild steht nicht als Schrecken dem Weisen und nicht als Ende dem Frommen.“

Wenngleich 1977 verstorben, wurde im Januar 1995 mit viel Prominenz im Stadttheater der 100. Geburtstag gefeiert, als Festredner traten neben Ministerpräsident Edmund Stoiber auch Henry Kissinger auf.[6]

Im Oktober 2024 gab die Stadt Fürth bekannt, dass die Familie Schickedanz' persönliches Archiv der Stadt Fürth zur Verfügung stellen wird und damit der Wissenschaft zugänglich macht.

Schickedanz' Rolle während des NS-Regimes

Gustav Schickedanz als Stadtrat der NSDAP in der Fränkischen Tageszeitung vom 26. Oktober 1935

Schickedanz war seit 1932 Mitglied der NSDAP und wurde 1935 vom NS-Oberbürgermeister Franz Jakob als Fürther Stadtrat eingesetzt. Die anlässlich von Korruption rund um die Arisierungen eingesetzte sogenannte Göringkommission bezeichnet Schickedanz in ihren Berichten als „Günstling der Gauleitung“. Die Vereinigten Papierwerke, die Brauerei Geismann (siehe dort: »Übernahme durch Schickedanz«), weitere Firmen und attraktive Grundstücke konnte Schickedanz, wahrscheinlich aufgrund seiner Parteizugehörigkeit während des NS-Regimes und der guten Kontakte zur Gauleitung, weit unter dem tatsächlichen Wert von den ehemals überwiegend jüdischen Besitzern im Zuge der Arisierung erwerben. Ein wichtiger Partner bei diesen Unternehmensübertragungen war der Direktor der Dresdner Bank in Fürth Hans Böhner, der im Gegenzug lukrative Positionen als Berater und Aufsichtsratsvorsitzender in Schickedanz' Imperium erhielt.

Nach 1945 bestand zunächst gesteigertes Interesse an der Beleuchtung Schickedanz' Rolle während des Dritten Reiches. Ihm war bis 1949 Berufsverbot auferlegt worden, sein Vermögen war größtenteils beschlagnahmt und es war ihm verboten, seine Unternehmen zu leiten und zu betreten.[7] Im Laufe der Zeit verloren vor allem die USA wegen des heraufziehenden Kalten Krieges ihr Interesse an den Verfahren und die westdeutsche Politik bemühte sich um die Wirtschaftsgrößen, die für den Wiederaufbau als notwendig empfunden wurden. In Schickedanz' Fall war es so z. B. der damalige bayerische Wirtschaftsminister Dr. Ludwig Erhard, der ihm ein Zeugnis als harmloser „Mitläufer“ ausstellte. So wurde das Verfahren gegen ihn unter großem Druck von außen mit einem Freispruch zu Ende geführt. Erst im April 1949 konnte Gustav Schickedanz, dessen Berufsverbot aufgehoben wurde, rehabilitiert in die Firma zurückkehren[7], deren treuhänderische Verwaltung, nicht zum Nachteil von Schickedanz, in den Händen ehemaliger Angestellter lag.

Bis heute ist die Rolle von Gustav Schickedanz im Dritten Reich und sein Verhalten bei der Arisierung jüdischen Eigentums in Fürth und Nürnberg höchst umstritten. Während sich die offizielle Firmengeschichtsschreibung dem Thema lange vollständig verschloss und das Kapitel aussparte, so etwa Theo Reubel-Ciani[8], ging man später wieder zur Argumentationslinie aus dem Entnazifizierungsverfahren über, Schickedanz' Rolle auf die eines Mitläufers zu beschränken, so z. B. der von der Familie Schickedanz mit der Biographie beauftragte Erlanger Historiker Gregor Schöllgen.[9] Claus W. Schäfer, seinerseits Inhaber eines Lehrstuhls für Neuere Geschichte an der Universität Erlangen, sieht in einem Vortrag beim Fürther Geschichtsverein die Schuld weniger bei Schickedanz als bei der Dresdner Bank; Schickedanz' NSDAP-Mitgliedschaft und Ratstätigkeit in der NS-Zeit erwähnt er mit keinem Wort.

Wesentlich kritischer äußern sich z. B. die Historiker Peter Zinke vom Nürnberger Institut für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts und Dr. Eckart Dietzfelbinger vom Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände zur Rolle Gustav Schickedanz und bemängeln die bis heute unvollständige Aufarbeitung des Themenkomplexes. Zinke sieht die Erwerbungen vormals jüdischen Eigentums in engstem Zusammenhang mit Schickedanz guten Kontakten zur Gauleitung[10] und Dr. Dietzfelbinger sieht im Fall Schickedanz ein Musterbeispiel des Profiteurs der einträglichen Arisierung, und der Harmlosigkeit der "Mitläuferfabriken" (Spruchkammern) nach Kriegsende, die beide auf einem gesellschaftlichen Konsens beruhten und für "haarsträubende personelle und mentale Kontinuitäten sorgten."[11]

Eigenartig wirkt vor diesem Hintergrund die über 20-jährige Nutzung des NS-Propagandabaus Kongresshalle als Hauptlager des Versandhauses Quelle.

Stiftungen

Gustav und Grete Schickedanz waren neben ihrer Geschäftstätigkeit auch als Förderer und Initiatoren zahlreicher Stiftungen tätig und wurden dafür mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht.

Die Gustav Schickedanz-Stiftung gründete er anlässlich seines 70. Geburtstags, am 1. Januar 1965, im Dezember davor. Sie unterstützt primär seit mindestens 5 Jahren in Bayern lebende Studenten aller Fachrichtungen, sofern diese bedürftig sind.

Familie

Schickedanz heiratete am 28. September 1919 Anna Babette Zehnder, mit der er zwei Kinder hatte, Leo und Louise. Bei einem tragischen Autounfall am 13. Juli 1929 starben seine Frau, sein Vater Leonhard Michael Schickedanz und sein kleiner Sohn Leo; Gustav Schickedanz selbst überlebte schwer verletzt. Einzig Tochter Louise blieb unversehrt. Am 8. Juni 1942 heiratete er Grete Schickedanz (geb. Lachner), die seit 1927 seine Angestellte war, in der Kirche St. Paul. Aus dieser Ehe ging die Tochter Madeleine Schickedanz hervor.

Ehrungen

Gedenkstein am Fürther Ehrenweg.

Darüber hinaus trägt eine Straße und Einrichtungen den Namen von Schickedanz:

Tourismus

  • Fürths Wirtschaftswunderer³ - Erhard, Grundig und Schickedanz, Stadtspaziergang der Tourist-Information

Literatur

Lokalberichterstattung

  • Eckart Dietzfelbinger: Kleine Schritte ins Verbrechen - In: Nürnberger Zeitung vom 10. März 2009 - online
  • dpa: Quelle-Gründer übernahm jüdischen Besitz. Gustav Schickedanz profitierte von Nationalsozialisten. In: Nürnberger Zeitung Nr. 166 vom 22. Juli 2009, S. 2
  • dpa: «Verstrickt in Arisierung» - Bericht: Quelle-Gründer profitierte von NS-Enteignung - Pressebericht vom 22. Juli 2009 online
  • Alexander Jungkunz: Quelle profitierte von den Nazis - Gustav Schickedanz trat schon 1932 der NSDAP bei. In: Nürnberger Nachrichten vom 23. Juli 2009 - online
  • Alexander Jungkunz: „Stadt muss Rolle von Schickedanz benennen“. In: Fürther Nachrichten vom 23. März 2024 (Druckausgabe)

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. In: Gregor Schöllgen: Gustav Schickedanz - Biografie eines Revolutionärs, Berlin Verlag, Berlin 2010, S. 25 f.
  2. Theo Reubel-Ciani: Gustav Schickedanz. Quelle, 1995, S. 65.
  3. Theo Reubel-Ciani: Gustav Schickedanz. Quelle, 1995, S. 23-31.
  4. Peter Brügge: "Die Reichen in Deutschland", Spiegel-Serie, 3. Fortsetzung, Der Spiegel 40/1966 vom 26.09.1966 - online
  5. Quelle: "Wollen! Wägen! Wagen!", Handelsblatt vom 31. März 2006
  6. Volker Dittmar: Ein "Denkjahr" voller Jubiläen. In: Fürther Nachrichten vom 28. Dezember 1995, S. 36.
  7. 7,0 7,1 Portrait Gustav Schickedanz auf den Internetseiten der Gustav-Schickedanz-Stiftung
  8. Theo Reubel-Ciani: "Gustav Schickedanz und sein Jahrhundert. Zum 100. Geburtstag des Quelle–Gründers."
  9. vgl. Gregor Schöllgen: Gustav Schickedanz - Biografie eines Revolutionärs, Berlin Verlag, Berlin 2010
  10. Peter Zinke: "Er drohte wieder mit der Gauleitung", in nurinst 2008, Jahrbuch des Nürnberger Instituts für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts
  11. Dr. Eckart Dietzfelbinger: "Warum braune Flecken kein Makel blieben: Anmerkungen zum Fall Gustav Schickedanz" in transit nürnberg 2/08
  12. mx: 5. Januar 1970: Orden zum 75. Geburtstag. In: Fürther Nachrichten vom 5. Januar 2020 - online

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