Bücherkonfiskationen 1702, 1712 und 1744: Unterschied zwischen den Versionen

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Auch hier kam es zu ähnlichen Beschuldigungen, dass jüdische Gebetbücher und talmudische Schriften Lästerungen gegen den christlichen Glauben beinhalten. Dieses Mal kam die Untersuchung durch den vor der Taufe stehenden Juden Alexander Benjamin in Gang.<ref>siehe J. Rosenfeld: „Auf den Spuren der Konfiskation der Hebräischen Bücher zu Fürth“ in [[Nachrichten für den Jüdischen Bürger Fürths]], 1963, S. 10. Die Akten tragen die Überschrift:„Denunziazion des Alexander Benjamin, angeblich ohne Passion und ohne eigene Absicht auf Gnade und Geld sondern bloß um Gottes Ehre und zu großem herrschaftlichen Interesse“</ref> Die Konsistorialkommission stand unter dem Vorsitz des Orientalisten und Pfarrer [[wikipedia:Johann Jacob Rabe|Johann Jacob Rabe]]. Als Beisitzer fungierte wiederum Christfels.<ref>J. Rosenfeld: „Auf den Spuren der Konfiskation der Hebräischen Bücher zu Fürth“ in [[Nachrichten für den Jüdischen Bürger Fürths]], 1963, S. 11</ref>
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Auch hier kam es zu ähnlichen Beschuldigungen, dass jüdische Gebetbücher und talmudische Schriften Lästerungen gegen den christlichen Glauben beinhalten. Dieses Mal kam die Untersuchung durch den vor der Taufe stehenden Juden Alexander Benjamin in Gang.<ref>siehe J. Rosenfeld: „Auf den Spuren der Konfiskation der Hebräischen Bücher zu Fürth“ in [[Nachrichten für den Jüdischen Bürger Fürths]], 1963, S. 10. Die Akten tragen die Überschrift:„Denunziazion des Alexander Benjamin, angeblich ohne Passion und ohne eigene Absicht auf Gnade und Geld sondern bloß um Gottes Ehre und zu großem herrschaftlichen Interesse“</ref> Die Konsistorialkommission stand unter dem Vorsitz des Orientalisten und Pfarrer [[wikipedia:Johann Jacob Rabe|Johann Jacob Rabe]]. Als Beisitzer fungierte wiederum Christfels.<ref>J. Rosenfeld: „Auf den Spuren der Konfiskation der Hebräischen Bücher zu Fürth“ in [[Nachrichten für den Jüdischen Bürger Fürths]], 1963, S. 11</ref> Betroffen war diesmal u.a. die Bibliothek des Fürther Rabbiners [[Baruch Rapaport]]. Nachdem ein halbes Jahre Verhöre durchgeführt worden waren.
  
 
== Einzelnachweise ==
 
== Einzelnachweise ==

Aktuelle Version vom 31. Juli 2024, 18:10 Uhr

Noch in Arbeit[Bearbeiten]

Mit dem Vorwurf, dass in hebräisch verfassten Büchern der christliche Glaube herabgesetzt und verunglimpft werde, kam es in den Jahren 1702, 1712 und 1744 zu Bücherkonfiskationen in Fürth. Getaufte Juden in ihrem Konvertiteneifer spielten dabei als auslösendes Moment ebenso eine Rolle, wie die Rivalität zwischen der Dompropstei Bamberg und dem Markgrafentum Ansbach sowie zwischen jüdischen Familien, die um den Stand des Hoffaktoren buhlten.[1]

Konfiskation 1702[Bearbeiten]

Der am 10. Juli 1701 getaufte Jude Mordechai ben Mosche[2], der nach seiner Taufe den Namen Philipp Ernst Christfels erhielt[3][4] denunzierte, dass in „vornehmsten jüdischen Häusern“ Fürths sich Bücher mit Schmähungen des christlichen Glaubens befänden.[5][1] Einer von Markgraf Georg Friedrich d. J. eingesetzte Kommission wurden die beschlagnahmten Bücher übergeben. Die Kommission bestand aus Hofrath Schweser, Generalsuperintendent Dr. Christoph Händel und dem Licentiaten Rudolf Martin Meelführer. Sie tagte in Fürth vom 27. März 1702 bis zum 4. April.[6] Bärmann Fränkel trat vor der Kommission als Wortführer der jüdischen Seite gegen Christfels an. Auf die Frage, „ob das Gebet ולמלשינים (und an die Verleumder) gegen getaufte Juden gerichtet sei, antwortete Bärman mit leicht verständlicher, sarkastischer Anspielung auf Christfels: Das Gebet könne allerdings auch auf getaufte Juden bezogen werden, die um die Gunst der Grossen, um des Geldes oder der Weiber willen die jüdische Religion verlassen.[7] In einer Zeit, in der Bücheranklagen gegen Juden üblich wurden hatte die Kommission mit Meelführer einen sachkundigen Orientalisten, der die jüdische Literatur schätzte und damit der jüdischen Sache gewogen war. In einer Privataudienz stattete Meelführer dem Markgrafen am 5. Oktober 1702 Bericht. Die immer bedrohlicher werdenden bayerischen Kriegsereignisse[8] ließen die Bücheranklage in den Hintergrund treten und als der Markgraf Georg Friedrich am 28. März 1703 bei Schmidmühlen tödlich verwundet wurde, hatte der Fürther Bücherprozess sein Ende gefunden.[9] Die Bücher blieben in der Obhut von Meelführer.

Konfiskation 1712[Bearbeiten]

Als im Jahre 1710 Elkan Fränkel, der Hoffaktor von Markgraf Wilhelm Friedrich zum Oberbarnoss ernannt wurde[10] schrieb Christfels an den Markgrafen und erinnerte an die 1702 konfiszierten Bücher. Offensichtlich ahnte Christfels, dass eine umfassende Verschwörung gegen Elkan Fränkel im Gange war. Diesmal wurde die Anklage auf die Aussage des Denunzianten Jischay (Jesaja) Fränkel[11] der nach seiner Taufe Christian Friedrich Christhold hieß, gestützt.[12] Der Inhalt der Denunziation war in etwa identisch mit den Anklagepunkten des späteren Hofratsgutachten:

Aufstellung der konfiszierten Bücher von 1702 uns 1712
  • der Besitz jüdischer Bücher mit Lästerungen gegen das Christentum
  • Übergriffe auf allen Zweigen des Staatslebens
  • beleidigende Äußerungen gegen den Markgrafen
  • verräterische Korrespondenzen
  • sexuelle Vergehungen[13]

Allerdings maßen die Hofräte den Anschuldigungen Christholds nicht soviel Gewicht bei, hielten die Anschuldigungen sogar für weit hergeholt, sodass der Brief von Christfels gerade zur rechten Zeit kam. Der Anklagepunkt der Gotteslästerung wurde als erster aufgegriffen und Elkan Fränkel wurde verhaftet. Elkan wurde sogar beschuldigt, bei der 1702 im Sande verlaufenen Untersuchung seine Hände im Spiel gehabt zu haben.[14] Meelführer musste die seinerzeit beschlagnahmten Bücher herausgeben. Darüber fügte er auch ein Verzeichnis bei. Bei Meelführer selbst wurden in diesem Zusammenhang Briefe an den Rabbiner Hirsch Fränkel entdeckt, die der Untersuchungskommission zu judenfreundlich erschienen. Meelführer wurde des „Fränkelianismus“ bezichtigt, entfloh nach Augsburg, wo er noch im gleichen Jahr katholisch wurde. Nach einiger Zeit kehrte er zwar zum Protestantismus zurück, war aber in unterschiedlichen Streitigkeiten verwickelt, aufgrund derer er sogar gefangen gesetzt wurde.[15]
Elkan Fränkel war nach dem Urteil der Hofräte in allen Anlagepunkten schuldig:[16]

  • er habe gotteslästerliche jüdische Bücher gehabt und daraus gebetet
  • eine Judenbücheruntersuchung[17] hintertrieben
  • Respekt gegenüber dem Markgrafen vermissen lassen
  • absurde und gefährliche Dekrete zur Unterschrift vorgelegt
  • zu Ungunsten des Staates mit Nachbarmächten korrespondiert
  • verdächtige Konversationen mit Frauenzimmern unterhalten[18] etc. p.p.

Der Markgraf erließ daraufhin - gemäß dieses Gutachtens - die Strafe, die am 2. November 1712 vollzogen wurde. Der ehemalige Hofjude, der die ganze Zeit in der Büttelei an die Wand geschlossen gefangen gehalten wurde, musste nun von den Scharfrichtersknechten entkleidet am Markt angebunden an Pfählen verharren, bis er gestäupt wurde, während man sein Buch[19] zerriss und in den Koth trat. Danach wurde er zu lebenslanger Haft auf die Wülzburg gebracht. Dort starb Elkan Fränkel 1720.[20]

Hirsch Fränkel hatte im Zuge der Hausdurchsuchung wegen seines Bruders Elkan um Rückgabe eines Buches gebeten, die ihm dann zur Selbstanklage geriet. Er wolle damit größeres Unheil vermeiden, weil in dem „Buche Geister- und andere Beschwörungen, auch rabbinischer Segen befindlich“ seien.[21] Nach durchgeführter Untersuchung, die sich lediglich auf den Besitz von abergläubischen und lästerlichen hebräischen Büchern stützte, kam die Kommission zu dem Urteil, „dem Inquisiten perpetuum carcerem anzudictiren“ (dem Verhörten unbegrenzten Gefängnisaufenthalt aufzuerlegen). Hirsch Fränkel kam zeitlebens in ein Schwabacher Gefängnis, einem eigens eingerichteten Raum im Pulverturm am Ausfluss,[22] wo er bis 1723 in Ketten lag. Sein Vermögen wurde eingezogen, seine Familie des Landes verwiesen, insbesondere seine Ehefrau Rösla wurde während des Verfahrens übel behandelt. 1736 wurde der inzwischen 74jährige begnadigt und verbrachte noch einige Zeit im Haus Glockengießergasse 5/7 in Schwabach. Wahrscheinlich ist er 1739 in Georgensgmünd beigesetzt.[23]


[24]

Konfiskation 1744[Bearbeiten]

Auch hier kam es zu ähnlichen Beschuldigungen, dass jüdische Gebetbücher und talmudische Schriften Lästerungen gegen den christlichen Glauben beinhalten. Dieses Mal kam die Untersuchung durch den vor der Taufe stehenden Juden Alexander Benjamin in Gang.[25] Die Konsistorialkommission stand unter dem Vorsitz des Orientalisten und Pfarrer Johann Jacob Rabe. Als Beisitzer fungierte wiederum Christfels.[26] Betroffen war diesmal u.a. die Bibliothek des Fürther Rabbiners Baruch Rapaport. Nachdem ein halbes Jahre Verhöre durchgeführt worden waren.

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. 1,0 1,1 siehe dazu Barbara Ohm: Geschichte der Juden in Fürth, 2014, S. 73-75
  2. geb. 1671 in Wilhermsdorf
  3. Dies war der Name seines Taufpaten, des regierenden Grafen Philipp Ernst erhielt er Er war verheiratet mit der Tochter eines Garkochs, unterrichtet in rabbinischen und talmudischen Schriften, übernahm Unterweisungen jüdischer Kinder in Fürth, wurde aber u.a. von dem Fürther Diakon Adam Andreas Cnollaeus von seinen Skrupeln gegenüber dem Christentum befreit und in Wilhermsdorf von Pfarrer Wolfgang Andreas Klibhahn getauft wurde.
  4. siehe auch Deutsche Digitale Bibliothek zu Philipp Ernst Christfeld
  5. Bernhard Ziemlich: „Eine Bücherkonfiscation zu Fürth im Jahre 1702“, in: M. Brann und F. Rosenthal:„Gedenkbuch zur Erinnerung an David Kaufmann“, Breslau 1900, S. 461 (V)
  6. ebenda
  7. Bernhard Ziemlich: „Eine Bücherkonfiscation zu Fürth im Jahre 1702“, in: M. Brann und F. Rosenthal:„Gedenkbuch zur Erinnerung an David Kaufmann“, Breslau 1900, S. 463 (VII); J. Rosenfeld: „Auf den Spuren der Konfiskation der Hebräischen Bücher zu Fürth“ in Nachrichten für den Jüdischen Bürger Fürths, 1963, S. 10
  8. Am 10. September 1702 begann der bayerische Kurfürst Maximilian II. Emanuel mit einem Überfall auf die Reichsstadt Ulm den „bayerisch-deutschen Krieg“ gegen das Reich.
  9. Bernhard Ziemlich: „Eine Bücherkonfiscation zu Fürth im Jahre 1702“, in: M. Brann und F. Rosenthal:„Gedenkbuch zur Erinnerung an David Kaufmann“, Breslau 1900, S. 465 (IX)
  10. Salomon Hänle gibt das Jahr 1708 an (siehe: S. Hänle: „Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstenthum Ansbach, S. 75); Elkan Fränkel gibt in seinem Verhör dagegen 1710 an (siehe Bernhard Ziemlich: „Eine Bücherkonfiscation zu Fürth im Jahre 1702“, in: M. Brann und F. Rosenthal:„Gedenkbuch zur Erinnerung an David Kaufmann“, Breslau 1900, S. 466 (X), Fußnote 1
  11. Jischay war sogar ein Verwandter von Elkan und Hirsch Fränkel
  12. zur Person des Christian Freidrich Christhold siehe Magnus Weinberg: „Der Konvertit Friedrich Christian Christhold“, in: „Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums“, 1906, Heft 1, S. 94-99
  13. S. Hänle: „Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstenthum Ansbach, S. 76
  14. Bernhard Ziemlich: „Eine Bücherkonfiscation zu Fürth im Jahre 1702“, in: M. Brann und F. Rosenthal:„Gedenkbuch zur Erinnerung an David Kaufmann“, Breslau 1900, S. 467 (XI)
  15. S. Hänle: „Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstenthum Ansbach, S. 86
  16. S. Hänle: „Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstenthum Ansbach, S. 77 f
  17. nämlich die von 1702
  18. dies soll darin bestanden haben, dass er die Nichte des Markgrafen umarmt habe
  19. ein „unflätiges und abergläubisches Buch“; S. Hänle, S. 83
  20. S. Hänle, S. 82
  21. S. Hänle, S. 83
  22. siehe Das Schicksal des Rabbiners Hirsch Fränkel, Jüdisches Leben in Schwabach
  23. ebenda; ebenso Geni zu Rabbi Tzvi Hirsch Fraenkel, A.B.D Rheinland-Pfalz and Ansbach und mit Abweichungen in der Haftlänge J. Rosenfeld: „Auf den Spuren der Konfiskation der Hebräischen Bücher zu Fürth“ in Nachrichten für den Jüdischen Bürger Fürths, 1963, S. 10; dagegen vermutet JewishEncyclopedia den Tod mit Hänle im Jahr 1723], ebenso Hugo Barbeck: [Geschichte der Juden in Nürnberg und Fürth (Buch)|Geschichte der Juden in Nürnberg und Fürth]], S. 79
  24. Bernhard Ziemlich: „Eine Bücherconfiscation zu Fürth im Jahre 1702. Zur Abwehr“, in: „Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums“ , Jahrg. 46, Heft 1/2 (Januar/Februar 1902), S. 88-93
  25. siehe J. Rosenfeld: „Auf den Spuren der Konfiskation der Hebräischen Bücher zu Fürth“ in Nachrichten für den Jüdischen Bürger Fürths, 1963, S. 10. Die Akten tragen die Überschrift:„Denunziazion des Alexander Benjamin, angeblich ohne Passion und ohne eigene Absicht auf Gnade und Geld sondern bloß um Gottes Ehre und zu großem herrschaftlichen Interesse“
  26. J. Rosenfeld: „Auf den Spuren der Konfiskation der Hebräischen Bücher zu Fürth“ in Nachrichten für den Jüdischen Bürger Fürths, 1963, S. 11

Literatur[Bearbeiten]

  • Isak Nethanel Gath: „Der Hexenmeister von Schwabach: Der Prozess gegen den Ansbachischen Landesrabbiner Hirsch Fränkel“, 2011, Historischer Verein für Mittelfranken (Hrsg.), Band 21 der Mittelfränkischen Studien

Siehe auch[Bearbeiten]


Bilder[Bearbeiten]